Früh am Morgen macht sich Malischka erst einmal die Haare schön. Noch ein bisschen Puder auflegen, ein kurzer Blick von der Terrasse aufs türkisfarbene Meer. Schon richtet sich die Videokamera wieder auf die junge Frau mit der langen blonden Mähne.
„Als Hausfrau muss ich für meinen Mann gut aussehen“, sagt sie. „Und deshalb mache ich mich erst einmal hübsch für ihn“. Dann geht‘s auch schon ab in die Küche, Frühstück machen für den Mann. Da gibt es schon mal Rührei mit Blattgold, Shakshuka oder Blinis mit Füllung. Jedenfalls keine Brötchen vom Supermarkt oder pappigen Toast aus dem Tiefkühler.
Nach dem Frühstück werden die Sofakissen im Wohnzimmer aufgeschüttelt oder Männersocken nach Farbe sortiert. Und schon stellt sich Malischka die Frage: Was soll ich für meinen Mann backen?
Malischka, im virtuellen Leben @xMalischka, im richtige Leben Carolina Tolstik, lässt ihre mehr als 30.000 Follower auf Instagram an ihrem Leben auf Mallorca teilhaben. Malischka ist ein „Stay-at-Home-Girlfriend “ – eine Freundin, die zuhause bleibt. Sie ist damit Teil der „Tradwive“-Bewegung.
„Tradwives“ – auf gut Deutsch traditionelle Hausfrauen – machen all das, was Feministinnen die Nackenhaare zu Berge stehen lässt. Sie richten ihr Leben am Mann aus, kümmern sich um Küche, Putzlappen und – falls vorhanden – Kinder. Sie verzichten auf eigenes Einkommen, dürfen aber, wenn‘s gut läuft, dafür mit der Kreditkarte des Partners gelegentlich shoppen gehen.
Heimchen am Herd ist Tolstiks Sache nicht, sie sieht sich als Kämpferin für weibliche Wahlfreiheit. „Ich finde es nicht gut, dass Hausarbeit so niedrig bewertet wird“, so Carolina im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Aus Kommentaren auf ihrer Seite weiß sie, dass viele Nur-Hausfrauen genau darunter leiden. Sie wolle mit ihrem Malischka-Kanal Frauen ermuntern, sich für das Leben zu entscheiden, das sie für richtig halten. Sie selbst ist seit drei Jahren „Stay-at-Home-Girlfriend“.

Davor hat sie in Deutschland erst als Lehrerin gearbeitet, dann noch aus dem Homeoffice für eine Agentur. Jetzt lebt die Deutsche mit ukrainischen Wurzeln mit Mann auf Mallorca. Seit einem Jahr macht sie den Kanal. „Ich habe mich in meinem früheren Leben nicht wirklich wohlgefühlt“, sagt sie. „Jetzt mache ich jeden Tag das, was ich gern mache.“
Malischkas Filmchen sind trendy. Doch „Tradwives“ sind ein Gegenentwurf zum vorherrschenden Frauenbild der letzten Jahrzehnte, als „Nur-Hausfrauen“ unter Rechtfertigungszwang gerieten und die Erwerbstätigkeit von Müttern die Regel wurde. Seit den 2010er-Jahren feierten sich Frauen in den Medienwelten von Instagram bis TikTok zunächst in den USA als traditionelle Hausfrauen – Blümchenkleid inklusive.
Vor etwa fünf Jahren schwappte der Trend auch nach Deutschland. Manche „Tradwives“ haben auf ihren Accounts sichtlich Spaß daran, die Welt am Leben zwischen Babybrei und Kuchenrezept teilhaben zu lassen. Andere verfolgen aber auch eine politische Agenda.
Rolle rückwärts in die 50er-Jahre
Der Zeitgeist, so scheint es, ist nicht mehr länger Feminist. Besonders krass zeigt sich das in den USA. Die Social-Media-Auftritte vieler Tradwives sind Wegweiser auf einem Highway, der zurück in die 50er-Jahre führt. Da ist zum Beispiel Hannah Neeleman: 34 Jahre alt, ehemalige Mrs. America, Ballerina und Mormonin.
Sie lebte mit ihrem Mann und acht Kindern auf einem Bauernhof in Utah – der Ballerina Farm – und lässt ihre Follower am idyllischen Leben auf dem Land teilhaben. Jetzt ist die Familie nach Irland umgezogen. Neeleman zeigt, wie sie Brot bäckt, Kühe streichelt und aus deren Milch selbst Butter macht. Dabei trägt sie meist eines ihrer Kleinen vor dem Bauch oder läuft händchenhaltend mit ihrem Mann über die Wiese.

Auf amerikanischen TikTok-Seiten ist es oft ein kurzer Weg von der Küche zum Donald-Trump-Fanclub. „Jasminediniss“ etwa zeigt auf ihrem Account den selbstgemachten Sauerteig und findet das Leben schön: Ihr Mann ist heiß, postet sie offenherzig – und Donald Trump wieder Präsident. Im Hintergrund läuft „Praise the Lord“. Lobet den Herren.
In Deutschland wiederum singt Tradwife Sophia, Mutter von drei Kindern, auf Instagram das Lob des dominanten christlichen Manns und rät Frauen, sich unterzuordnen. Kleine Kostprobe: „Fünf Wege, um in einer Beziehung unterwürfiger zu sein“, weist sie unter dem Hashtag „dieperfektehausfrau“. „Hör zu, aber antworte nicht“, heißt es da.
