Herr Appelt, wie kommen Sie zu Ihren Auftritten, mit der Bahn oder dem Auto?
Ich liebe das Autofahren, weil ich da für mich allein bin. In der Bahn sind zu viele Menschen. Zu Hause kann ich schon nicht rumschreien, dabei simuliere ich ganz gerne Interview-Situationen oder mach mal den Grönemeyer. Aber so ein Altbau ist sehr hellhörig und im Zug würde ich damit wahrscheinlich auch eher unangenehm auffallen. Obwohl, zu Hause mach ich das mittlerweile trotzdem.
Ich habe einen Nachbarn, der spielt Klavier – und zwar ganz schlecht. Er ist der schlechteste Klavierspieler, den ich je gehört habe. Ich kann ganz gut Klavier spielen, deshalb nervt mich das. Manchmal würde ich am liebsten rübergehen und ihm das beibringen oder sagen: Kauf dir ein E-Piano und setz dir Kopfhörer auf! Ich habe früher ganz gern auf der Bühne Klavier gespielt, das dann aber weggelassen, weil es in der Pandemie technisch so aufwendig war. Es war eigentlich auch immer so ein Angeber-Ding. (lacht) Ein bisschen Paolo Conte, vielleicht ein kleiner Udo Lindenberg und Konstantin Wecker dazu. Fünf Minuten, um der Damenwelt zu zeigen, was ich kann.
Vermissen Sie das Klavier?
Nein, es hat sich bewährt, dass ich mein Programm durchspiele. Ich bin dadurch sehr schnell geworden und renne quasi atemlos durch den Abend. Das Klavierspielen würde mich nur bremsen. Ich habe es mit Playback versucht und dazu gesungen, aber seien wir ehrlich: Meine Stand-up-Comedy ist besser. Ich bin auch schon ganz aufgeregt, weil ich gleich auf die Bühne muss …
Wie äußert sich die Aufregung?
Ich stehe so unter Anspannung! Live ist das alles ja was ganz anderes, erst recht, wenn einem die Leute quasi auf dem Schoß sitzen. Fernsehen ist viel distanzierter, da weiß man genau, was man tun muss. Live kann alles passieren. Ich mache zwei, zweieinhalb Stunden Maschinengewehr und haue alles raus, was sich in den vergangenen 35 Jahren angesammelt hat und mir am Herzen liegt. Ich improvisiere jedes Mal – das ist ein Patchwork-Programm. Heute spiele ich ganz anders als gestern. Manchmal könnte ich locker noch eine Stunde weitermachen, weil ich so viel Programm habe.
Hat sich eigentlich das Publikum verändert seit Ihren Anfängen?
Wir leben in einem Zeitalter der absoluten Gleichzeitigkeit von allem. Hier große Empfindlichkeit, dort absolute Verrohung. Auf der einen Seite Donald Trump und „Ausländer raus!“, auf der anderen Seite sind alle lieb zueinander und wenn du nicht genderst, bist du ein Arschloch. Ich merke schon, dass gerade die älteren Leute das Bedürfnis haben, die Sau rauszulassen. Ich bin jetzt wieder genau da, wo ich in den 90ern angefangen habe – der Tabubrecher. Ich frage das auch vor dem Auftritt ab, ob die Leute es politisch korrekt wollen.

Und was antworten sie?
„Nein!“ Mein Programm ist eine Art Anti-Aggressions-Therapie, da kann einfach mal alles raus. Kinder sind doof, Trump ist doof und überhaupt die ganze Politik. Ich bin ein alter Sozialdemokrat und ich hänge an meiner Demokratie – aber die geht gerade vor die Hunde und das regt mich total auf. Die Leute verlangen so viel von der Politik, ohne selber etwas zu leisten. Ich bin Mitglied einer Partei, das ist ein erkämpftes Recht. In Deutschland sind nur noch knapp eine Million Menschen in einer Partei. Die SPD hatte allein mal eine Million Mitglieder, jetzt sind es 350.000 und die sind sehr alt und sehr männlich. Das ist schon bitter.
Woran liegt‘s?
Die Arbeiterschaft wandert uns ab. Ich bin selber ein Arbeiterkind und habe Maschinenschlosser gelernt. Aber die SPD hat mich als Arbeiter nie wirklich akzeptiert – weil in der Führung nur Akademiker sitzen.
Der Austritt ist keine Option?
Ich gehe mit dem Schiff unter! Ich war Gewerkschafter, ich glaube an die Sozialdemokratie. Sie ist nämlich das, was wir eigentlich alle wollen. Das Parlament ist wie ein schlechtes Fußballspiel, weil sieben Mannschaften auf dem Platz stehen und keiner weiß, wohin er spielen soll. Es wird alles kaputt diskutiert, jeder darf mitreden und alle beschweren sich, dass man in diesem Land nicht mehr sagen dürfe, was man denkt. Aber man darf alles sagen – und das ist das Problem, dass auch wirklich alles gesagt wird.

