Frau Gastdorf, wollen wir wetten? Ich sage, dass jeder, der in Deutschland ab und zu mal fernsieht, Sie garantiert schon mal gesehen hat.
Ich würde sagen, wenn es um ARD und ZDF geht, dann könnten wir uns wohl darauf einigen. Ich merke das ja auch, wenn ich unterwegs bin, dass immer noch Leute denken, sie kennen mich privat von irgendwo. Sie können mein Gesicht aber überhaupt nicht zuordnen. Dann kommen sie auf die lustigsten Sachen – nur nicht darauf, dass ich Schauspielerin bin. (lacht) Aber wer eher RTL oder Sat.1 guckt oder Streamingdienste, der kennt mich, glaube ich, eher nicht. Obwohl: Bei Netflix war ich inzwischen ja auch schon …
Haben Sie eigentlich mitgezählt, wie viele Rollen Sie schon gespielt haben?
Das werden Sie mir vielleicht nicht glauben, aber ich hab das nie gemacht. Aber es gibt wohl jemanden, der das bei Wikipedia macht.
Stimmt, dort ist von über 140 Film- und Fernsehproduktionen die Rede. Und es kommen immer noch neue dazu.
Ja, obwohl ich älter werde, ich habe wirklich großes Glück! Tatsächlich habe ich ein einziges Mal in meinem Leben meine Theaterrollen gezählt, ich war ja 23 Jahre nur am Theater. Die Zahl finde ich aber gar nicht so interessant, sondern dass man sich an die Rollen erinnert.
An welche von Ihren Film- und Fernsehrollen erinnern Sie sich denn gern?
Die Christa Lubanski in „Das Wunder von Bern“, ganz klar. Der Film war meine Eintrittskarte ins Fernsehen. Mit allem Drum und Dran ist das für mich immer noch die wesentlichste Filmrolle. Die Marita Baumanns in „Eher fliegen hier Ufos“ ist jetzt aber an die zweite Stelle vorgerückt. Den Film haben wir über fünf Jahre gedreht, diese Arbeit hat eine große Bedeutung für mich.

Sie haben dafür den Deutschen Schauspielpreis bekommen. War das eine Bestätigung der Arbeit?
Es ist mein dritter Preis und das finde ich irgendwie schön, dass es jetzt drei sind. Aber eine Bestätigung? Es ist einfach ein Herzensfilm gewesen. Die Arbeit mit Regisseur und Autor Ingo Haeb, sein Einsatz, und der vom ganzen Team – das war schon was Besonderes. Wenn das belohnt wird, ist das eine extra große Freude, das muss ich wirklich sagen. Und wenn ich dann noch so schöne Nebenrollen spielen darf wie jetzt in „Like A Loser“ … Ich habe oft so einen Spaß bei der Arbeit, das können Sie sich gar nicht vorstellen!
In „Like A Loser“ spielen Sie Dagmar, die Mutter der Hauptfigur. Was ist das Besondere an ihr?
Dagmar hat einen richtig guten Humor, den teilt sie hoffentlich mit mir. (lacht) Sie ist ein warmer Mensch und sehr neugierig. In der zweiten Staffel fängt sie ein bisschen neu an, sie ist frisch verliebt. Sie steht mit beiden Füßen im Leben – nur mit ihrem Sohn, da hat sie vielleicht nicht alles richtig gemacht.
Ihren Sohn Julian fragt sie in einer Szene: „Wer hat dich eigentlich so schlecht erzogen?“ Was für eine Mutter ist Dagmar?
Man merkt schon an ihrer Frage, dass sie zu Selbstironie fähig ist. Sie weiß, dass sie das selbst verbockt hat, dass sie nicht unschuldig daran ist, dass Julian so verstrahlt ist. Sie hat ihm immer den Popo nachgetragen, sie hat versucht, ihm den Vater zu ersetzen und für ihn ein schönes Zuhause zu schaffen, obwohl sie arbeiten gegangen ist. Das gelingt allein nicht immer so doll, das ist ihr klar, aber das nimmt sie sich zum Glück nicht mehr so übel.
Eine Folge spielt in einer Therme. Den Saunameister spielt darin Filip Pavlović, der bisher eher aus dem Reality-TV bekannt ist. Wie war das?
Er ist so ein netter junger Mann, ein wirklich guter Typ. Und für einen Laien hat er das sehr gut gemacht – da gibt es so manchen professionellen Kollegen, dem ich sagen würde: „Guck mal, wie der das macht.“ Das ist jetzt frech von mir, aber ja, das könnte schon vorkommen.

Kannten Sie Filip Pavlović vorher?
Ich sage mal vorsichtig: Ich weiß schon, wer im Dschungel ist … Nicht, dass ich das sehr exzessiv gucke, aber ich schaue immer mal rein und weiß in der Regel auch, wer gewinnt. Filip war ganz bescheiden und freundlich und lustig, sehr angenehm. Er führte sich auch nicht auf, als wär er jetzt der King Curry, weil er mal „schauspielert“. Bei dem Wort stellen sich mir immer ein bisschen die Nackenhaare auf … Er hat immer betont: „Ich bin kein Schauspieler.“
Sie haben schon gesagt, dass Ihnen Ihre Arbeit Spaß macht – was macht bei „Like A Loser“ Spaß?
Ich liebe diese Produktion, und ich lobe immer die Produktionsfirma ITV, weil die sich so besonders gut um alles kümmern. Die erste Staffel haben wir während der Corona-Zeit gedreht, sie haben es geschafft, dass wir sogar ein Fest feiern konnten unter Corona-Bedingungen. Sowas erlebt man nicht so oft. Das ist ein Grund. Dann ist die Serie einfach sehr lustig. Und die Darsteller! Mit Ben, Diyar und Tinka spiele ich wahnsinnig gerne. Ich habe da kein Problem zu denken, dass das meine Familie ist. Das sind wirklich tolle junge Leute. Man ist manchmal einfach auf einer Wellenlänge, aber gleich mit drei Kollegen, das ist schon erstaunlich. Die Rolle ist für mich ein absoluter Glücksfall.
