Das Theater Basel lädt in den Garten der Lüste. Doch Lust und Frust liegen eng beieinander. Den Frauen geht die Rammelei der Männer schwer auf den Geist. Die Männer haben die Nörgelei der Frauen herzlich satt. Beide Geschlechter sind genervt vom Ehealltag. Alles nur Verrichtung oder Routine.
Wie ausbrechen? Die Männer werden vom Arbeitgeber gefeuert. Die Frauen emanzipieren sich, was leider nur bedeutet: Sie übernehmen die Berufe der Männer bei schlechterer Bezahlung. Am Ende wollen die Männer keinen Sex mehr mit Frauen, sie streiken. Männer, die freiwillig auf Sex verzichten – wer kommt denn auf so etwas?
Auftragswerk fürs Theater
Die Autorin Sibylle Berg kommt auf diese Idee. Geboren in Weimar, wohnhaft in Zürich, berühmt für ihre bissigen Kolumnen, vielfach ausgezeichnet. Das Theater Basel gab bei ihr ein neues Werk in Auftrag. Erst vergangene Woche räumte Berg für ihren Roman „GRM. Brainfuck“ den Schweizer Buchpreis ab. Ort der Preisverleihung war das Theater Basel. Jetzt kehrt sie mit einem preiswürdigen Theaterstück zurück, um erneut Applaus abzuholen.
Ihre Komödie trägt zwar den sperrigen Titel „In den Gärten oder Lysistrata Teil 2“, hat aber Unterhaltungswert und Sprachwitz auf Höhe des Zeitgeists. In Basel zu erleben ist ein potentes Damendrama voller Sprachergüsse.
Was macht Regisseur Miloš Lolic mit diesem heißen Stück? Er jagt es in kaum mehr als 80 Minuten mit viel Musik, Songs und Show-Elementen über die Bühne. Bei dieser Parforce-Tour geht viel verloren von einem Text, den man oft Satz für Satz zitieren möchte.
Ausgehend von der Zukunft, von einem „hervorragenden Tag in der politisch korrekten, veganen, durchgegenderten Gegenwart“ blicken die beiden Geschlechter in unsere Gegenwart zurück. Dementsprechend hat Bühnenbildner Wolfgang Menardi ein kühl-weißes Menschenmuseum gebaut.
Gespielt wird in diversen Glasvitrinen unter Neonlicht. Griechische Säulen erinnern an Aristophanes, an den Frauenstreik seiner „Lysistrata“-Komödie. Sibylle Bergs „Lysistrata Teil 2“ mit dem Männerstreik erinnert eher an Elfriede Jelineks „Lust“-Roman. Nur dass der Berg-Text unbedingt theatertauglich ist. Er lässt Männer und Frauen, mal einzeln, mal im Chor, getrennt aufeinandertreffen, um sechs typische Episoden einer Beziehung zu vollziehen.
Hier die Damen im adretten Stewardessen-Kostüm mit Pillbox (Eva Bay, Linda Blümchen, Carina Braunschmidt, Anica Happich, Julia Nachtmann). Dort die Herren in bewährter Anzug-Uniform (Urs Peter Halter, Vincent zur Linden, Moritz von Treuenfels). Jetzt geht es los. Zunächst in den „Vorspielgarten“. Körper optimieren, straffen, aufspritzen, enthaaren. Dann weiter in den „Liebesgarten“. Was zieht man am besten an, um ausgezogen zu werden?
Rasur hier, Frisur da
Die Männer sorgen sich um die Rasur, die Frauen um die perfekte Frisur. Ergebnis: „Meine Haare haben einen solchen Elan, dass sie eindeutig das interessantere Leben führen als ich.“ Wer sich in den „Zustand optimaler Begattbarkeit“ gebracht hat, darf in den „Missionarsgarten“. Der Mann liegt oben, die Frau unten, „ausufernd frigide“?
In dieser Inszenierung kommt es anders, irrwitziger. Man kopuliert getrennt in zwei Vitrinen. Wie das funktioniert, das muss man gesehen haben. Und gehört. Reime à la Wilhelm Busch, Sarkasmus à la Sibylle Berg und ein in höchsten Tönen gesungener Orgasmus von Countertenor Bruno de Sá.

Man heiratet, bekommt ein Baby. Im „Erwachsenengarten“ und „Kindergarten“ ruft die Pflicht: „Wir führen Verrichtungen zu zweit durch, die man vorher alleine nie in Betracht gezogen hat.“ Absurde Alltagsroutine. Die Männer haben das Abrackern satt. Sie geben ihre Vorherrschaft auf: „Wie hatten die Welt gebaut und ruiniert, und jetzt waren wir müde“. Sie kümmern sich nur noch um die Kinder, von denen werden sie wenigstens anerkannt.
Überhaupt diese Sehnsucht nach Liebe, sie grundiert dieses Lust-Spiel mit leiser Wehmut. Wird aber von der Regie nicht herausgearbeitet. Nachdem die Herren im Streik sind, befriedigen sich die Damen oral mit bananenförmigen Ersatzteilen und fallen reihenweise in orgiastische Ohnmacht. Am Ende ist die Luft auch in der Inszenierung raus, die Vitrinen füllen sich mit Nebel.
Das Publikum ist überrumpelt
Sibylle Berg ist die Verhaltensforscherin des aktuellen Geschlechtertheaters. Und wie verhielt sich das Premierenpublikum? Am Anfang still, überrumpelt vom Tempo der Aufführung. In der Folge gab es im Zuschauerraum hörbar laute Lacher von den Damen, bei den Herren herrschte aufmerksame Angespanntheit.
Der Schlussapplaus kam von allen gemeinsam, kurz und stark wie das Stück. Hier ist das Theater keine moralische Anstalt, sondern die Bühne ist Teststrecke für Paarbeziehungen. Ergebnis: Die Lage der Geschlechter ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Wer gemeinsam lacht, lacht am besten.
Die nächsten Aufführungen von „In den Gärten oder Lysistrata Teil 2“ gibt es am 22. und 28. November 2019 und am 6., 15., 22. und 31. Dezember (mit anschließender Silvesterparty). Weitere Informationen dazu gibt es hier.