Das Bergwanderparadies Alpstein in der Ostschweiz ist idyllisch – und kann doch gefährlich sein: Im Sommer 2022 stürzten innerhalb kurzer Zeit in der Gegend um das Gebiet Äscher fünf Menschen in den Tod. Darunter waren viele ältere Menschen, aber auch eine Mutter mit ihrem Kind. Viele fragen sich deswegen: Sollte man dort überhaupt noch wandern, wenn man nicht mehr der Jüngste oder mit Kindern unterwegs ist?

Rein statistisch werden Kinder und Jugendliche äußerst selten Opfer von Bergunfällen mit tödlichem Ausgang. Den weitaus größten Anteil machen hier Menschen ab 50 Jahren aus. Das bestätigt Bruno Hasler im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Er ist selbst Bergführer und verantwortet beim Schweizer Alpen-Club (SAC) die Bergnotfallstatistik.

Bruno Hasler, Bergführer und Verantwortlicher Bergnotfallstatistik beim Schweizer Alpen-Club (SAC).
Bruno Hasler, Bergführer und Verantwortlicher Bergnotfallstatistik beim Schweizer Alpen-Club (SAC). | Bild: Schweizer Alpen-Club SAC | Club Alpin Suisse CAS

Hasler vermutet, dass Wanderer im fortgeschrittenen Alter unter anderem deshalb öfters abstürzen, weil sie schlicht auch öfters in die Berge gehen als Jüngere. Es kämen aber noch weitere Faktoren hinzu, etwa, „dass Ältere ab 60 oder 70 ein größeres Koordinationsproblem haben als Jüngere“.

Doch worauf sollten Ältere achten, wenn sie in den Schweizer Bergen unterwegs sind, damit sie nicht tödlich verunglücken? Und was gilt für Familien, die mit Kindern wandern gehen? Hasler hat die Antworten.

Worauf Eltern mit Kindern achten sollten

Manche Menschen fragen sich grundsätzlich, ob es falsch sei, mit kleinen Kindern überhaupt in die Berge zu gehen. Dem widerspricht Hasler klar. Das hänge stark davon ab, wie weit das jeweilige Kind bereits koordinativ entwickelt sei. „Ein fünfjähriges kann schon eine bessere Koordination haben als ein zehnjähriges Kind.“ Die Wanderung sollte deshalb den Fähigkeiten des Kindes entsprechend geplant werden.

Wie bei vielem anderen gelte auch beim Wandern mit Kindern: „Langsam anfangen, langsam steigern.“ Hasler verweist dabei auf die SAC-Wanderskala, die Bergwanderwege nach ihrem Schwierigkeitsgrad bewertet – von T1 für leicht bis T6 für äußerst schwierig.

„Am Anfang sollte man nur T2 mit Kindern machen und dann steigern.“ Und wer sich dann mit kleinen Kindern auf einen T3-Wanderweg wie jenen im Gebiet Ebenalp, Äscher und Seealpsee wagt, sollte ein Seil mitnehmen, um die Kleinen zu sichern.

SAC-Wandertipps für jede Altersgruppe

Was für ältere Wanderer gilt

Für Ältere wiederum gilt sozusagen das Gegenteil von dem, was auf Kinder zutrifft, erklärt Hasler. Mit dem Alter ließen die koordinativen Fähigkeiten nach. „Das merke ich auch mit meinen 63 Jahren, dass ich eine andere Koordination habe als noch vor 20 Jahren.“ Deshalb sei für ältere Wanderer zum einen wichtig, dass sie ihre Muskeln kräftigen.

„Ich habe da auch keine Lust drauf, aber man muss in den Kraftraum gehen. Die Beine sind bei Wanderern ja in der Regel kräftig, aber man muss auch etwa Becken und Rücken trainieren, um sich stabilisieren zu können.“ Denn, so Hasler: „Wenn Ältere an gewissen Orten stolpern, stürzen sie, während sich 20- oder 30-Jährige auffangen können.“

Lieber mehr Zeit für Wanderung einplanen

Wichtig seien zudem Übungen, die Bewegung, Gleichgewicht und Koordination trainierten, bevor man sich in die Berge wagt. Aber auch das beste Training kann die Alterung nicht gänzlich aufhalten. Deshalb gelte, so Hasler: „Viel Wasser trinken, mehr Pausen einlegen als in jüngeren Jahren, kürzere Etappen wählen.“

Wer früher einen Wanderung in einem Tag absolviert habe, sollte mit zunehmendem Alter besser zwei Tage einberechnen mit Übernachtung auf einer Berghütte.

Zurück auf leichtere Wege

Und grundsätzlich müssten Ältere den umgekehrten Weg wie Kinder gehen. „Mit zunehmendem Alter sollte man nicht mehr die ärgsten Bergwege machen, nicht mehr T3, sondern T2.“ Also von Wegen, die in der SAC-Wanderskala als anspruchsvolle Bergwanderung gelten, auf solche mit niedrigerem Schwierigkeitsgrad wechseln.

Er wisse selbst, dass das schwierig sei, sagt Hasler: „Das Hirn hinkt dem biologischen Alter hinterher.“ Man traue sich mehr zu, als es die eigenen Fähigkeiten noch zulassen. Umso wichtiger sei es daher für Ältere, auf ihren Körper zu hören, „und nicht nach hinten zu schauen, was man als Junger noch alles konnte.“

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