Gut, Ikea sieht hier so aus wie überall. Aber die Apotheke im Fachwerkhaus verleiht der Altstadt beschaulichen Charme. Und das historische Haus Heeren erinnert an mondäne Zeiten des Hochadels. Alles in allem wäre es also an der Zeit, sich dieses Städtchen mal anzuschauen, statt sich immer nur zu ärgern, wenn es im Radio heißt: „Stau am Kamener Kreuz!“
Kamen gehört zu den glücklichen Kommunen, die trotz ihres Mangels an spektakulären Sakralbauten oder Ritterburgen bundesweiten Ruhm ernten. Dem Verkehrsfunk sei Dank.
Gäbe es am Westhofener Kreuz nicht regelmäßig stockenden Verkehr, wäre die anliegende 6000-Einwohner-Gemeinde kaum in aller Munde. Die A6 verleiht Orten wie Viernheim, Weinsberg oder Crailsheim ihren Glanz. Und ohne die A5 wäre mir völlig entgangen, dass Karlsruhes größter Stadtteil „Durlach“ heißt.
Wer kennt schon Westenstedt?
Wer dagegen kann schon etwas mit Orten wie Westenstedt anfangen, mit Geldern oder Waldeck an der Icker? Gut, zwei dieser Städtenamen waren auch nur ausgedacht. Aber Geldern in Nordrhein-Westfalen gibt es wirklich, und es ist sogar größer als Crailsheim, Viernheim oder Karlsruhe-Durlach. Hilft den Geldernern aber nichts. Weil der Plan für eine Bundesautobahn 55 mit eigenem Ausfahrtsschild „Geldern“ bis heute in irgendwelchen Behördenschubladen vor sich hin modert.
Wäre ich Bürgermeister von Geldern, käme die A55 – Klimaschutz hin oder her – ganz oben auf die Tagesordnung. Zur Sicherheit würde ich die A56 gleich dazubauen, dann gibt es ein prächtiges „Gelderner Kreuz“. Aber nur zweispurig, damit der Verkehrsfunk auch was zu vermelden hat.
Alternativ ließe sich über eine Brauerei reden, Bitburg, Warstein und Lich machen schließlich vor, was damit möglich ist. Allerdings lese ich im Internet, die Stadt am Niederrhein habe bereits ein eigenes Bier. Ein echtes „Gelderner“ vom Fass? Leider nein. Die Marke, heißt es, sei nach einem Flüsschen benannt: „Fleuther Craftbeer“. Ich glaube, die Leute in Geldern wollen gar nicht, dass wir sie entdecken.
Vielleicht arbeiten sie auch an Plan C: Meteorologie. Die Stadt Köln zum Beispiel verdankt ihren Ruhm ja weniger dem Dom, ihrem Fußballklub oder gar dessen dazugehörigem Ziegenbock. Vielmehr steckt die mysteriöse „Kölner Bucht“ dahinter.
Bringst du die Wetterfrösche dazu, jeden Abend deinen Namen auszurufen, buchstabiert ihn das Volk irgendwann im Schlaf. Sollten wir also bald vom Hochdruckeinfluss über dem Gelderner Fleuthgebiet erfahren: kein Wunder.