Zu Weihnachten schenkt man Bücher, gelesen werden sie meist erst im kommenden Urlaub. Dabei wäre doch gerade in den Feiertagen die beste Zeit. Folgende Auswahl garantiert einen passenden thematischen Hintergrund.

C.H.B. Kitchin: „Das Geheimnis der Weihnachtstage“

Eigentlich kommt dem Börsenmakler Malcom Warren die Einladung nach Beresford Lodge gerade recht. Der letzte Aktiendeal für den steinreichen Mr. Quisberg hat echt Nerven gekostet und zu Hause wartet eh niemand auf ihn. Also erhofft Warren sich über die Weihnachtstage im Herrenhaus seines langjährigen Klienten ein wenig Ablenkung und denkt an nichts Böses. Bis er am ersten Weihnachtsfeiertag eine Leiche auf dem Balkon seines Gästezimmers auffindet. Mrs. Harley hat sich beim Sturz aus dem Fenster das Genick gebrochen. War es ein Unfall oder Selbstmord? Oder ist die Mutter von Quisbergs Sekretär gar getötet worden? Ausgerechnet die alte Dame, die keinem was Zuleid getan hat.

Ein Krimi im Agatha-Christie-Stil.
Ein Krimi im Agatha-Christie-Stil. | Bild: Klett-Cotta

Die Ausgangssituation in C.H.B. Kitchins ursprünglich im Jahr 1934 erschienenem Kriminalroman „Das Geheimnis der Weihnachtstage“ ist eine klassische. Eine illustre Gesellschaft verbringt die Festtage gemeinsam in einem englischen Herrenhaus und es gilt, einen Todesfall aufzuklären. Mit viel Liebe und aller Zeit der Welt zeichnet Clifford Henry Benn Kitchin (1895-1967) das Milieu und die Figuren.

Bald wird ein zweiter Gast erschlagen im Wald gefunden. Sollte das ein Zufall sein? Oder gibt es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen? Malcom Warren beginnt zu ermitteln. Schließlich hat er ja schon ein bisschen Erfahrung. Kam vor Jahren doch seine Tante zu Tode, und er konnte bei der Polizeiarbeit hinter die Kulissen gucken. Feinsinnig beobachtet er die anderen Gäste und die Familienmitglieder, von denen sich einige verdächtig machen. Nacheinander geraten sie in den Fokus des Amateurdetektivs. Dem wohltuend altmodischen Wohlfühl-Krimi ist anzumerken, dass er in der gleichen Zeit entstanden ist wie die Klassiker von Agatha Christie. Heute sind nur noch wenige Kriminalromane handwerklich so exzellent gearbeitet.

Christoph Hein „Schöne Bescherung“

Nach der Kirche gibt es Würstchen mit Kartoffelsalat. Später werden die Geschenke vorsichtig geöffnet, damit das Packpapier geglättet und sorgsam gefaltet im nächsten Jahr wieder verwendet werden kann. Und am zweiten Weihnachtsfeiertag dann überwacht der Vater mit strengen Blicken die lustlosen Dankesbriefe der Kinder an die Verwandtschaft. Eigentlich ist alles wie immer. Trotzdem will keine echte Festtagsstimmung aufkommen, weil Mutter mit Vater kein Wort spricht.

Die etwas andere Weihnachtsgeschichte.
Die etwas andere Weihnachtsgeschichte. | Bild: Insel-Verlag

So beginnt Christoph Heins etwas andere Weihnachtsgeschichte, die unter dem Titel „Schöne Bescherung“ jetzt in der Insel-Bücherei erschienen ist. Ursprünglich als Kapitel seines autobiografischen Romans „Von allem Anfang an“ (1997) entstanden, funktioniert die kurzweilige Episode auch als Erzählung. Berichtet der jugendliche Ich-Erzähler Daniel darin doch, wie sehr ihn das ungewöhnliche Verhalten der Eltern beunruhigt. Schon fast ein halbes Jahr ist Mutter schweigsam. Und jetzt sagt sie selbst an Heiligabend kein Wort zu Vater. Muss Daniel sich Sorgen machen, dass die Eltern sich trennen?

