Nicht einmal im Syrienkrieg kam bisher der sogenannte Schutzstatus S zur Anwendung. Der Sonderstatus ermöglicht es, unbürokratisch Flüchtlinge aufzunehmen, ohne aufwendiges Asylverfahren. Jetzt hat der Schweizer Bundesrat den Sonderstatus S für Ukrainer ausgerufen: Ukrainer sollen schnell und unbürokratisch auch in der Schweiz Schutz finden.

Das hatten auch Flüchtlingsorganisationen wie die Schweizer Flüchtlingshilfe und Campax gefordert. Der Sonderstatus war schon 1998 geschaffen worden, als die Balkankriege unzählige Menschen in die Flucht trieben – aber auch für sie schlussendlich nicht angewendet. Das wird sich nun ändern: Noch am Freitag will der Bundesrat offiziell darüber entscheiden.

Sonderstatus bisher nie genutzt

Mit dem Sonderstatus bekommen Ukrainer ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz, können ihre Familienangehörigen nachholen, sofern sie nicht mit ihnen gekommen sind. Zudem hat der Bundesrat die sonst übliche Wartezeit von drei Monaten aufgehoben, um eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Mit dem Sonderstatus haben Ukrainer außerdem Anspruch auf Sozialhilfe und medizinische Versorgung. Kinder dürfen zur Schule gehen.

Das Aufenthaltsrecht ist zunächst auf ein Jahr befristet, kann bei anhaltender Krisensituation im Heimatland aber verlängert werden. Eine ähnliche Lösung liegt in der EU schon bereit, formal müssen die Staats- und Regierungschefs sie noch bestätigen.

Nach Angaben des Staatssekretariats für Migration (SEM) sind nach aktuellem Stand bereits 1314 Geflüchtete registriert in den Bundesasylzentren, davon sind deren 315 privat untergebracht; 40 Prozent der Personen sind Kinder und Jugendliche, rund 70 Prozent sind Frauen und Mädchen. Das Problem: Die so bislang eingereisten Ukrainer haben keinerlei Anspruch auf finanzielle Unterstützung.

Eine ukrainische Familie geht durch den Grenzübergang nach Polen. Aus der Ukraine sind innerhalb von 48 Stunden nach Kriegsausbruch mehr ...
Eine ukrainische Familie geht durch den Grenzübergang nach Polen. Aus der Ukraine sind innerhalb von 48 Stunden nach Kriegsausbruch mehr als 50.000 Menschen über die Grenzen ins Ausland geflüchtet. Inzwischen rechnet das UNHCR damit, dass bis zu vier Millionen Menschen aus der Ukraine fliehen könnten, wenn die Kampfhandlungen andauern. | Bild: Dominika Zarzycka

Zahl der Ukrainer in der Schweiz unklar

Wie viele geflüchtete Ukrainer wegen des Krieges tatsächlich in die Schweiz gelangt sind, „lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen“, sagt Sprecher Reto Kormann. Wegen der visafreien Einreise in den Schengenraum, zu dem auch die Schweiz gehört, können Ukrainer sich in der EU und der Schweiz frei bewegen und bis zu 90 Tage aufhalten. Noch ist auch nicht klar, ob die EU ein Umsiedlungsprogramm auflegen wird, so dass die geflüchteten Ukrainer gleichmäßig auf die Mitgliedstaaten verteilt würden. In diesem Fall will sich die Schweiz an dem Programm beteiligen, kündigte das SEM an.

Wird der Schutzstatus S für Ukrainer ermöglicht, haben sie Anspruch auf Sozialleistungen. Die Schweizer Sozialhilfe wird über die Kantone abgewickelt. Im Kanton Zürich liegt sie beispielsweise bei monatlich etwas mehr als 1000 Franken für einen Einpersonenhaushalt. Das muss reichen für Essen, Kleider, Haushalt, Körperpflege, Verkehr und Kommunikation. Miete und Krankenkasse werden separat übernommen.

Zum Vergleich: In Deutschland liegt der Regelsatz für Alleinstehende bei 449 Euro pro Monat. Allerdings sind die Lebenshaltungskosten hierzulande auch niedriger als in der Schweiz.

Ukrainer können aber auch Asyl beantragen, für die Dauer des Asylverfahrens werden sie in diesem Fall ähnlich wie in Deutschland in den deutschen Erstaufnahmeeinrichtungen für die Dauer des Verfahrens in einem Bundesasylzentrum untergebracht, verpflegt, erhalten medizinische Betreuung und sind krankenversichert.

Kapazitäten in Asylzentren noch nicht ausgereizt

Derzeit seien die Bundesasylzentren mit insgesamt 5000 Plätzen zu 80 Prozent ausgelastet. Doch auch in der Schweiz sollen die Aufnahmekapazitäten erweitert werden, so dass bis zu 9000 Plätze zur Verfügung gestellt werden können, heißt es aus dem SEM. Auch in den grenznahen Asylzentren in Kreuzlingen, Embrach, am Flughafen Zürich und in Basel frei sind noch Kapazitäten frei. In der Nordwestschweiz sind demnach noch 240 Betten verfügbar, in der Ostschweiz 160, in Zürich 616.

Eines der Asylzentren liegt in Embrach im Kanton Zürich.
Eines der Asylzentren liegt in Embrach im Kanton Zürich. | Bild: Moll, Mirjam

Die Flüchtlinge aus der Ukraine sollen allerdings nur ein bis drei Tage dort bleiben zur Registrierung und Prüfung des Schutzstatus. Danach werden die Flüchtlinge den Kantonen zugewiesen. „Diese können dann entscheiden, ob sie sie selbst unterbringen oder mit der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zusammenarbeiten, die eine Unterbringung bei Privaten organisiert“, erklärt Gaby Szöllösy, Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Sozialdirektorinnen und Sozialdirektoren (SODK), die die Unterbringung der Flüchtlinge in den Kantonen mit koordiniert. Größere Kantone hätten demnach mehrere hundert Plätze ausgebaut, genaue Zahlen liegen dem SODK aber nicht vor.

Die Unterstützung privater Bürger dagegen ist gut dokumentiert. Hilfsorganisationen wie Campax haben Onlineformulare auf ihrer Webseite geschaffen, über die Schweizer Bürger private Unterkünfte eintragen können. Die Aktion scheint gut angelaufen, allein in der Deutschschweiz stehen nach Angaben der Organisation 34.216 Betten in 13.861 Haushalten zur Verfügung, in der gesamten Schweiz sind fast 41.000 Schlafplätze in privaten Haushalten gelistet worden. „In praktisch jeder Ortschaft des Landes werden Betten angeboten“, heißt es seitens Campax.