Eine Gruppe von Künstlern und Intellektuellen hat eine bemerkenswerte Petition ins Leben gerufen: Die künftige Bundesregierung, heißt es darin, möge Betrug und Fälschung verbieten. Bemerkenswert ist diese Forderung nicht wegen ihres vermeintlich progressiven Inhalts – gemeint sind Fälschungen von menschlichen Identitäten im Internet –, erstaunen muss vielmehr, dass es dazu überhaupt einer Petition bedarf.
„Durch Künstliche Intelligenz kann man Texte, Bilder, Töne und Videos erstellen, die für Laien kaum noch als Fälschung erkennbar sind“, heißt es in dem von Kulturschaffenden wie Marc-Uwe Kling, Sasa Stanisic und Karoline Herfurth unterzeichneten Text. Diese sogenannten Deepfakes würden benutzt, um Menschen zu verleumden, sie dienten zur Desinformation, Cybermobbing, Rachepornos.
Tatsächlich bestimmen in sogenannten sozialen Medien längst sogenannte Bots, also Computerprogramme, die sich als echte Menschen ausgeben, unsere politischen Debatten: eine gefälschte Öffentlichkeit, manipuliert von mächtigen Akteuren. Wie konnte man so naiv sein, diese Gefahr nicht zu erkennen?
Strafbar nur mit viel Interpretationsspielraum
Wo Menschen miteinander interagieren, wo sie mit Gütern handeln, mit Meinungen oder mit Ideen, braucht es Vertrauen. Warum das so ist, zeigen die Initiatoren der Petition an einem simplen Beispiel auf: unserem Geld. Ein Staat, der das Fälschen seiner Währung achselzuckend tolerierte, wäre nach einer Woche pleite.
Doch während Münzfälscher schon immer mit drakonischen Strafen rechnen mussten, können Menschenfälscher weitgehend unbesorgt ihrem üblen Geschäft nachgehen. „Natürlich sind manche Deepfakes heute schon strafbar“, schreiben die Autoren der Petition. Aber das gelte nur unter bestimmten Bedingungen mit viel Interpretationsspielraum und Beweislast aufseiten der Geschädigten.
Dass Plattformen wie Elon Musks X mit ihren gefälschten Identitäten und gesteuerten Debatten sich überhaupt etablieren konnten, verdankt sich massiver Lobbyarbeit von Unternehmen wie Google und Facebook sowie ihren Unterstützern aus der Bloggerszene. Und natürlich einer Digitalpolitik, die diesem Angriff auf fundamentale Werte unserer Gesellschaft ängstlich, zögerlich, führungsschwach begegnete.
Gesetzgebung mit offenen Flanken
Jahrzehnte lang haben US-Unternehmen und ihre Jünger einer Anarchie das Wort geredet. Jeder Versuch, grundlegende Ansprüche eines demokratischen Rechtsstaats ins digitale Zeitalter zu übertragen – von Urheberrechten bis zum Persönlichkeitsschutz – galt ihnen als „Angriff auf die Meinungsfreiheit“, als „Zensur“. Politiker, die das anders sahen, hatten „das Internet nicht verstanden“, waren „digitale Analphabeten“, Trottel von vorgestern.
Die digitalen Wichtigtuer und selbsternannten Piraten sind heute weitgehend verstummt. Geblieben aber ist ihr Werk: eine Gesetzgebung mit offenen Flanken. Zu einer Zeit, in der Geschäftsführer großer Digitalkonzerne auf offener Bühne dem Faschismus huldigen.
Nur schade, dass es so erfolgreiche Lobbyisten nicht schon in der Antike gab, als der römische Kaiser Konstantin Münzfälscher noch bei lebendigem Leib verbrennen ließ. Denn in einer Welt, in der jeder sein Geld nach Lust und Laune selbst malen darf, wäre ein Unternehmen wie X nie entstanden.