Die Passagiere, heißt es auf dem Plakat von 1887, seien darauf hingewiesen, dass die „Bodensee-Dampfboote“ sich an fünf verschiedenen Zeitzonen orientieren. So gelte in Bregenz die Prager, in Lindau die Münchener, an den württembergischen Häfen aber die Stuttgarter Zeit.
Im Wirrwarr der Zeiten
Mal eben mit dem Schiff über den See: Das konnte Ende des 19. Jahrhunderts eine ganz schön komplizierte Angelegenheit sein. War es in Bregenz 12 Uhr, so zeigte die Uhr in Lindau 11.49 Uhr und in Konstanz 11.36 Uhr. Schon allein dieser Wirrwarr war Grund genug, um dem neu aufkommenden Tourismus mit aufklärenden Plakaten zu begegnen.
Bei ihrer Gestaltung haben die Künstler Johannes Weber und Peter Balzer ein gutes Gespür für das Zusammenspiel von Information und Ästhetik bewiesen: Der See erstreckt sich aus westlicher Perspektive Richtung Vorarlberg, das bietet nicht nur einen guten Überblick, sondern sieht auch toll aus.
Das in einer Vignette abgebildete Dampfschiff „Bodan“ macht, dampfend und von Möwen umschwärmt, Lust auf eine Überfahrt. Und die Fahrpläne fügen sich elegant, mit kecken Eselsohren in die Landschaft ein. Zu sehen ist das Plakat mit vielen weiteren aktuell im Museum Lindwurm in Stein am Rhein.
Mit Einführung der Mitteleuropäischen Zeit für alle Bodensee-Anrainerstaaten 1892 wurde das Schifffahren für Touristen einfacher. Auf den Werbeplakaten rückten dröge Zahlen in den Hintergrund, stattdessen lockte das Gebirge: Der Alpstein entwickelte sich zum Ausflugsziel, um 1900 erklommen jeden Sonntag rund tausend Wanderer den Säntis. Ein unbekannter Künstler mit den Initialien MZ hat für den Zürcher Verlag Orell Füssli 1913 ein Panorama gestaltet, auf dem auch die im Jahr zuvor eröffnete Säntisbahn von Appenzell nach Wasserauen eingezeichnet ist.
Die Eisenbahn faszinierte die Plakatkünstler wie ihr Publikum gleichermaßen. So warb ein Plakat des Unternehmens Stab. Richter & C. für die Toggenburgbahn mit raffiniertem Gegenüber von Baumstämmen und Brückenpfeilern.
Und noch Ende der 20er-Jahre verknüpfte ein Plakat die Tourismusregionen Schwarzwald und Bodensee durch ein harmonisches Nebeneinander von Gutach und Schwarzwaldbahn, der „schönsten Gebirgsbahn Deutschlands“.
Vor allem den Gastwirten war diese Dominanz schon bald ein Dorn im Auge. Der Bodensee, so kritisierten sie, werde auf Werbeplakaten „sehr stiefmütterlich behandelt“. Und so schlossen sie sich zusammen, um ein Plakat zu finanzieren, das „in prächtigem Farbendruck die Ansichten der hauptsächlichsten Orte & Punkte um den Bodensee enthält“. Neben dem Schriftzug „Bodensee und Rhein“ war darauf auch „Lake of Constance“ zu lesen: die Internationalisierung des Tourismus schritt voran, und genau deshalb durften auch die Wappen der drei Anrainerstaaten nicht mehr fehlen.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der Einfluss der modernen Plakatkunst spürbar. Der Zürcher Maler Otto Baumberger entwarf 1927 mit wilden Strichen einen mehr bedrohlichen denn idyllischen Säntis, reduzierte See und Bahnlinien auf knappe, symbolische Andeutungen. Auch waren jetzt andere Motive möglich, etwa der Untersee in einer Darstellung von Emil Cardinaux 1919. Wenn auch „die moderne Malerei zu Kritik reizen“ könne, hieß es in einem Schreiben des Verkehrsvereins Untersee, habe der Künstler es verstanden, das „Lichte, Luftige und Sonnige der Landschaft“ hervorzuheben.
Der Zweite Weltkrieg bedeutete für den Bodensee-Tourismus einen herben Rückschlag. Als erste fanden nach Kriegsende die Schweizerischen Bundesbahnen wieder zurück zu einer aktiven Bewerbung der Region. Ihr Auftrag im Jahr 1948 ging erneut an Otto Baumberger. Diesmal sollte er statt Säntis und Bahnlinien die Schiffe der Gesellschaft in den Vordergrund rücken. Zu erkennen ist ein Dampfer in gleißendem Sonnenlicht, links ragt grünes Blattwerk ins Bild und lässt an Palmen denken: eine sommerlich leichte Anspielung auf mediterrane Urlaubserlebnisse.
Bis 31. Oktober im Museum Lindwurm, Stein am Rhein. Öffnungszeiten: täglich 10-17 Uhr. Weitere Informationen im Internet unter: http://www.museum-lindwurm.ch