Glauben Sie, eine dritte Staffel wäre möglich?
Oh ja, bitte! Ich weiß, dass alle sparen wollen, aber ich hoffe sehr, dass es weitergeht, und ich bin mir sicher, dass noch schöne Drehbücher folgen könnten. Wir wären jedenfalls alle dabei.
In der aktuellen Staffel fängt Dagmar an, ihr Haus zu renovieren, weil sie es so trutschig findet.
In der ersten Staffel habe ich immer gefragt: Wieso wohnt die so? Mit diesen alten Möbeln? Ich glaube, das wurde mir zuliebe ins Drehbuch geschrieben, weil ich das auch beklagt habe.
Sind Sie eine Heimwerkerin?
In der Zeit, hat mein Mann immer in München war, um den „Alten“ zu drehen, habe ich wirklich einiges gemacht. Aber jetzt, wo er wieder da ist, rufe ich ihn, wenn was zu tun ist. Ich kann es auch versuchen, aber es ist nicht der Traum meiner schlaflosen Nächte. (lacht)
Hat sich Ihr beider Leben zum Positiven verändert, seit er beruflich kürzer getreten ist?
Was heißt zum Positiven verändert? Wir haben uns immer gut arrangiert mit allem, weil wir gute Gründe hatten für unsere Entscheidungen. Wir haben auch immer zusammen entschieden, wer was macht, vor allem wegen des Kindes. Jetzt ist wieder alles neu: Das Kind ist nicht mehr im Haus und ein anderer spielt den „Alten“. Aber das ist eigentlich eine schöne Sache, dass man sich wieder neu zusammenfindet.
Sie haben sich am Theater kennengelernt. Standen Sie auch mal zusammen vor der Kamera?
Wir haben das vermieden, weil immer einer bei unserem Kind war, und irgendwann hat dann keiner mehr gefragt. (lacht) Aber zweimal ist es tatsächlich passiert. In „Eine Insel namens Udo“ haben wir ein Ehepaar gespielt und in „Halt mich fest“ gab es sogar eine Einstellung mit unserem Sohn. Er war auf dem Arm und musste sein Eis abgeben – immer wieder, weil man ja alles zig Mal dreht. Er war so süß, hat überhaupt nicht geweint oder gemeckert. Ich muss dieses Dokument mal besorgen für Leo.
Wie man hört, sind Sie eine leidenschaftliche Gärtnerin?
Eine Gärtnerin bin ich leider nicht, da fehlt mir der richtig schöne grüne Daumen. Aber ich liebe meinen Garten! Ich kümmere mich um ihn und lasse mir einmal im Jahr auch dabei helfen.
Ist es ein großer Garten?
Er hat etwa 850 Quadratmeter. Ich könnte dort bestimmt den ganzen Tag arbeiten, das mache ich aber nicht. Der hat gewisse Strukturen, aber auch ein bisschen Wildheit. Ich mag ihn und gucke ihn gerne an, aber ich denke dabei nicht, hier musst du noch Unkraut zupfen und dort musst du was anderes pflanzen. Ich bin da ganz entspannt, und wenn ich mal keine Zeit habe, dann sieht er eben ein bisschen wilder aus. Hauptsache, die Bienen sind glücklich.
Eine andere große Leidenschaft von Ihnen ist Fußball. Sie und Ihr Mann sind Ehrenmitglieder bei Bayer Leverkusen. Wie viel Zeit verbringen Sie im Stadion?
Gar nicht so viel, weil mein Mann jetzt ja wieder mehr da ist. Wir haben seit über 20 Jahren zwei Dauerkarten. Unser Sohn geht zu den Spielen, das ist ganz klar, und einer von uns begleitet ihn. In der Saison, in der wir Meister geworden sind, war er in den USA – da konnten wir immer beide gehen. Das war so schön! Unvorstellbar schön! Und dann auch noch der Pokalsieg – die ganze Stadt ist aufgeblüht, das war herrlich.
Die Stadt Leverkusen kennen viele Menschen tatsächlich nur durch den Fußball. Was gibt es da noch Schönes?
Es sollen bloß nicht alle herkommen! (lacht) Alle denken, dass es hier nur Bayer gibt, aber das ist natürlich Blödsinn. Wir wohnen im Grünen am Wald in einer wirklich schönen Wohnsiedlung, wo jeder machen kann, was er will, und trotzdem alle rücksichtsvoll sind. Die Menschen sind freundlich. Ich habe alles, was ich brauche. Und ich bin auch schnell in Köln. Es ist ein gutes Leben hier. Und nicht so schöne Straßen, die gibt es ja wohl in jeder Stadt. Aber Hamburg, wo ich geboren bin, ist und bleibt meine Heimat und ist für mich die schönste Stadt in Deutschland. Aber ich habe auch nicht alle Städte gesehen …
Aber Freiburg haben Sie zum Beispiel gesehen, dort haben Sie zwei Breisgau-Krimis gedreht.
Ja, das war schön – und schade, dass es nur zwei Filme waren. Ich hätte auch auch gern weitergemacht. Da waren großartige Leute dabei. Ich habe wirklich eine Affinität zu Freiburg, auch wegen des Fußballvereins und dieses tollen Trainers und Menschen Christian Streich. Der ist ja zwar nicht mehr da, aber Julian Schuster, der Neue, ist auch gut.