Sehnsucht nach Sicherheit
Sozialwissenschaftlerinnen lassen zumeist kein gutes Haar an dem neuen Trend. Die Kommunikationswissenschaftlerin Margreth Lünenborg kritisiert, dass Tradwives in den USA als Rollenvorbilder der extremen Rechten fungieren, die in einem christlich-fundamentalistischen Milieu verwurzelt sind. Die Kulturwissenschaftlerin Evke Rulffes, die ein Buch über „Die Erfindung der Hausfrau“ schreibt, sieht im Trend zu den Tradwives zwar nicht das Ende der Gleichstellungspolitik, aber „das illustriert natürlich schon den gewaltigen Backlash, den wir gerade in der Politik erleben“, sagt sie dem SÜDKURIER.
Sie vermutet: „In Zeiten der Krise beziehungsweise Krisen oder Umbrüchen mit Unsicherheiten sehnen sich viele Menschen nach Sicherheit und meinen sie im Rückzug in die eigenen vier Wände zu finden. Außerdem ist es vermeintlich leichter, sich auf nur drei der gesellschaftlichen Anforderungen – Mutter, Haushalt, gepflegter Körper – konzentrieren zu müssen als auch noch erwerbstätig zu sein.“
Die Schattenseiten dieses Lebensentwurfs blieben dabei im Dunkeln: „Dass sie diese vermeintliche Sicherheit und Vereinfachung des Alltagslebens mit finanzieller Abhängigkeit und eventuell sozialer Vereinsamung bezahlen, wird ja nicht thematisiert“, sagt Rulffes
In Frauenzeitschriften von Emma bis Vogue warnen Redakteurinnen allerdings lautstark vor den Armutsrisiken im Fall einer Scheidung. Tradwives werden überdies zu einem sehr konservativen Rollenmodell. So konstatiert Vogue-Redakteurin Konstanze Popp: „Natürlichkeit und Traditionen sind Werte, die sich leicht mit in den selbstgemachten Kuchenteig mischen lassen und auch vom rechten Spektrum nicht weit entfernt liegen: Auch die AfD wirbt mit der Rückkehr zu klassischen Rollenbildern.“
Hier klebt kein Boden
Social-Media-Kanäle wie der von Malischka sind ein typisches Beispiel für das Spiel mit Sehnsüchten und Träumen. Malischka ist nicht Carolina und Carolina nicht Malischka, denn das, was Carolina Tolstik in ihren Filmchen verkörpert, ist ebenso sehr Teil ihres Lebens wie eine Inszenierung. In Malischkas Zuhause ist alles strahlend sauber.
Carolina lacht: „Malischka ist schon überspitzt“, sagt sie. Ihre Internet-Filmchen zeigen schließlich nur Ausschnitte ihres Lebens, wie die Influencerin bereitwillig einräumt. „Die Kamera läuft schließlich nicht 24 Stunden am Tag.“. Also klebt bei ihr kein Küchenboden, im Waschbecken hat es keine Zahnpastaspritzer und im Backofen ist nichts angebrannt.
Doch das kann auch ganz schön provozieren. „Es ist sehr viel Hate auf dem Kanal“, sagt Tolstik. Sie hält die Empörung für einen „Spiegel der Gesellschaft“. Bei Frauen, die sich zwischen Karriereeambitionen, Kinderbetreuung und Haushalt aufreiben, treffen Seiten wie die von Malischka einen Nerv. Manche träumen sich in eine kurze Auszeit, andere macht es wütend. „Und wann hast Du das Klo geschrubbt und die dreckigen Hosen deines Mannes gewaschen? Zeig uns das echte Leben“ wettert eine Kommentatorin. Carolina nimmt das hin. „Mein Kanal lebt davon, dass man nicht genau weiß, wie ernst ich das meine.“
Schlaue Unternehmerinnen
Bleibt der Einwand, dass man es sich leisten können muss, Hausfrau zu sein. Im richtigen Leben ist es schwierig, mit einem Einkommen eine Familie mit Kindern über die Runden zu bringen.
Wie gut also, dass viele der Tradwives in Wirklichkeit schlaue Unternehmerinnen sind. Viele haben Onlineshops mit eigenen Produkten oder leben von Werbeeinnahmen, die sie durch Product-Placement als Influencerin verdienen. Bei Neeleman haben mehr als 10 Millionen Follower medial am Leben der Ballerina-Farm teil. Ihnen verkauft die ehemalige Mrs. America in einem eigenen Shop Sauerteig, Schürzen und Brotmesser. Malischka sagt, sie selbst fühle sich nicht als Anhängsel eines Mannes, sondern als Teil eines Teams. Und fügt hinzu: „Viele Frauen arbeiten ihr Leben lang Vollzeit und haben nachher 900 Euro Rente.“ Sie betreibt als zweites Standbein mit ihrem Partner Giorgio eine Agentur für virales Marketing.
Rulffes hat in vielen Fällen eine gewisse Doppelmoral ausgemacht. „Manche der professionell agierenden Tradwives propagieren zwar einen starken Ehemann, dem in allem gehorcht werden soll, verdienen aber selbst, wenn sie erfolgreich sind, inzwischen viel mehr als ihr Mann.“