Man muss schon genau hinschauen, will man die neueste Technik im Egelseebad entdecken: Hinter silbernen Bullaugen verstecken sich die kleinen Kameras, auf halber Höhe der Beckenwand montiert, und beobachten das Treiben im Schwimmbad.
In Echtzeit werden die Bilder an eine KI-Software weitergeleitet, mit der die Bewegungen ausgewertet werden: Befindet sich jemand regungslos am Boden? Gibt es auffällige Bilder? Erkennt das System eine ertrinkende Person, schlägt es sofort Alarm auf den Handys der Bademeister – so sollen sie bei Gefahr rechtzeitig eingreifen können.
In diesen Tagen kommen die Erinnerungen an den tragischen Badeunfall in Konstanz wieder hoch, bei dem vor rund anderthalb Jahren ein Siebenjähriger in seiner ersten Schwimmstunde ertrank. Vor dem Konstanzer Amtsgericht wird derzeit untersucht, warum der untergehende Junge erst zu spät erkannt wurde. Dabei stellt sich auch eine generelle Frage nach mehr Sicherheit im Schwimmbad: Wie kann man solche Unfälle in Zukunft verhindern?
Ein Blick über die Grenze zeigt eine mögliche Antwort. Seit dem Sommer 2024 überwacht eine künstliche Intelligenz im Neubau des Kreuzlinger Hallenbads Egelsee die Schwimmbecken: Kostenpunkt 250.000 Schweizer Franken. Rund ein halbes Jahr später hat der SÜDKURIER das Hallenbad besucht und um eine erste Bilanz gebeten.
Eigentlich wollten die Kreuzlinger noch ein wenig warten mit der KI in ihrem 2023 eröffneten Erweiterungsbau: „Als wir das Bad geplant hatten, waren die Systeme noch nicht so weit“, erzählt der Kreuzlinger Stadtrat Daniel Moos. In den ersten Plänen hat man zwar für die Kameras Platz gelassen, eine direkte Umsetzung war bisher nicht vorgesehen.

„Gott sei Dank hatten wir noch keinen Ernstfall“
Dass die KI doch so schnell kam, hat zwei Gründe: „Nach dem tragischen Vorfall in Konstanz und dank des technischen Fortschritts haben wir uns für den Einbau entschieden“, erklärt Moos. Trotz der hohen Kosten hätte am Ende der Nutzen überwogen, denn für ihn sei klar: „Wir unternehmen alles für die Sicherheit in unseren Schwimmbädern.“
Im Juli des vergangenen Jahres begann der Umbau für die Überwachungssoftware, die Kameras mussten kalibriert und der Ernstfall simuliert werden. Rund zwei Monate habe das in Anspruch genommen – seitdem ist das System „Swim Eye“ in beiden Becken im Einsatz. „Gott sei Dank hatten wir noch keinen Ernstfall“, erzählt Daniel Moos.

Anfangs habe die KI mal Alarm geschlagen, das habe sich dann aber als Fehler herausgestellt. Der Stadtrat betont auch, dass die Software nur eine Unterstützung sei: „Das System ersetzt keinen einzigen Bademeister.“ Das Personal freut sich über seinen neuen Helfer: „Dieses System gibt mir bei der Arbeit mehr Sicherheit“, sagt Sabino Ciarla.
Der Bademeister muss das ganze Becken im Blick behalten: Gerade sind Schüler beim Schwimmunterricht, daneben ziehen Besucher ihre Bahnen, es wird geplanscht, der Lärm hallt unter dem Dach zurück. Nicht leicht, hier den Überblick zu bewahren und mögliche Unfälle zu erkennen. „Viele Leute haben ein falsches Bild von einem Ertrinkenden: Das läuft oft im Stillen ab, man bekommt das nicht so leicht mit“, erklärt Stadtrat Moos.
Im Ernstfall wird die Schwimmaufsicht verständigt
Hier soll die KI eine Hilfe sein: Sollte sich jemand in Gefahr befinden, bekommt Sabino Ciarla eine Nachricht auf sein Handy: „Der Alarm zeigt mir dann auch direkt an, in welchem Becken sich die Person befindet.“ Bei Bedenken zum Datenschutz habe man versucht, sehr transparent zu sein, sagt Moos: „Wir sind der Meinung, dass wir die datenschutzrechtlichen Vorgaben erfüllen: Die Bilder sind nur schemenhaft, man kann keine Gesichter erkennen.“
Die Kreuzlinger zeigen sich zufrieden mit ihrem System – und planen schon den nächsten Einsatz bei dem alten Teil des Egelseebads, der aktuell saniert wird. Bei den Freibädern müsse man sich noch etwas gedulden, meint Moos: „Ich kann nicht einfach sagen: Ich kaufe eine KI und dann geht das. Das braucht Planungen, Kabelkanäle, Kernbohrungen und so weiter.“

Und was sagt der Blick nach Konstanz? „Es gibt derzeit Überlegungen, ein KI-gestütztes Überwachungssystem wie Swim Eye in unseren Schwimmbädern einzusetzen“, teilt der Geschäftsführer der Bädergesellschaft Konstanz, Julian Meser, auf schriftliche Anfrage mit. Noch befinde man sich aber in der Bewertungsphase, die Verantwortlichen hätten neben technischen und wirtschaftlichen Aspekten dabei auch den Datenschutz im Blick.
Die Sicherheit in den Bädern hat höchste Priorität für Meser – dazu gehört auch der Blick auf neue Innovationen und Technologien. Doch es bleibt abzuwarten, ob sich die kleinen Kameras auch bald in Konstanzer Schwimmbecken finden lassen.