Die Schauspielerin Gina Lollobrigida war nicht nur schön, sie hatte auch ein Faible für ausgefallenes, schönes Design. Das bewies sie 1955, als sie den Autosalon von Paris im Oktober des Jahres 1955 besuchte. Dort feierte eine Göttin Premiere, der DS von Citroen, oder besser: die DS.
Auf französisch gesprochen wie die déesse, die Göttin. Die andere Göttin, die Lollobrigida – sie ist erst im Januar im Alter von 95 Jahren gestorben – war von der eleganten Limousine so begeistert, dass sie die zweite von 750 Messebesuchern war, die in der ersten Stunde nach Eröffnung des Salons eine DS bestellten.

Das lag an einem Design, das einfach anders war. So anders, dass sich sogar der französische Philosoph Roland Barthes 1957 in seinen „Mythen des Alltags“ über die déesse ausließ: „Möglicherweise markiert die Göttin einen Wendepunkt in der Mythologie des Automobils. Bisher ähnelte das superlativische Auto eher einem Bestiarium der Kraft; nun wird es zugleich spiritueller und objektiver.“ (Was immer das auch heißen mag). Bewundert wurde die DS auch im selben Jahr in der Triennale von Mailand, sie erhielt dort den ersten Preis für industrielle Ästhetik.
Und heute? Gina Lollobrigida würde sich wohl nach keiner Limousine mehr umdrehen. Es herrscht Langeweile. Der Auftrag an die Designer, vom Marketing geleitet, scheint zu lauten: bitte keine Experimente! Austoben dürfen sich die Zeichner allenfalls am Design von Scheinwerfern und Rücklichtern. Da gibt‘s dann Schmetterlingsflügel, Klammern, Rahmen, Bänder, zweigeteilte Union Jacks und andere Spielereien.
Das Auto als „Bestarium der Kraft“
Wer etwa die Modellfolgen eines VW Golf (ab dem Golf V von 2003 bis zum aktuellen Golf VIII) oder eines Audi A6 verfolgt, stellt fest, das sich außer dem Rücklicht- und Scheinwerferdesign kaum etwas ändert. Dabei war einer der Vorgänger des heutigen Audi A6 der 1982 in Paris vorgestellte Audi 100 C3, den der französische Staatspräsident Mitterrand beim Salonrundgang damals ob seines Designs lobte.
Der 1982er-Audi wirkte leicht und elegant. Der Nachfolger Audi A6 wurde seit den späten 90er-Jahren zunehmend breiter, potenter, gedätschter und – vor allem als Kombi – fettärschiger. Als ob es im Sinne von Roland Barthes zurück zum Auto als „Bestiarium der Kraft“ ginge.
Ein solches Bestiarium der Kraft sind auch die protzigen Blechberge vom Typ SUV. Wenn so ein Ungetüm in einer engen Altstadtgasse parkt, bekommt schon jeder Fotoapparat Linsenweh. Und die etwas bescheideneren SUVs sehen ohnehin alle gleich aus.
Wie mutlos die Designer geworden sind, zeigt der Übergang zu den Elektroautos. Einen Kühlergrill brauchen die E-Autos nicht, aber was macht Mercedes? Die Stuttgarter klatschen gleichsam einen Fake-Grill auf die Autoschnauze, damit der Kühlergrill-gewohnte Benzinkutschenkäufer ja nicht verunsichert wird.
Einfallsloser geht es kaum. Eine Ausnahme bildete nur der kleine BMW i3 mit seinen schmalen Reifen, der tatsächlich als Elektroauto aus dem Design-Einerlei hervorstach. Aber: Er wird nicht mehr produziert, und BMW ist nun genauso im massenkompatiblen Mainstream angekommen.
Übrigens: Citroen ist mittlerweile genauso langweilig wie die allermeisten anderen Autobauer auch. Gina Lollobrigida ist tot und la déesse, die Göttin, ist mit ihren 67 Jahren im Ruhestand und zeigt sich nur noch selten.