Wenn sich Gaby Hauptmann vor 140 000 Zuschauern von einer Zehenleserin die Fußsohlen begutachten lässt, kann man ihr eine Charaktereigenschaft sicher nicht nachsagen: Eitelkeit. Locker, unaufgeregt, professionell – so wirkt sie, als der SÜDKURIER die Moderatorin und den leitenden Redakteur der Sendung „Talk am See“, Alexander Möhnle, in Hauptmanns eigenen vier Wänden in Allensbach besucht. Wie tickt die nimmer-müde-werdende 62-Jährige, wer wählt eigentlich die Gäste aus und ist an den Gerüchten, die Sendung werde bald eingestellt, tatsächlich etwas dran?

Gaby Hauptmann wohnt fürstlich. Seezugang, Motorboot, Terrasse. „Hier werde ich nicht mehr weggehen“, stellt sie klar. Vor ihrer Haustür bewachen zwei englische Bulldoggen aus Bronze ihr Eigenheim. Die Treppe ins Wohnzimmer besteht aus Marmor. Kleine farbige Fliesen – gerne auch in Spiegeloptik – durchbrechen die massiven Bodenplatten. Wer ihr großzügiges Reich betritt, wird beinahe erschlagen. Erschlagen von Rot, Gold und Deko-Artikeln. Dafür hat sie eine Schwäche. Freie Fläche wird mit Pflanzen, Bildern oder Figuren ersetzt. Auf den ersten Blick wirkt es chaotisch. Auf den zweiten hat alles seinen festen Platz. Das passt zu ihr. Organisation auf Hauptmann'sche Art.
Die sympathische Blondine wirkt aufgeweckt, souverän, obwohl der Termin mit dem SÜDKURIER irgendwie durch ihren Terminkalender gerutscht ist. Denn eigentlich war sie doch mit Möhnle zur Sendungsvorbereitung verabredet. Das zuzugeben, fällt Hauptmann nicht schwer. Sie ist es schließlich gewohnt, auf ungeplante Situationen angemessen zu reagieren. Improvisation – eine wichtige Voraussetzung für ihren Job. „Es gibt immer wieder Momente in der Show, in denen ein Gast etwas Unerwartetes sagt oder tut. Da muss man schlagfertig sein. Und das ist sicher eine Stärke von mir.“
Kritik nimmt die Blondine vom Bodensee locker
Dass an ihrer Talkrunde – neben viel positiver Resonanz und trotz ihrer Fähigkeiten – auch Kritik geübt wird, lässt Hauptmann kalt: „Wir sind immer noch im Lernprozess. ‚Talk am See‘ entwickelt sich weiter. Bisher läuft es sehr gut.“ Mit ihren Gästen geht Hauptmann eher locker um. Zuweilen wirkt es fast freundschaftlich.

Das stößt einigen Zuschauern sauer auf. Hitzige Diskussionen – die werden vermisst. „Streit wie bei einem Polit-Talk ist nicht unser Anspruch. Wir wünschen uns aber sehr wohl, dass die Gäste sich untereinander austauschen“, gibt Redaktionsleiter Möhnle auf Gaby Hauptmanns Terrasse am Bodensee offen zu. Wenn der Weg zur offenen Debatte jedoch gänzlich frei wäre, könnten die Gäste ihre spannenden Geschichten nicht so ausführlich erzählen, wie sie es jetzt täten.
„Für mich ist es eher ein Gespräch über spannende Geschichten“
Ähnlich entkräftet die Blondine auch die Kritik, dass sie als Moderatorin zu wenige kritische Fragen stellt. „Ich empfinde die Sendung nicht als Interview. Dann müsste ich schon stärker nachhaken und kritischer sein. Für mich ist es eher ein Gespräch über spannende Geschichten und die will ich einfach hören“, sagt sie.
Vergleich mit Markus Lanz hinkt
Ihr Stil, eine Sendung zu führen, unterscheidet sich aber stark von ihrem Kollegen Markus Lanz, der ein ähnliches Fernsehformat im ZDF bespielt. „Er macht das auf seine Art super. Er bezieht aber oft auch Positionen. Wir stellen uns ‚Talk am See‘ anders vor“, so Hauptmann. Wichtig sei, dass die Sendung unterhaltsam ist und der Zuschauer vor dem Fernseher für seinen Alltag etwas mitnimmt.
Für den Sender sind in erster Linie aber nackte Zahlen, also Einschaltquoten, wichtig. In der Fernsehszene hört man immer wieder, dass die Sendung nicht so erfolgreich sei, wie es sich der Südwestrundfunk (SWR) vorstellt. Sogar die Absetzung von „Talk am See“ soll deshalb im Raum gestanden haben. Hauptmann und Möhnle gucken sich auf diese Frage verdutzt an und positionieren sich klar: „Solche Gerüchte sind bei uns nicht angekommen, wir denken nicht darüber nach.“
Durchschnittlich 140 000 Zuschauer
Mit durchschnittlich 140 000 Zuschauern sind die beiden derzeit zufrieden. Es gebe zwar immer mal wieder geringe Schwankungen nach oben oder nach unten. Insgesamt sei die Zahl jedoch konstant. viel wichtiger sei den beiden Fernsehmachern, dass die Zuschauer während der Sendung dranbleiben. Das sei fast immer der Fall. „Bis Weihnachten machen wir genau so weiter. Dann setzen wir uns zusammen und sprechen darüber, was wir noch besser machen können“, sagt Hauptmann.
