Als ich letztens in der Bahn saß, beschwerten sich zwei ältere Damen lauthals über den Verfall der deutschen Sprache, insbesondere bei Jugendlichen. Nun muss ich zugeben, dass meine beiden Muttersprachen English und Chichewa sind und ich Deutsch erst seit neun Jahren spreche und schreibe. Ich würde aber behaupten: Eine Sprache, die sich nicht ändert, ist eitel. Nein, nicht eitel im Sinne von „selbstverliebt“. Sondern eitel wie „vergänglich, sinnlos oder ohne Aussicht auf Erfolg“. Das ist nämlich einmal die Bedeutung dieses Wortes gewesen. Hat sich eben geändert.
Änderung braucht Zeit und ist gewöhnungsbedürftig. Für mich, jemand der mehrere Sprachen spricht und liebt, ist Sprache kein Fels in der Brandung, sondern ein Schiff, auf dem man eine Zeit lang mitreisen darf und vielleicht sogar ein bisschen den Kurs mitbestimmen kann.
Aber in gewisser Weise verstehe ich diese Frauen. Die Art und Weise, wie die Menschen heutzutage kommunizieren, hat sich verändert. Im Bestreben, einige Wörter von ihren rassistischen Konnotationen zu befreien, sind die Menschen übermäßig sensibel geworden: Das Problem ist, dass niemand beleidigend sein will, und deshalb manchmal genau das tut. Heutzutage ist es beispielsweise üblicher, von Menschen mit Migrationshintergrund zu sprechen, statt sie einfach Einwanderer zu nennen.
Jemand erzählte mir von einem Vorfall in Konstanz, wo kürzlich ein junger Mann „mit Migrationshintergrund“ abgeschoben wurde. Natürlich dachte ich mir: Wenn sie ihn abschieben, muss er etwas getan haben, das diese Konsequenz rechtfertigt.
Erst als meine Freundin mich anrief und weinte, weil ihr guter Freund abgeschoben worden war, wurde mir klar: Oh, ich kannte den Mann! Allein durch die Beschreibung „Person mit Migrationshintergrund“ (was auch sonst bei einer Abschiebung?) bin ich schon voreingenommen gewesen. Und es geht mir nicht darum, was er falsch gemacht hat oder nicht. Ich möchte über effektive Kommunikation sprechen.
Steht jemand im Verdacht, sich falsch verhalten zu haben, ist es „eine Person mit Migrationshintergrund“. Ist er dagegen erfolgreich, so handelt es sich um jemanden, der „ursprünglich aus Gambia oder dem Iran“ kommt. Und warum werden Menschen aus Norwegen, Polen oder anderen europäischen Ländern so selten als „Personen mit Migrationshintergrund“ bezeichnet?
Auch eine Person aus der Schweiz ist doch ein „Mensch mit Migrationshintergrund“! Tut ein Schweizer etwas Falsches, berichten Medien: „ein Schweizer oder eine Schweizerin… und ist in Polizeigewahrsam“. Aber handelt es sich um Menschen aus arabischen oder afrikanischen Ländern, heißt es: „Menschen mit Migrationshintergrund.“ Warum? Weil die Bezeichnung selbst etwas Negatives in sich trägt.
Eine effektive Kommunikation ist wichtig: Man kann jede Art von Nachricht übermitteln, aber der Tonfall der Worte, die man wählt, ist oft wichtiger als das, was man tatsächlich sagt. Denn eine Wahrheit, die nicht richtig ankommt, kommt am Ende gar nicht an.