„Das kann man so nicht machen.“ Dieser Satz hat es Hermann Maier angetan, er war für ihn und seine Frau Ansporn. Der gut gemeinte Rat bezog sich auf den ersten Museumsbau, den das Stifterpaar Gabriela Maier und ihr Mann 2013 realisierten. Dabei ging es weniger um die spektakuläre Architektur, die einen Kritiker an das Guggenheim-Museum Bilbao erinnerte, sondern um den Inhalt des Museums: Autos und Kunst. Seit der Eröffnung des MAC-II hört das Paar diesen vermeintlichen Rat nicht mehr. Ihr Konzept hat sich als Erfolg erwiesen.
Auto und Kunst
Mit ihrer Auto-und-Kunst-Idee haben die Maiers Neuland betreten. Das sorgte anfänglich für Skepsis. Dass Bilder, Skulpturen und andere künstlerische Interventionen in Kunsthäusern gezeigt werden, ist selbstverständlich. Das gilt ebenso für die von großen Konzernen geführten Automuseen, in denen die Historie der eigenen Marke gepflegt wird. Mit dieser tradierten Form der Arbeitsteilung räumte das Stifterpaar mit dem MAC auf.
Aber können Autos Kunst sein? Seit mehr als hundert Jahren wird diese Frage diskutiert, als das Auto Pferde und Kutsche verdrängt und damit eine Prognose des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. widerlegt hatte, der das Ganze für eine „vorübergehende Erscheinung“ hielt. Mit den ersten publikumswirksamen Straßenrennen entstand der Kult der Geschwindigkeit, dem sich auch die Futuristen, Vertreter eines neuen, dynamischen Lebensgefühls anschlossen. Für sie war das Auto Symbol der Modernität und Kunstwerk zugleich. Das erste Rennen mit Automobilen führte übrigens am 22. Juli 1894 von Paris nach Rouen.
Aber nicht nur die Avantgardisten verfielen in das Lob des motorgetrieben Vehikels. Auch der schweizerisch-französische Architekt, Maler, Bildhauer und Designer Le Corbussier, um ein anderes Beispiel zu geben, fasste in „Vers une architecture“ (1923) wesentliche Momente dieser Euphorie zusammen. Er berief sich – wie die Futuristen – auf die Antike und verglich das Automobil mit dem Parthenon, dem Tempel für die Göttin Pallas Athena auf der Akropolis. Bald avancierte das Automobil in der Malerei und in der Fotografie zu einem wichtigen Bildmotiv. Dafür stehen Künstlernamen wie Man Ray, George Grosz, Max Ernst oder der Expressionist Ernst Ludwig Kirchner. Die Begeisterung ist auch zwischen den Weltkriegen ungebrochen. Von dem Surrealisten Francis Picabia wird berichtet, dass er Autos wie schöne Frauen gesammelt habe.

Das Zeitalter der Massenproduktion und des -konsums, das sich hierzulande Ende der 1930er-Jahre mit dem Volkswagen ankündigte, machte das Auto zum Fetisch und in der Bundesrepublik zum Statussymbol des Wirtschaftswunders. Auch die neue Kunst nahm von den „rollenden Kathedralen“ (Roland Barthes) Notiz und übersetzte das Sujet in Bildern – wie etwa Gerhard Richter in „Kleiner Parkplatz“ (1965) – oder in irre Aktionen – wie der Fluxus-Künstler Wolf Vostell, der 1969 einen Opel Kapitän in Beton gießen ließ.
Doch nicht nur kreativer Vandalismus war angesagt. Angesichts der dramatischen Klimaveränderung und Feinstaubbelastung gab es auch Kritik: Das Video „Ever is overall“ (2005) der Schweizerin Pipilotti Rist zeigt eine Frau, die mit einem Blumenstrauß aus Stahl Scheiben parkender Autos einschlägt. Kunst, die nachdenklich stimmt.
Anders – und verständlich – die Fahrtrichtung der Bayerischen Motorenwerke. BMW machte das Auto zum Träger von Kunst. Alexander Calder durfte 1975 ein erstes Art Car gestalten. Frank Stella, Roy Lichtenstein und Andy Warhol folgten – einige Ausgaben dieser Art-Cars parkten auch im MAC. Warhol hatte bereits in den 1960er-Jahren mit einem radikalen Zyklus von Unfallbildern auf die Abgründe der Zivilisation aufmerksam gemacht. Er konnte aber auch ganz anders. Kurz vor seinem Tod 1987 schuf er für Mercedes eine Bilderserie. Die 40 Darstellungen der berühmtesten Modelle wurden ebenfalls in Singen gezeigt und dazu einige der von ihm verewigten Stilikonen.

Keine andere Entwicklung hat die Kunst der Moderne so nachhaltig beeinflusst wie das Auto. Trotzdem hat da Vehikel in den klassischen Kunsthäusern immer noch Seltenheitswert oder es wird in die Design-Ecke abgeschoben. Hermann Maier zitiert dazu gerne den „Schamanen“ Joseph Beuys, der sagte, dass ein Panzer, ein U-Boot oder der Überflieger Concorde ästhetischen seien, als alle heute zur Verfügung stehende Kunst von Pablo Picasso bis zu seinem „eigenen Mist“. Man hörte Beuys offenbar nicht zu.
Extrem skulptural geformt
Aber in die Debatte kommt Bewegung und es folgt die Einsicht, dass Autos mehr sind, als nur die Summe ihrer funktionalen Teile. „Sportwagen sind Kunst“, sagt Barbar Til vom Düsseldorfer Museum Kunstpalast, „weil sie extrem skulptural geformt sind. Und weil der Wille zur ästhetischen Gestaltung zum zentralen Argument geworden ist.“ An den Autos, die – wie die Kunst – bei Auktionen hohe Preise erzielen, lässt sich Geschichte ablesen. Der „Käfer“ ist so ein rollendes Geschichtsbuch. Selbst seine Farben geben Auskunft über seine Zeit. Dass sich der Status von Oldtimern wandelt, lässt sich daran ablesen, dass der Respekt gegenüber der historischen Substanz wächst.
In Geschichtsmuseen werden die Fahrzeuge nach denselben Standards restauriert wie etwa eine gotische Madonna. Der Historiker Kurt Möser, der viele Jahre im Mannheimer Museum für Technik und Arbeit für die Oldtimer zuständig war, spricht hier von der „Dignität des Alters technischen Kulturguts“. Das kann man so sagen.
Apropos MAC: Neben der Dauerausstellung mit Oldtimern und der Licht- und Videoinstallation von Markus Brenner im MAC II, zeigt das MAC I unter dem Titel „Gianni Versace Retrospective“ eine Ausstellung mit Kreationen des legendären italienischen Modedesigners Gianni Versace (bis 21. April 2021) sowie originelle Fotografien des Schwarzwälder Fotokünstlers Sebastian Wehrle (nur noch bis 8. November).
Das MAC – Museum Art & Cars in Singen (Parkstraße 1-5) ist zurzeit wegen Corona geschlossen. Weitere Informationen: www.museum-art-cars.com