In einer einfachen, dem jugendlichen Erzähler angemessenen Sprache, die trotzdem alles klar benennt, gibt Christoph Hein Einblick in das Seelenleben seines Protagonisten, der wie er selbst Pfarrerssohn und Flüchtlingskind in der DDR ist. Die Zeit steht still in dieser Geschichte, in der die Eltern den Weihnachtsstollen zum Bäcker bringen, damit der ihn für sie backt, und in der die Kinder den geschenkten Taschenkalender nicht herumzeigen dürfen, weil der aus dem Westen stammt und darin auch die christlichen Feiertage vermerkt sind. Im Kleinen spiegelt Christoph Hein, dieser gewissenhafte Chronist der deutsch-deutschen Geschichte, einmal mehr das große Weltgeschehen.

Felix Jácob (Hrsg.): „O du schreckliche“

„Wer zu Weihnachten nicht streitet, versäumt die beste Zeit dafür“, schreibt Daniel Glattauer. Und ja, so kann man das sehen. Nicht für alle ist Weihnachten ein Fest. Jeder weiß ein Lied davon zu singen. Es gibt nicht nur die eine, nein, es gibt unzählige Weihnachtsgeschichten, wie das von Felix Jácob herausgegebene Buch „O du schreckliche“ bestens belegt, das 20 Texte von 16 verschiedenen Schriftstellern versammelt und einen etwas anderen Weihnachtskanon anstimmt.

Axel Hacke berichtet in „Zeit der Rituale“ davon, dass es bei ihm Tradition sei, den Christbaum erst einen Tag vor Heiligabend zu kaufen. Zwar fürchte er so jedes Mal, keinen mehr zu bekommen. Aber er erliege immer wieder der Illusion, ihn dann billiger zu bekommen. Was natürlich Unsinn ist. Weiß der Händler doch genau, dass sein Kunde sich niemals ohne Baum zu seiner Frau zurück trauen würde.

20 Weihnachtsgeschichten in einem Band.
20 Weihnachtsgeschichten in einem Band. | Bild: Kanon-Verlag

Auch Herr Rogge in Hans Falladas „Der gestohlene Weihnachtsbaum“ sieht sich bei der Beschaffung des Baums vor ein Problem gestellt. Verkauft der Förster doch schon lange keine geschlagenen Fichten mehr, weil er mehr Spaß daran hat, die Leute dabei zu erwischen, wie sie sich so einen besorgen und ihm das Bußgeld dazu noch viel mehr Geld einbringt als die verkauften Bäume.

Besser also gleich auf den Baum verzichten? Wer weiß schon, ob man sich damit nicht Holzwürmer in die Wohnung holt, die auf die Möbel übersiedeln. Davor auf jeden Fall warnte der verstorbene John Updike in „Die zwölf Schrecken der Weihnachtszeit“, dem das Fest der Feste augenscheinlich ziemlich suspekt war. Im Fell der Rentiere fürchtete er krankheitserregende Zecken. Und der Typ im billigen roten Anzug und mit dem komischen Geruch nach Schnaps erschien ihm auch nicht ganz astrein. „Ein Mann mit dubioser Adresse, ohne plausible Quelle, aus der er seinen beträchtlichen Reichtum schöpft, steigt nach Mitternacht, wenn anständige, gesetzestreue Bürger mollig in ihren Betten liegen, durch den Schornstein ein – wenn das kein Grund zur Besorgnis ist!“

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Selbst ins Kostüm des Nikolauses schlüpft der Vater in Jan Weilers kurzweiliger Erzählung „Der Nikolaus war da!“, weil seine zauberhafte Frau zu den anderen Müttern gesagt hat: „Das kann ruhig mein Mann, der macht ja sonst nix.“ Also kommt er in die Klasse von Sohn Nick und muss sich nach seinem begrüßenden „Ho! Ho! Hooo!“ von der Lehrerin erst mal zusammenstauchen lassen, das sei „Ami-Scheiße“. „Wir sagen ,Hallo Kinder, lasst mich ein, ich will so gerne bei euch sein‘.“ Als ein Mädchen dann noch anfängt zu weinen, weil es Angst vor ihm hat, liegen die Nerven blank und er beginnt aus Rache für diese Tortur, die Namensschilder an den Geschenken zu vertauschen.

Was sich aus all den Geschichten lernen lässt? Wohl vor allem eines: nicht alles zu ernst nehmen in den „schönsten Tagen des Jahres“.