Im Winter zeigt sich das Saastal in den Walliser Alpen von seiner besten Seite. Links und rechts der Talgemeinde Saas-Grund reihen sich die schneebedeckten Viertausender wie auf einer Perlenkette.

An klaren Tagen sieht man vom Dorf aus den Dom, den mit knapp 4550 Metern höchsten ganz in der Schweiz gelegenen Viertausender wie auf dem Präsentierteller. Ob es der gigantische Blick war, der das Interesse des Investors Christian Mars an dem Tälchen geweckt hat?

Unruhe im Wallis

Jedenfalls war der IT-Unternehmer mit Verbindungen nach Kanada und Frankreich im vergangenen Jahr öfter im Saastal anzutreffen. Sein Ziel: Die Übernahme des finanziell angeschlagenen Hausskigebiets von Saas-Grund, Hohsaas.

Mit zwei Gondeln und fünf Liften gehört es zu den kleineren Skidestinationen. Immerhin können die Wintersportler hier in den Flanken von Weismies und Lagginhorn bis in eine Höhe von 3200 Metern ihre Schwünge ziehen.

Umgerechnet knapp 7,5 Millionen Euro war der skibegeisterte Millionär Mars laut Meidenberichten bereit, für die Anlagen und einige Restaurants auf den Tisch zu blättern. Dazu kam das Versprechen, weiter zu investieren.

Einzig: Das Werben nützte nichts. Ende November letzten Jahres lehnte die Saas-Grunder Bürgerschaft den Einstieg des Investors ab.

Philipp Lütolf ist Professor für Wirtschaft an der HSLU in Luzern. Wintersporttourismus ist einer seiner Schwerpunkte.
Philipp Lütolf ist Professor für Wirtschaft an der HSLU in Luzern. Wintersporttourismus ist einer seiner Schwerpunkte. | Bild: HS Luzern

Es war der bislang letzte Versuch, sich von außen in den Skizirkus der Schweizer Alpen einzukaufen. Glaubt man Fachleuten, wird es nicht der letzte gewesen sein. „Wir sehen in letzter Zeit eine Zunahme der Aktivität von ausländischen Investoren im Schweizer Skibetrieb“, sagt etwa Philipp Lütolf, Wirtschaftsprofessor an der Hochschule im schweizerischen Luzern.

Aber auch Skigebiete in Österreich oder Frankreich könnten „zu potenziellen Zielen von Investoren werden“, wie der Experte für Tourismus und Bergbahnen im Alpenraum sagt.

Investoren haben sich die Schweiz ausgeguckt

Im Zentrum der Entwicklung steht im Moment die Schweiz mit ihren mehr als 300 Skigebieten. Insbesondere US-amerikanische Investoren und Wintersport-Konsortien sind es, die Gefallen an den Alpenparadiesen gefunden haben.

Der wichtigste Name dabei lautet Vail Resorts. Der weltweit größte Betreiber von Skigebieten hat sich seit der Corona-Krise zwei bekannte Schweizer Wintersport-Arenen unter den Nagel gerissen.

Im Jahr 2022 übernahm der börsennotierte Konzern – Umsatz zuletzt knapp 2,9 Milliarden Dollar (2,8 Milliarden Euro) – das am Gotthard gelegene Skigebiet Andermatt-Sedrun mehrheitlich vom glücklosen ägyptischen Investor Samih Sawiris, inklusive Skischule, Sportgeschäft und Restaurants.

Ein Jahr später folgte mit Crans Montana ein weiterer klingender Name im Schweizer Skizirkus. Für umgerechnet 126 Millionen Euro gab es diverse Restaurants und Sportgeschäfte gleich mit dazu.

Skifahren in den USA: Mit einer befahrbaren Fläche von 21,4 Quadratkilometern ist der Vail Mountain eines der größten Skigebiete der Welt.
Skifahren in den USA: Mit einer befahrbaren Fläche von 21,4 Quadratkilometern ist der Vail Mountain eines der größten Skigebiete der Welt. | Bild: Eric Dunn, dpa

US-Konzern Vail Resorts besitzt schon zwei Schweizer Skigebiete

Das ist aber nicht alles. „Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass fünf bis sechs Skigebiete in der Schweiz und in Österreich im Visier von Vail Resorts sind“, sagte im Sommer 2024 Pierre Besson, Chef des Schweizer Wintersportvermarkters Magic Mountains Cooperation der Zeitung „Blick“.

