Paul Gäbler

Herr Haubrich, wie ist die Stimmung unter den Schauspiel-Studierenden?

Die Sorge ist natürlich bei jedem spürbar, dass die Coronakrise die Karrierechancen stark eingrenzt. Es gibt deutlich weniger Vorsprechen, die Häuser halten ihre Ensembles beisammen. Die Existenzängste sind also real. Bei Bühnenberufen kommt es natürlich auf Kontinuität an – wie auch im Film. Anfangs wurde deutlich weniger gedreht, aktuell sieht es wieder besser aus.

Was können Sie für ihre Studierenden konkret tun?

Zunächst gilt es, nicht zu verzweifeln, nicht in eine Opfer-Haltung hineinzukommen. Der Schauspielberuf ist schon immer risikoreich gewesen. Also überlege ich mit jedem Einzelnen konkret, was er jetzt tun kann. Auch wenn es eine abgedroschene Floskel ist: jede Krise bietet auch neue Chancen, gerade in kreativen Berufen. In Augsburg beispielsweise wird aktuell eine eigene Digitalsparte aufgebaut. Das sind Möglichkeiten, die sich vor Corona vermutlich niemals ergeben hätten.

Benedikt Haubrich ist Studiengangsleiter an der Akademie für Darstellende Kunst.
Benedikt Haubrich ist Studiengangsleiter an der Akademie für Darstellende Kunst. | Bild: Philip Henze

Sind Proben unter Corona-Bedingungen überhaupt möglich?

Es ist natürlich eine starke Einschränkung, wir können aktuell nur die prüfungsrelevanten Unterrichte analog durchführen. Aber alle, sowohl Studierende als auch die Kollegen, gehen sehr professionell mit der Situation um. Im ersten Lockdown hatten wir gewissermaßen Glück, dass gerade die Semesterferien begonnen hatten. Im Sommersemester mussten wir dann hauptsächlich per Zoom arbeiten. Das bedeutete aber auch, allen Studierenden erstmal die technische Ausrüstung zu ermöglichen. Die Dramaturgie- und Regiestudierenden haben gemeinsam mit dem Schauspiel eigene Formen entwickelt und erprobt, um mit der digitalen Realität konstruktiv umzugehen – zum Beispiel mit Hilfe von Webcams. Auch wenn wir teilweise überrascht waren, wie gut das funktioniert, geht natürlich über digitalen Kontakt viel verloren. Gerade das Theater lebt vom direkten Erleben.

Wie sieht der Hochschul-Alltag aktuell aus?

Inzwischen können wir, unter Einhaltung der AHA-Regeln, wieder in Präsenz arbeiten. Beim Bewegungs- und Gesangsunterricht haben wir einen Spuckschutz installiert, die Beteiligten halten sechs Meter Abstand zueinander, wir Lüften permanent und haben CO2-Messgeräte installiert. Zusätzlich bieten wir mehrmals pro Woche Corona-Schnelltests an, was zumindest die Sorge davor nimmt, aktuell jemanden anzustecken.

Wie macht sich das aktuell in den Bewerberzahlen bemerkbar? Droht auch hier eine „verlorene Generation“?

Ich halte von solchen Formulierungen überhaupt nichts. Wenn ich mich mit so einer Haltung vor meine Schauspieler stellen würde, würde ich sie schon vorab aufgeben. Auch hier gilt es, ruhig zu bleiben und zu schauen, was jeder einzelne jetzt tun kann. Und in den Bewerberzahlen können wir, auch zu meiner eigenen Überraschung, keinen signifikanten Rückgang feststellen. Ein gutes Zeichen, wie ich finde.

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Halten Sie es für sinnvoll, Kultureinrichtungen weiterhin geschlossen zu halten?

Ich glaube nicht, dass die Theater und Opern geschlossen wurden, weil man befürchtete, dass sich dort Leute anstecken würden. Viel eher ging es darum, die Mobilität der Bevölkerung herunterzufahren, was ja auch geklappt hat. Die Hygienekonzepte halte ich für ausreichend, um auch in einer Pandemie weiter Kunst und Kultur zu ermöglichen. Dass das in anderen Bereichen nicht so durchgezogen wurde, wäre nochmal eine andere Diskussion.

Schauspiel studieren im Südwesten

Wo kann man sich in Baden-Württemberg zum Schauspieler ausbilden lassen? Neben der Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg gibt es zahlreiche weitere Möglichkeiten – eine Auswahl.

  • Die Freiburger Schauspielschule gibt es seit 1985, sie sitzt im Kulturzentrum E-Werk. Innerhalb von vier Jahren kann man hier den Abschluss „Bühnenreife“ erlangen. Studiert hat hier unter anderem der Überlinger Fernsehstar Mark Keller.
  • Die Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart wurde zwar bereits 1857 gegründet – eine Schauspielausbildung gibt es allerdings erst seit 1942. Hier haben Ulrich Noethen, Jasmin Tabatabai und Ulrich Tukur das Rüstzeug fürs Berufsleben erhalten. Auch Entertainer Harald Schmidt absolvierte hier ein Schauspielstudium.
  • Die Theaterakademie Mannheim ist eine der jüngsten Ausbildungseinrichtungen mit staatlicher Anerkennung. 1994 gegründet, kann man hier in dreieinhalb Jahren einen Abschluss erlangen. Bekannteste Schülerin ist die Schauspielerin und Kabarettistin Nicole Risse-Kaufmann. (brg)