Tilmann P. Gangloff

In seinem bekanntesten Werk „Oh, wie schön ist Panama“ lässt Kinderbuchautor Janosch den kleinen Bären und den kleinen Tiger das Land ihrer Träume suchen. Am Ende der abenteuerlichen Reise kehren sie wieder an den Ausgangspunkt zurück, ohne das zu merken. Die Botschaft ist klar: Manchmal muss man in die Ferne schweifen, um zu erkennen, wie kostbar und fragil das oft unterschätzte Glück des Alltags ist.

Ähnlich wie den Janosch-Helden ergeht es der Heldin des neuen Romans von Gaby Hauptmann, „Lebenslang mein Ehemann?“. Wie Janosch schickt auch die Allensbacher Bestsellerautorin ihre Hauptfigur in die weite Welt hinaus: Sanne, Ende 40, Steuerberaterin, Ehefrau eines Frankfurter Investmentbankers, erfährt von ihrer Tochter, dass Gatte Alex seine vermeintlichen Überstunden mit einer Jüngeren verbringt. „Hochhaus-Hyänen“ nennt die Tochter diesen Typus Frau, der in Cafés und Bars im Bankenviertel auf Beute lauert.

Das könnte Sie auch interessieren

Als der Gatte reumütig heimkehrt, fragt sich Sanne, ob sie ihn überhaupt zurückhaben will. Sie nimmt sich eine Auszeit und verdingt sich als „Granny-Aupair“ bei einem vermögenden Ehepaar in Shanghai, das in Frankfurt studiert hat und Deutsch spricht. Und jetzt geht die Geschichte erst richtig los.

Auf den ersten Blick klingt der Stoff nicht weiter originell. Vermögender Mann um die 50 sucht sich was junges Blondes, derweil der Ehefrau bloß die Verbitterung bleibt – das lässt zudem eine freudlose Lektüre befürchten. Davon kann jedoch keine Rede sein, selbst wenn Sanne zunächst nicht viel zu lachen hat.

Gute Laune garantiert

Umso lebhafter ist dafür der Stil der Autorin, die es versteht, ihre Leserinnen (und Leser) mit kurzen prägnanten Sätzen zu fesseln, zumal die Handlung ohne Umschweife beginnt. Und weil der Schriftstellerin im Leben wie im Beruf nichts ferner liegt, als Trübsinn zu verbreiten, sorgt die Lektüre für gute Laune, denn wie alle Hauptmann-Heldinnen lebt Sanne nach der Devise: „Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, mach‘ Limonade draus.“

Der eigentliche Reiz des Buches ist jedoch ein anderer, und der resultiert aus einem simplen, aber effektvollen Kniff: Sanne ist nicht die einzige Hauptfigur – sie muss sich nicht nur den Ehemann, sondern auch die zentrale Rolle mit ihrer Nebenbuhlerin teilen.

Der Roman „Lebenslang mein Ehemann?“ (368 Seiten, 15 Euro) erscheint am 5. August 2019.
Der Roman „Lebenslang mein Ehemann?“ (368 Seiten, 15 Euro) erscheint am 5. August 2019. | Bild: Piper-Verlag

Die Idee ist brillant, weil die Autorin die Handlung auf diese Weise aus zwei Perspektiven beleuchten kann. Beide Frauen schildern ihre Geschichte in der ersten Person, die entsprechenden Kapitel sind mitunter bloß eine Seite lang.

Da die Kapitel zu großen Teilen aus inneren Monologen bestehen, kann Hauptmann die Gefühle unmittelbar vermitteln: hier die Impressionen, die Sanne in China sammelt, dort die Depressionen von Zweitfrau Amanda, die erkennt, dass an eine Zukunft an Alex‘ Seite nicht zu denken ist, denn der betrachtet sie als Lückenbüßerin.

Zwei Frauen, zwei Stile

Während sich die Ehefrau an Land und Leuten erfreut, aber auch die dunkle Seite des Überwachungsstaats kennenlernt, als der Chef ihres Gastgebers ohne Angabe von Gründen verhaftet wird, versauert die Konkubine im Vorort.

Auch stilistisch unterscheiden sich die beiden zunächst auf verschienenen Zeitebenen angesiedelten Erzählungen. Sannes Ausführungen sind ganz anders formuliert und komplexer, zumal sich die ältere Frau in China die großen Fragen des Lebens stellt.

Gaby Hauptmann lebt in Allensbach direkt am Bodensee. Da fliegen ihr die Ideen offenbar nur so zu.
Gaby Hauptmann lebt in Allensbach direkt am Bodensee. Da fliegen ihr die Ideen offenbar nur so zu. | Bild: Patrick Seeger / dpa

Dass die Autorin hier und da Wikipedia-Wissen einfließen lässt, ist legitim, denn auch Sanne zieht bei der Vorbereitung auf einen Ausflug ins Huang-Shan-Gebirge, wo sie dank eines grünäugigen jungen Professors auf ihre Kosten kommt, die Internet-Enzyklopädie zu Rate.

In Shanghai hat Hauptmann selbst recherchiert, aber für weitere Details hat sie sich Unterstützung bei zwei China-Experten geholt. Ein winziger Fehler ist ihr ausgerechnet bei einem europäischen Detail unterlaufen: Erwachsene Chinesen geben sich wohl gern westliche Vornamen. Die Haushälterin der Gastfamilie hat sich Lieselotte genannt, nach der Schweizer Schauspielerin Pulver, aber die schreibt sich „Liselotte“.

Frauen entwickeln sich

Ein weiterer Reiz liegt in der Entwicklung, die die Hauptfiguren durchmachen. Bei Sanne fällt sie nicht ganz so stark aus, sie war auch vor dem China-Trip eine selbstbewusste Frau. Amanda dagegen wandelt sich grundlegend. Während die betrogene Sanne anfangs die natürliche Identifikationsfigur ist, erscheint die Konkurrentin als durchtriebene Person – Hyäne eben.

Fast unmerklich gelingt es Hauptmann jedoch, Sympathien für diese Frau um die 30 zu wecken, die aus einfachen Verhältnissen stammt und zwar keine Ausbildung, dafür aber andere Vorzüge hat. Dass sich der Dritte in diesem Bunde bloß lächerlich machen kann, verdeutlicht das Cover, auf dem ein Esel mit Krawatte treudoof in die Kamera blickt.

Das könnte Sie auch interessieren

Hauptmann hat sich längst vom Schema ihrer Mitte der 90er-Jahre erschienenen ersten Bestseller „Suche impotenten Mann für Leben“ und „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“ emanzipiert – selbst Alex kommt am Ende ziemlich gut weg. Das gilt auch für Amanda, die ebenfalls ihr Aschenputtel-Glück findet.

Wer sich ein bisschen im Kosmos der Autorin auskennt, dürfte ohnehin früh ahnen, dass Gärtner Daniel mehr zu bieten hat als eine attraktive Fassade, was die entsprechenden Passagen zum doppelten Vergnügen macht. Männliche Hauptmann-Leser werden die Beschreibungen von Kleidung, Schmuck und Einrichtungen mitunter als zu ausführlich empfinden, aber davon abgesehen ist „Lebenslang mein Ehemann?“ ein Vergnügen für alle Geschlechter.