In den Schweizer Bergen herrsche „Unruhe“, ergänzte er. Laut Lütolf sind es vor allem Skigebiete „mit internationaler Ausstrahlung, Schneesicherheit und funktionierendem Immobilienmarkt“, die ins Schema des US-Einkäufers passen.

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Tatsächlich wurde 2024 bekannt, dass das US-Unternehmen, das über ein Netz von insgesamt 42 Skigebieten in den USA, Kanada, Australien und Europa verfügt, es auch aufs Schweizerische Flims-Laax-Falera sowie auf die Pisten und Bergbahnen in Davos-Klosters abgesehen hat. Die beiden Skiarenen zählen zu den edelsten Wintersport-Destinationen der Schweiz. Und auch zu den Profitabelsten.

Entsprechend fielen die Reaktionen der Skigebiets-Bosse auf die Anbandelungsversuche aus Übersee aus. Man könnte sie als: „Danke, derzeit kein Bedarf“, umschreiben.

Dennoch: Für Vail Resorts ist die Marschrichtung klar. Gegenüber dem Portal schweizeraktien.net bezeichnete ein Firmen-Sprecher es als „langfristige strategische Priorität“ des Konzerns, im europäischen Markt Fuß zu fassen.

Nicht jeder Investor kommt auch zum Zug

Stehen die Schweizer Alpen also vor dem Ausverkauf? Experten sind skeptisch. „Fast alle Skigebiete in der Schweiz sind Aktiengesellschaften“, sagt Wintersportexperte Lütolf. Oft gebe es aber einen lokalen Ankeraktionär, etwa eine Familie, Gewerbetreibende aus der Region oder die Talgemeinde. Diese brächten Stabilität.

Das Schweizerische Crans Montana ist einer der Sehnsuchtsorte von Wintertouristen. 1987 fand hier die Ski-WM statt. 2027 kommt sie ...
Das Schweizerische Crans Montana ist einer der Sehnsuchtsorte von Wintertouristen. 1987 fand hier die Ski-WM statt. 2027 kommt sie wieder in den Ort. | Bild: FABRICE COFFRINI, AFP

Vinkulierte Namensaktien und andere Barrieren

Außerdem schützen sich die Skiarenen mit einem Kniff gegen feindliche Übernahmen. Meist geben sie keine normalen Anteilscheine aus, sondern sogenannte vinkulierte Namensaktien. Über diese Aktien-Sonderform lassen sich die Stimmrechte der Eigner begrenzen, um etwa ein Durchregieren zu verhindern.

Über die Vinkulierung ist es aber auch möglich, Investoren mit konkurrierenden Tätigkeiten das Stimmrecht auf den Hauptversammlungen ganz zu verweigern. In ein „gesundes Schweizer Skigebiet“ hineinzukommen, sei daher gar nicht so einfach, sagt Experte Lütolf.

Zudem sind die alteingesessenen Eigner der Skiarenen in den vergangenen Jahren vorsichtig geworden. Denn die Erfahrungen mit ausländischen Investoren sind durchwachsen. So erwarb der französische Freizeitpark- und Wintersportbetreiber Compagnie des Alpes zwischen 1999 und 2007 große Aktienpakete der Skigebiete in Saas Fee, Riederalp und Verbier.

Aus allen Beteiligungen hat sich der französische Konzern mittlerweile wieder zurückgezogen. Der Grund: Dauerknatsch mit den Kommunen und der lokalen Bevölkerung.

Wechselvolle Geschichte in Crans Montana

Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich Jahre später auch in Crans Montana im Wallis. Dort hatte im Jahr 2013 der tschechische Immobilen-Milliardär Radovan Vitek das finanziell angeschlagene Skigebiet, das 1987 immerhin Austragungsort der Ski-Weltmeisterschaft gewesen war, übernommen. Als die Rendite hinter den Erwartungen zurückblieb, zog er die Zügel an und stellte an Ostern 2018 kurzerhand die Lifte ab.

Es folgte ein Kleinkrieg mit den vergrätzten Hoteliers vor Ort, in dessen Folge Vitek 2023 entnervt die Segel strich. Profiteur war ein weiterer Investor – der US-Weltmarktführer Vail Resorts. Als Weißer Ritter kaufte der Konzern dem Tschechen seine Anteile ab.

