Alle reden vom Bauhaus. Aus gutem Grund. Das Bauhaus feiert seinen 100. Geburtstag, begleitet von einer hohen Medienaufmerksamkeit.
Auch am Bodensee gibt es Spuren der Kunstschule. Nur wenige wissen, dass Walter Gropius auf Vorschlag des belgisch-flämischen Architekten Henry van de Velde zum Direktor der Hochschule in Weimar ernannt worden war. Zuvor hatte van de Velde das Amt inne. Der Architekt und Designer gilt nicht nur als Wegbereiter des deutschen Jugendstils, sondern auch als Vorreiter des Bauhauses.
Van de Velde leitete von 1908 bis 1915 die Kunstgewerbeschule, die 1915 kriegsbedingt geschlossen wurde. Er verließ bald Deutschland und ging in die Schweiz – genauer: nach Uttwil am Bodensee –, wohin ihm seine Familie 1918 folgte. Es heißt, er sei 1917 durch Uttwil spaziert und habe dort zufällig das alte, unbewohnte Schlössli entdeckt, direkt am Wasser gelegen.

Van de Velde erwarb das Haus – unter anderem, um dort eine Kunstschule zu errichten. Tatsächlich entwickelte sich Uttwil für eine kurze Zeitspanne zu einer Künstlerkolonie. Bekannte Namen wie Ernst Ludwig Kirchner, René Schickele, Carl Sternheim, aber auch Pamela Wedekind sowie Erika und Klaus Mann waren van de Veldes Gäste. Der Schriftsteller Norbert Jacques berichtete, in dem Haus waren „die Stühle derart auf Linie gebracht, statt auf Bequemlichkeit, dass wir bald dazu übergingen, uns neben sie auf den Fußboden zu setzen, zum Zuzuhören.“
Weil seine finanziellen Mittel in Weimar geblockt blieben, zerschlug sich der Traum, im „Haus am See“ in Uttwil ein „zweites Weimar“ aufzubauen. Van de Velde verließ im Januar 1920 die Schweiz und reiste schweren Herzens in die Niederlande, wo er in Den Haag eine neue Stelle antrat.
Unter den Lehrern am Bauhaus war auch Georg Muche, der 1895 in Querfurt (heute Sachsen-Anhalt) geboren wurde.
Er wechselte sich mit Johannes Itten in der Leitung eines Vorkurses ab, der über die Aufnahme der Studienbewerber entschied. Außerdem war er Formmeister der Holzbildhauerei und Leiter der Weberei. Sein nachhaltigstes Projekt ist das Flachdachbungalow „Haus am Horn“ in Weimar, seit 1996 Weltkulturerbe. Muche hatte es anlässlich der Bauhausstellung im Jahr 1923 entworfen.
Auch Muches Lebensweg führte an den See. 1960 ließ er sich in Lindau nieder und nahm – inspiriert von der Landschaft – seine Malerei wieder auf. Im Lindauer Museum Cacazzen sind die Wirklichkeit und Einbildungskraft verschmelzenden Arbeiten Muches normalerweise zu sehen, doch zurzeit wird das Museum renoviert und die Gemälde lagern im Depot.
Das ist viel Bauhaus am Bodensee, aber längst nicht alles. In Konstanz, das für seine historische Altstadt, aber nicht für moderne Architektur berühmt ist, ließ sich 1933 der aus dem Ruhrgebiet stammende Architekt Hermann Blomeier nieder.
Seine Ausbildung hatte er am Dessauer Bauhaus unter Mies van der Rohe erhalten. Einige seiner Bauten prägen noch heute das Stadtbild von Konstanz, dazu gehören die Wessenbergschule, die Kreuzkirche und das Vereinsheim für den Ruderclub Neptun. Besonders in den 1951 realisierten Ländebauten der Fährhafen von Konstanz/Meersburg übertrug er genial die Formensprache des Bauhauses. Die schwerelos wirkenden Pavillons stehen mit den geschwungenen Formen, weit ausragenden Flachdächern und filigranen Details für die Aufbruchsstimmung der jungen Republik. Blomeier starb 1982 in Konstanz.

Von Meersburg nach Friedrichshafen: Hier steht der Hafenbahnhof, der seit 1996 das Zeppelin Museum beherbergt. Den weißen, kantigen Koloss mit seinen langen Fensterbändern samt großzügigem Restaurantbalkon, hatte der Stuttgarter Baurat Karl Hagenmayer konzipiert.

Für die einen ist das 1933 eingeweihte Gebäude, das nach starken Schäden durch Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg in seiner alten Form wieder aufgebaut wurde, eine Inkunabel des Bauhauses am Bodensee. Für die anderen dagegen ein überragendes Beispiel für die Baukultur der Neuen Sachlichkeit und/oder für einen internationalen Stil. In einer aktuellen Ausstellung des Zeppelin-Museums wird diese Frage kontrovers diskutiert. Wir plädieren für Bauhaus...
Thema Bauhaus
Anlässlich des Jubiläums gibt es viele Ausstellungen zum Bauhaus, darunter auch im Zeppelin-Museum in Friedrichshafen („Deal Standard. Spekulationen über ein Bauhaus heute“ – bis 28. April). Unter den Massen an Publikationen, die über das Bauhaus erschienen sind, sticht folgender Titel heraus: Marin von Osteen/Grant Watson (Hg.): „bauhaus imaginista. Die globale Rezeption bis heute“. Verlag Scheidegger & Spies, Zürich. 320 S., 58 Euro. (opi)