Sie leuchten, sie knallen und sie sorgen für viele Ahs und Ohs: Feuerwerke, die im Sommer am Bodensee stattfinden. Nun will eine Volksinitiative lautes Feuerwerk verbieten. Bereits über 90.000 Schweizer haben unterschrieben. Gemäß Initiativtext bräuchten „Anlässe von überregionaler Bedeutung“ für Feuerwerke eine Ausnahmebewilligung vom Kanton.

Am Bodensee könnten auf Schweizer Seite das Fantastical Kreuzlingen, das Sommernachtsfest Romanshorn oder die Bundesfeier von Rorschach, Rorschacherberg und Goldach in diese Kategorie fallen. Doch welche Auswirkungen haben Großfeuerwerke tatsächlich auf Wasser, Luft und Tiere?

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Feuerwerke machen jährlich zwei Prozent der Feinstaubbelastung aus

Während Feuerwerken entsteht Feinstaub. „Wo Feuerwerk gezündet wird, kann die Feinstaubbelastung zumindest kurzzeitig und örtlich beträchtlich steigen“, schreibt das Bundesamt für Umwelt. Wie lange Feinstaub in der Luft bleibt, hängt vom Wetter ab. Bei kalten Temperaturen oder unter einer Hochnebeldecke bleiben die Partikel länger in der Luft.

In der Schweiz werden rund 15.000 Tonnen Feinstaub pro Jahr ausgestoßen. „Feuerwerke tragen etwa zwei Prozent zur jährlichen Gesamtbelastung bei.“ Zu den Auswirkungen des Feuerwerks schreibt Thomas Gut, Geschäftsführer des Fantasticals Kreuzlingen: „Die sichtbaren Rauchwolken, die beim Abfeuern der Sprengkörper entstehen, bestehen hauptsächlich aus Wasserdampf und verschwinden innerhalb von Sekunden.“

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Das Institut für Seenforschung in Langenargen erforscht den Bodensee und seine Wasserqualität. Bei der Pressestelle heißt es, dass es für den See keine Untersuchungen in Bezug auf Großfeuerwerke gebe. Es gebe aber Daten aus Nordamerika und Asien, hauptsächlich zum Vorkommen von einigen Schwermetallen und von Perchlorat. Das ist ein dem Feuerwerk zugesetztes Oxidationsmittel, das als gesundheitlich kritisch betrachtet wird. Mehrere Untersuchungen aus Übersee hätten nach Feuerwerken eine erhöhte Perchlorat-Konzentration in Seen festgestellt.

Für den Bodensee gibt das Institut für Seenforschung aber Entwarnung, und zwar wegen seines Wasservolumens: „Dadurch tritt eine ungleich höhere Verdünnung ein. Es ist zu erwarten, dass die durch Feuerwerke anfallenden Problemstoffe sich bereits nach sehr kurzer Zeit nicht mehr nachweisen lassen.“ Dank regelmäßiger Untersuchungen könne ausgeschlossen werden, dass sich Feuerwerke langfristig auf die Wasserqualität auswirkten. Perchlorat sei im Bodensee bisher nicht nachgewiesen worden.

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Was passiert mit den Verpackungen der Sprengkörper im Bodensee?

Auf das Institut für Seenforschung verweist auch das Thurgauer Amt für Umwelt. Feinstaubpartikel in der Luft seien überwiegend wasserlöslich. Wie sich der Feinstaub im Wasser genau verhalte, sei aber weitgehend unbekannt. Ebenfalls wasserlöslich sind laut Thomas Gut vom Fantastical Kreuzlingen die Verpackungen der Sprengkörper. Sie bestehen vollständig aus Karton. „Die Kartonfetzen zersetzen sich im Wasser oder werden zuvor an Staustellen abgefischt.“

Für den Bodensee sind Feuerwerke ungefährlich, für Vögel nicht. „Feuerwerke bedeuten für sie massiven Stress“, sagt Stefan Werner von der Vogelwarte Sempach. Er ist Mitarbeiter der Regionalstelle Nordostschweiz und hat 2010 bei der Insel Mainau untersucht, wie sich Feuerwerke auf Wasservögel auswirken. Das ist je nach Jahreszeit unterschiedlich. Im Spätsommer sind die Vögel oft noch in der Brutzeit. „Bei Störungen können Jungtiere von ihren Eltern getrennt werden, sie haben dann eine geringere Überlebenschance“, sagt Werner.

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Wenn Vögel das laute Knallen von Feuerwerk hören, fliegen sie davon – oder versuchen es zumindest. „Zum Beispiel Enten oder Haubentaucher wechseln im Sommer während vier Wochen ihr Gefieder und sind dann flugunfähig. So können sie bei einem Feuerwerk nicht wegfliegen. Das sorgt für erheblichen Stress.“ Dieser könne sich langfristig auf die Vögel auswirken und etwa dazu führen, dass sie weniger Nachwuchs haben.

Allerdings haben die Tiere laut Werner eine Art Gedächtnis und meiden Plätze, wo es regelmäßig zu Störungen kommt. Als auf der Insel Mainau regelmäßig Feuerwerk gezündet wurde, seien die Vogelbestände zurückgegangen. Nach Werners Untersuchung stoppten die Verantwortlichen auf der Mainau während fünf Jahren freiwillig Feuerwerke. „In diesem Zeitraum sind die Bestände wieder gestiegen.“ Natürlich gebe es am See im Sommer sowieso viel Trubel, sagt Werner.

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Für Vögel im nahen Naturschutzgebiet bedeutet die Knallerei Stress

Die Feuerwerke seien aber eine zusätzliche Belastung für die Tiere. Erst ab einer Entfernung von etwa vier bis fünf Kilometern zum Feuerwerk würden die Vögel nicht mehr wirklich beeinträchtigt, schätzt Werner. In Kreuzlingen wurde das Feuerwerk rund einen Kilometer von der Wollschweininsel entfernt gezündet. „Das ist ein Naturschutzgebiet, die Haubentaucher und Blesshühner dort waren sicher vom Feuerwerk betroffen“, sagt Werner. Auch das Romanshorner Feuerwerk könnte Vögeln zusetzen.

„In Richtung Egnach hat es einen großen Schilfgürtel – ein Kilometer zum Feuerwerk ist einfach keine Distanz.“ In Rorschach wurde das Feuerwerk zum Nationalfeiertag mindestens 200 Meter vom Seeufer entfernt gezündet, am Sommernachtsfest Romanshorn 250 Meter vom Ufer entfernt. In Kreuzlingen wurden am vergangenen Samstag Feuerwerkskörper in die Dunkelheit geschossen, im nahen Konstanz knallte es beim Seenachtfest ebenfalls gewaltig.

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Cello Fisch, Organisationskomitee-Präsident des Sommernachtsfests Romanshorn, sagt: „Ob wir am Feuerwerk festhalten, ist jedes Jahr wieder Thema.“ Momentan gebe es aber keine ebenbürtige Alternative, die zahlbar sei, und man wolle den Leuten ja etwas bieten. Statt Feuerwerk eine Drohnenshow zu zeigen, stoße nicht auf wirklich großes Interesse. „Schlussendlich ist das Publikum entscheidend.“

Judith Schönenberger ist Reporterin unserer Partnerzeitung, der „Thurgauer Zeitung“.