Klein aber sehr fein: Eine Luftaufnahme des Ferienortes Crans-Montana im Schweizer Wallis, der auf einem Plateau mit Blick auf das ...
Klein aber sehr fein: Eine Luftaufnahme des Ferienortes Crans-Montana im Schweizer Wallis, der auf einem Plateau mit Blick auf das Rhonetal liegt. Die Walliser Station wird 2027 die Weltmeisterschaften im alpinen Skifahren empfangen. | Bild: Jean-Christophe Bott

Experte Lütolf sagt, die Vergangenheit habe gezeigt, dass es oft gegenläufige Interessen ausländischer Investoren und der lokal verankerten Aktionäre gegeben habe, die auf Dauer zu Streit geführt hätten. Dass Investoren einsteigen, sei daher bei Skigebieten am wahrscheinlichsten, die finanziell mit dem Rücken an der Wand stünden und dringend frisches Kapital benötigten.

Nach einer Studie der Hochschule Luzern ist das immerhin in rund einem Viertel der Seilbahnbetriebe der Schweiz der Fall – rein rechnerisch wären das immerhin 75 Skiarenen. Ihre Gewinne reichen nicht aus, große Investitionen zu stemmen. Vielmehr sind sie auf staatliche Zuschüsse angewiesen. Oder eben auf Geld von Investoren.

Skifahren am Arlberg gilt in den Nordalpen als Maß der Dinge. Hier im Bild das Dörfchen Zug oberhalb von Lech. Die Skiarena betreibt ...
Skifahren am Arlberg gilt in den Nordalpen als Maß der Dinge. Hier im Bild das Dörfchen Zug oberhalb von Lech. Die Skiarena betreibt eine Kooperation mit Vail Resorts aus den USA. Der Epic-Pass ist hier auch gültig. | Bild: Hilser, Stefan

US-Saisonkarten Epic-Pass und Ikon-Pass als Türöffner?

Klassische Übernahmen sind aber auch oft gar nicht das Ziel, wenn sich ausländische Unternehmen an die Skiarenen zwischen Wienerwald und Seealpen heranpirschen. So versucht der US-Konzern Alterra Mountain seit einiger Zeit, den Alpenraum – immerhin der größte Wintersportmarkt der Welt – über sogenannte Ticketpartnerschaften zu erschließen.

Das Mittel ist der sogenannte Ikon-Pass, quasi ein Freifahrtschein zum Skifahren überall auf der Welt. Der Skipass, der rund 1360 Dollar kostet und geschätzt weltweit eine Million Nutzer hat, gewährt kostenfreien Zugang zu allen angeschlossenen Skigebieten, für mehrere Tage oder sogar unbegrenzt.

In Europa bestehen bereits Kooperationen mit 17 Ski-Arenen, darunter klingende Namen wie Kitzbühel, Cortina D‘Ampezzo, Kronplatz, Chamonix, St. Moritz oder Zermatt. Weltmarkführer Vail Resorts setzt auf die gleiche Vermarktungsstrategie. Mit seinem Epic-Pass – Kostenpunkt rund 1000 Dollar – kann man auch in Verbier, Les 3 Vallée oder am Arlberg die Pisten herunter wedeln.

Ziel der US-Konzerne ist es, mit den Dauerkarten mehr solvente US-Touristen in die Alpen und ihre eigenen Skigebiete dort zu locken. Das scheint auch zu klappen. In Zermatt heißt es, durch den Anschluss an den Ikon-Pass habe man pro Saison 50.000 US-Kunden neu hinzugewonnen.

Bedeutung deutscher Touristen in der Schweiz sinkt

Dazu passt, dass die Bedeutung außereuropäischer Gäste überall in den Alpen zunimmt. Schweizweit könnten 2024 US-Hotelgäste die Deutschen erstmals von Platz eins verdrängt haben, sagen Experten.

Letztere können sich die teuren Ski-Karten in der Eidgenossenschaft mittlerweile oft gar nicht mehr leisten. Für die US-Kundschaft ist das eher kein Problem. Sie sind ganz andere Preise gewohnt. Ein Ski-Ticket in den USA kostet aktuell bis zu 250 Dollar. Am Tag.