Sendung wird oft verschoben
Ein Grund für verhältnismäßig wenige Zuschauer vermutet das Fernsehduo im fehlenden Einschaltimpuls. Die Zuschauer schalten erst dann verlässlich ein, wenn die Sendung kontinuierlich zu einer festen Zeit ausgestrahlt wird. Das sei oft nicht der Fall gewesen, weil Großereignisse wie der Eurovision Song Contest oder die Champions League dazwischenkamen.
Mediathek wird nicht berücksichtigt
Darüber hinaus gehen die beiden davon aus, dass viele die Sendung auch über die Mediathek im Internet ansehen. Dort kann man „Talk am See“ schon um 20 Uhr am gleichen Tag bestaunen. Bei Youtube erzielte der Talk Spitzenergebnisse von 50 000 Klicks.
Im Fernsehen wird die Show in der Regel samstags von 21.50 Uhr bis 22.50 Uhr ausgestrahlt. Von 19. Juli bis 20. September geht der Talk in die Sommerpause. Bis dahin werden noch drei Sendung gezeigt. Danach werden zwölf Sendungen produziert.
Auswahl der Gäste ist entscheidend für den Erfolg
Für eine erfolgreiche Sendung sind vor allem die Gäste entscheidend. „Natürlich stimmen wir sie mit der Moderatorin immer auch ab“, so Möhnle. Die Redaktion achtet im Vorfeld vor allem auf eine attraktive Durchmischung. Die garantiert eine harmonische Runde. „Wenn da zwei sitzen, die wirklich Probleme miteinander haben, spürt das der Zuschauer. Das können wir nicht machen“, so Möhnle.
Das Boygroup-Prinzip
Die Sendung folgt auch dem Prinzip Boygroup. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Hauptmann empfängt im Idealfall immer mindestens einen Prominenten, moderiert einen Servicebeitrag sowie eine kürzere und eine etwas längere, spannende Geschichte. Gertragen von Menschen, die man nicht unbedingt kennt und die ihre Geschichten in Büchern verschriftlichen.
Das Geheimnis von Gaby Hauptmann
Doch wie schafft es eine viel beschäftigte Frau, jede Woche mehrere Bücher zu lesen, die sie in ihrer Sendung bespricht? „Ich lüfte mal das Geheimnis: Ich bin viel unterwegs und höre dann im Auto die Hörbücher.“ Jedes Werk einzeln zu lesen, sei nicht machbar. Zudem wird sie von einer fünfköpfigen Redaktion hinter der Sendung unterstützt. „Wir sind ein sehr harmonisches Team und teilen uns die Arbeit“, berichtet Hauptmann stolz.
Immer nah am Menschen bleiben
Damit die Talkrunde wertvoll bleibt, orientiere man sich immer an der Lebensrealität der Zuschauer. Die Moderatorin selbst nehme dabei stets die Perspektive der Menschen vor den Bildschirmen ein. Abgehoben wirken – das ist nicht Gaby Hauptmanns Art.
Gaby Hauptmann ist ein alter Hase im Fernsehgeschäft
- Die Tausensassarin: Gaby Hauptmann ist Generalistin. Und ihre Vita ist lang. Neben Journalistin ist die beliebte Blondine Fernsehmacherin, Regisseurin, Autorin, Produzentin, Moderatorin. Sie absolvierte beim SÜDKURIER ihre Ausbildung zur Redakteurin. Nach zweijähriger Tätigkeit machte sich Hauptmann in Lindau mit einem Pressebüro selbständig. Später entwarf sie die Buchvorlage für den sehr erfolgreichen Film „Suche impotenten Mann fürs Leben“. Heiner Lauterbach, Dirk Bach und Wigald Boning spielten unter anderem mit. Spätestens damit katapultierte sich die heute 62-Jährige auch zum Promi in der Fernsehlandschaft.
- Ihr Zuhause: Seit Anfang der 1980er Jahre lebt Gaby Hauptmann in ihrer Wahlheimat Allensbach am Bodensee. 1987 wurde sie Chefredakteurin beim „Seefunk Radio Bodensee“.
- Bücherwurm: In erster Linie ist und bleibt Hauptmanns Leidenschaft aber die Literatur. Und dieses Hobby ließ sie während ihrer vielseitigen Karriere nie richtig los. 1994 erschien ihr erstes Buch „Alexa, die Amazone“, ein Reiterbuch für 14 bis 19-jährige Jugendliche, darauf folgten Bestseller wie „Nur ein toter Mann ist ein guter Mann“, „Die Lüge im Bett“ und „Ein Liebhaber zuviel ist noch zu wenig“.
- Hobby zum Beruf gemacht: Über zwei Jahre lang moderierte Gaby Hauptmann gemeinsam mit Lea Rosh die Literatursendung „Willkommen im Club“. Geladen waren jeweils vier Autoren mit ihren Büchern und eigenen Tipps für die Zuschauer. Heute erinnert sie sich gerne an die Zeit zurück und wendet damals Erlerntes in ihrer neuen Show „Talk am See“ an. Die Sendung läuft im Regelfall immer samstags von 21.50 bis 22.50 Uhr im SWR. (sku)