Herr Maticevic, „Babylon Berlin“ hat zuletzt pro Folge rund fünf Millionen Zuschauer begeistert. Was ist Ihrer Meinung nach das Erfolgsrezept?
Ich denke, das liegt vor allem an den drei Regisseuren und Autoren, die mit den ersten beiden Staffeln einen Maßstab gesetzt haben, indem sie die Drehbücher zu dritt schrieben. Drei Gehirne haben nun mal mehr Ideen als nur eins. Dieser Austausch zwischen den dreien war wohl sehr rege. Ich vermute jedenfalls, dass durch das gegenseitige Anfeuern und Befruchten diese tollen Drehbücher von hoher Qualität entstanden sind. Der spannende Krimi-Plot, das historische Zeitgeschehen und die aufwendige Ausstattung haben selbstverständlich auch ihren Teil zum großen Erfolg der Serie beigetragen.
Auch die dritte Staffel wurde wieder in den Babelsberger Filmstudios gedreht. Wie ist es für Sie als Schauspieler, in so eine historische Kulisse einzutauchen?
Man ist da tatsächlich in einer anderen Welt. Das wirkt alles sehr authentisch. Durch die Kostüme, das Bühnenbild, die ganzen Oldtimer fühlt man sich in eine andere Zeit zurückversetzt. In den Kulissen findet automatisch eine Wandlung statt. Da muss ich als Schauspieler gar nicht drüber nachdenken. Plötzlich ist man im pulsierenden Berlin der goldenen 20er-Jahre.
Sie tragen als „Der Armenier“ perfekt sitzende Anzüge. Sogar Designer Giorgio Armani soll ein Fan der Serie sein.
Echt? Cool! Dann soll er mal ein paar Anzüge rüberwachsen lassen. (lacht)
Die dritte Staffel von „Babylon Berlin“ spielt 1929, als die Welt auch im Kino vor dem Umbruch stand und der Tonfilm den Stummfilm ablöste. Finden Sie, dass dieser damalige Wandel mit der heutigen Digitalisierung vergleichbar ist?
Ich denke, dass der heutige Medienwandel sogar eine noch größere Reichweite und Auswirkung hat. Denn er betrifft ja nicht nur das Kino. Das hier ist für uns alle wesentlich schwerer zu verkraften. Was die Technik der Digitalisierung angeht und was dadurch alles möglich ist, das ist manchmal einfach zu viel für unsere Gehirne. Das können wir so gar nicht alles verarbeiten.
Ihre Filmfigur ist auch eher Old School: Mit eiserner Faust und perfekten Manieren herrscht er über das Berliner Nachtleben der „Roaring Twenties“. Wie entwickelt sich diese Rolle weiter?
Es gibt da eine neue überraschende Richtung beim Armenier, aber mehr möchte ich nur ungern preisgeben, sonst würde ich der Geschichte Spannung nehmen und den Zuschauern zu viel verraten. Wie wir schon in den ersten beiden Staffeln gesehen haben, ist „Der Armenier“ der Unterweltkönig und Gangsterboss von Berlin. In der dritten Staffel steigt er in ein weiteres Geschäftsfeld ein: Er produziert einen der ersten Tonfilme Berlins.

Sie spielen auffallend oft ambivalente Persönlichkeiten. Auch Ihr Curt Prank in der historischen Serie „Oktoberfest 1900“ ist so eine Figur. Was fasziniert Sie an diesen Charakteren?
Solche Figuren voller Ambivalenz und Widersprüche sind wohl für jeden Schauspieler ein gefundenes Fressen. Nur schwarz oder weiß ist selten so spannend wie diese Grauzone. Bloße Bösewichte oder pure Helden – diese ganzen Stereotypen interessieren mich nicht. Curt Prank zu sein, war mir dagegen eine große Freude: ein liebender Vater, gleichzeitig ein Tyrann. Ein cleverer Geschäftsmann, aber auch ein skrupelloser und gewaltbereiter Despot.
Sie haben mal gesagt, dass Ihre Figuren Recht haben müssen, damit Sie die Rolle spielen. Wie ist das gemeint? „Der Armenier“ besitzt ja kriminelle Energie …
Stimmt. Auch das Handeln von Curt Prank bringt zuweilen kriminelle Energie hervor. Aber das Recht, das ich meine, hat nichts mit Recht und Unrecht zu tun. Ich meine eine gewisse Denkweise, die solche Männer innehaben. Natürlich ist es nicht gerecht, wie „Der Armenier“ handelt. Aber er hat erstmal Recht in dem, was er tut. Er ist Geschäftsmann und hat seine Methoden, mit denen er seine Geschäfte abwickelt.

„Babylon Berlin“ spielt kurz vorm Untergang der Weimarer Republik: Wirtschaftskrise, Gefahr von rechts, Verschwörungstheorien. Gerade gibt es ähnliche Szenarien. Beunruhigt Sie das?
Eher nicht. Ich denke zwar schon, dass sich Geschichte wiederholen könnte, mache mir aber in Deutschland aktuell keine Sorgen. Auch nicht wegen des Drucks von rechts und der ganzen Extremisten. Weil ich fest davon überzeugt bin, dass die große Mehrheit das niemals wieder zulassen würde. Aber vielleicht bin ich da auch etwas zu naiv.