Es gibt Literaturklassiker, die nur in bestimmten Teilen der Welt tatsächlich bekannt sind – „Little Women“ von Louisa May Alcott ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Hierzulande ist das Werk selbst unter dem deutschen Titel „Junge Menschen – Die Töchter der Frau March“ den wenigsten ein Begriff.
In den USA dagegen kennt fast jedes Kind das 1868 erschienene Buch, sei es als Schullektüre oder durch eine der zahlreichen Verfilmungen, von denen die bis jetzt letzte (in Deutschland mit „Betty und ihre Schwestern“ betitelt) gute 25 Jahre zurückliegt.
Nun hat sich die US-amerikanische Regisseurin Greta Gerwig der Geschichte der vier March-Schwestern angenommen. Während die Mutter (Laura Dern) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts den bescheidenen Haushalt am Laufen hält, die Töchter zu Selbstbewusstsein erzieht, während der Vater im Krieg ist, sind die vier Mädchen eine eingeschworene Gemeinschaft – und könnten doch kaum unterschiedlicher sein.

Die smarte Jo (Saoirse Ronan) träumt nicht vom Heiraten, sondern vom Erfolg als Schriftstellerin, während Meg (Emma Watson) brav das Leben als Ehefrau plant, das die Gesellschaft von Frauen wie ihr erwartet. Derweil ist Beth (Eliza Scanlen) die stille Schüchterne, mit der es das Schicksal nicht gut meint, und Nesthäkchen Amy (Florence Pugh) will Karriere als Künstlerin machen, wofür sie durchaus familiären Unfrieden in Kauf zu nehmen bereit ist.

An diesem Grundgerüst der Handlung, in der auch dem umschwärmten Laurie (Timothée Chalamet) eine Schlüsselrolle zukommt, hat Gerwig nicht wirklich gerüttelt. Allerdings arrangiert sie die Erzählstruktur neu und springt immer mal wieder zwischen den Zeitebenen hin und her.

So setzt der Film schon damit ein, dass Jo auf sich gestellt in New York lebt und Kurzgeschichten veröffentlicht, während Amy die reichte Tante (Meryl Streep) nach Paris begleitet, bevor es wieder ein paar Jahre zurück in die Provinz von Massachusetts geht.
Auch was die Figuren und ihre Motivation angeht, setzt Gerwigs selbst verfasste Adaption gezielt Schlaglichter und bringt in Alcotts Geschichte Seiten zum Vorschein, die sie so leichtfüßig, relevant und feministisch wirken lassen wie nie zu vor.
Jede Oscar-Nominierung ist berechtigt
Dass „Little Women“ frisch und modern statt angestaubt und spröde daherkommt, liegt aber auch an der tollen Kamera-Arbeit, der Musik und den Kostümen. Und natürlich auch an dem erstklassigen Ensemble. Ronan und Pugh sind zurecht für den Oscar nominiert, auch der Film selbst darf sich Hoffnungen machen. Was es umso enttäuschender macht, dass Gerwig zwar für ihr Drehbuch, aber nicht für ihre Regie-Arbeit nominiert ist.
Abspann
Regie: Greta Gerwig
Produktionsland: USA 2019
Darsteller: Saoirse Ronan, Florence Pugh, Emma Watson, Timothée Chalamet, Laura Dern, Meryl Streep u.a.
Länge: 135 Minuten
FSK: freigegeben ohne Altersbeschränkung
Verleih: Sony Pictures
Fazit: Viel zeitgemäßer und frischer als diese fantastisch gespielte Romanverfilmung kann man eine Geschichte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts kaum inszenieren. Eine echte Kinoperle!