Lieber Prinz Harry und lieber Prinz William,
oder sollte ich sagen: Eure königlichen Hoheiten? Egal, halten wir uns nicht mit Förmlichkeiten auf. Viel wichtiger ist doch im Moment eine ganz andere Frage. Jetzt sagen Sie mal, ganz ehrlich: Ist es nicht wunderbar, einen Bruder zu haben?
Bei Ihnen hatte man eigentlich immer den Eindruck, dass Sie das genauso sehen: Zwischen Sie hat kein Blatt Papier gepasst. Sie haben so harmonisch gewirkt, so innig – vielleicht vereint im Schmerz über den frühen Tod der Mutter. Selbst Trauzeugen waren Sie füreinander.
Hier wird nichts mehr weggelächelt
Aber was hört und liest man jetzt über Ihr Verhältnis? Von Entfremdung ist die Rede. Von wachsender Distanz. Normalerweise wird so etwas royal weggelächelt. Und jetzt kommen Sie, Harry, und sagen in einem Interview: „Es passieren unweigerlich Dinge.“ Was für Dinge? „Wir sind derzeit sicherlich auf unterschiedlichen Pfaden.“ Was für Pfade?
Harry, es ist noch nicht lange her, da hätte kein Mitglied Ihrer Familie auch nur im Traum daran gedacht, so etwas Privates in der Öffentlichkeit zu sagen. „Beschwere dich nie, erkläre dich nie“ lautet ja – angeblich – das Motto Ihrer Familie. Stimmt‘s?
Den meisten Mitgliedern dieses noblen Clubs bereitet es offenbar auch keine Schwierigkeiten, sich daran zu halten und Negativschlagzeilen zu ignorieren. Hier und da schafft es auch mal eine nette Anekdote in die Öffentlichkeit – William, Sie beherrschen das in Perfektion, die schönen Familienmomente gezielt zu teilen. Man denke nur an all die zuckersüßen Fotos Ihrer drei Kinder. Hach!

Sie sind ja, anders als Ihr kleiner Bruder, mehr so ein Vertreter der emotionslosen „stiff upper lipp“-Fraktion, wollen sich nicht anmerken lassen, was in Ihnen vorgeht. Das ist verständlich – und es passt zu dem Amt, das Sie wahrscheinlich eines Tages übernehmen werden. Klar, dass Sie so ein vernünftiges Verhalten auch von anderen erwartet.
Keine Lust auf heile Welt
Aber nun kommen Sie, Harry, und haben einfach keine Lust mehr, weiter ein tapferes Gesicht zu machen, obwohl es in Ihnen brodelt. Sie können, das sieht man Ihnen an, mit dem Druck, den die unfreiwillige Mitgliedschaft in einem Königshaus mit sich bringt, nicht umgehen. Das ist kein Makel, das ist menschlich.
Bloß: Manchmal schießen Sie übers Ziel hinaus. Dass Sie Ihre Frau und Ihr Kind beschützen wollen, ehrt Sie. Sie fürchten, Ihrer Frau drohe ein ähnliches tragisches Schicksal wie Ihrer einst von der britischen Boulevardpresse gejagten Mutter.

Dass Sie Verlage verklagen, die Ihre Privatsphäre verletzt haben sollen, ist nachvollziehbar. Aber die nebulösen Andeutungen über das Verhältnis zu Ihrem Bruder – die hätten Sie sich lieber gespart. Sie sind kein Kardashian, sondern ein Windsor und der Enkel der britischen Königin.
Nicht, dass Geschwister nicht auch streiten dürfen. Aber vergessen Sie beide nicht: Die unterschiedlichen Wege, auf denen Sie jetzt gehen, werden Sie auch wieder zusammenführen. Wie haben Sie so schön gesagt, Harry? „Wir werden immer Brüder sein.“ Also dann, lassen Sie Ihren Worten Taten folgen und vertragen Sie sich wieder, bitte!
Mit hoffnungsvollen Grüßen,
Nicole Rieß