Gibt es Themen, die Sie in Ihren Programmen absichtlich weglassen?
Bei mir kriegt jeder sein Fett weg. Man muss natürlich gucken, was das Publikum möchte. Ich bin da anpassungsfähig. Aber wenn da nur grölende, aggressive Männer sind, ist es schwierig. Grundsätzlich sind die jungen Leute diejenigen, die sagen: Das ist mir nicht woke genug. Die Alten wollen, dass ich draufhaue. Manche kommen einfach nicht mehr, die einen, weil ich ihnen zu sehr, die anderen, weil ich ihnen zu wenig auf die Kacke haue. Manchmal komme ich nicht hinterher, mit all den Veränderungen, mit der TikTokisierung des Lebens. Alle schreien sich an, es herrscht eine permanente Aggression. Und dann diese Männer, die breitbeinig durch die Welt laufen …
Machen Sie in Südbaden eigentlich auch Witze über Schwaben?
Sowas mache ich grundsätzlich nicht. Klar, da kann mal ein Spruch kommen. Aber ich meine, man sollte sich über das lustig machen, was man selber ist. Als ich „Der dressierte Mann“ von Esther Vilar gelesen habe, war das für mich eine Offenbarung – eine Frau, die sich bitterböse über Frauen aufregt, was für faule und dumme Wesen das eigentlich sind – und wie toll dagegen Männer sind. Das ist typisch für uns Menschen, dass wir immer jemanden suchen, dem wir die Schuld zuschieben können. Am Ende heißt das: jeder gegen jeden.
Ich bin der Meinung, dass es richtig ist, wenn ich mich als Mann über meine Artgenossen aufrege. Was mir manchmal auf die Nerven geht, ist, wenn sich Frauen immer über Männer lustig machen. Macht euch doch mal über euch selber lustig! Mein Traum ist, dass alle Menschen am Lagerfeuer übereinander herziehen und am Ende lachend in der Ecke liegen. Das wird nicht passieren, keine Angst. Die Menschen sind so nicht gebaut.
Treten Sie lieber auf kleinen oder großen Bühnen auf?
Es hat beides was für sich. Große Hallen sind gut fürs Ego und meinen Geldbeutel, aber es ist distanziert. In kleinen Clubs sieht man jede Reaktion im Publikum sofort. Das ist mir grundsätzlich lieber, weil es mir auf die Reaktionen ankommt. Es geht mir gar nicht darum, immer einen Lacher zu haben.

Sondern?
Wenn ich sage „Männer, wir müssen alle ein bisschen schwuler werden“, dann wird es sehr ruhig im Saal, da lacht niemand. Die Reaktion ist für mich immer ein Stück Ehrlichkeit. Es gibt Männer, die sind tendenziell homophob, auch wenn sie das nicht gerne zugeben. Wenn ich zu einem Mann in der ersten Reihe sage „Du bist doch schwul, oder?“ und die Panik in den Augen sehe, weiß ich ganz genau, was los ist. Sie haben eine unfassbare Angst davor und ich glaube, das liegt an der kriegerischen Grundhaltung. Männer töten Männer, sie dürfen sie nicht lieb haben. Echte Männerfreundschaften sind sehr eng, aber sehr selten. Männer tun sich meistens gegen etwas zusammen. Was sie auszeichnet, ist ihre Ungeduld.
In welchen Situationen?
Ein Beispiel: Ein Mann kommt in einen Laden, will eine Frau auf ein Getränk einladen, sie sagt Nein und wird beschimpft. Es geht von einem Extrem ins nächste, und das passiert bei Männern sehr häufig. Es gibt die Incel-Bewegung von unfreiwillig zölibatär lebenden Männern, die in ihrem Leben noch nie eine Frau abbekommen haben, ihrer Meinung nach, weil sie hässlich sind, weil sie kein Geld haben, weil sie Nerds sind. Das macht sie total sauer. Aber anstatt was an sich zu machen, gehen sie in eine Frauenfeindlichkeit über.
Da könnte ich auch sagen: Ich kann mir keinen Porsche leisten, also zünde ich ihn an. Männer sind zerstörerisch. Das sehen wir momentan weltweit: Es ist die Lust an der Zerstörung, die Putin antreibt, es ist die Lust an der Zerstörung, die Musk und Trump antreibt. Und die Hälfte der Bevölkerung zieht mit. Das Allerschlimmste ist für mich, dass solche Männer unglaublich viele Frauen als Fans haben. Wie kann man so blöd sein?
Welcher Comedian bringt Sie eigentlich zum Lachen?
Keiner. Ich kann mir doch keine Comedians angucken! Ich esse als Koch ja auch nicht bei anderen. (lacht)
Warum denn das?
Wenn es mir nicht gefällt, dann finde ich es doof, und wenn es richtig gut ist, dann bin ich neidisch. (lacht) Es gibt natürlich Leute, die ich bewundere. Dieter Nuhr zum Beispiel finde ich sehr gut. Er ist inhaltlich und vom Sprachduktus her das genaue Gegenteil von mir, trotzdem sind wir uns in vielen Thesen einig und ich höre ihm gerne zu. Ich mag auch Torsten Sträter sehr gerne, weil er so eine literarische Art hat zu sprechen. Es ist nicht meins, mit einer Mütze auf der Bühne zu stehen und so langsam und so leise zu reden, aber ich finde das bei ihm gut. Mario Barth mag ich auch, er ist mir gefühlt aber zu ähnlich, das ertrage ich dann leider oft nicht. (lacht) Wen ich wirklich lustig finde, ist Ilka Bessin, weil sie so gnadenlos ist. Das hat auch Carolin Kebekus zum Teil drauf, diese Derbheit.
Sind sind auch durch Ihre Parodien bekannt geworden. Was gibt das aktuelle politische Personal her?
Ich hab mir Olaf Scholz vorgenommen, das ist okay, aber viel machen kann man mit dem nicht. Ich mache mich eigentlich über seine Unlustigkeit lustig. Aber der ist jetzt ja auch schon wieder weg – und Friedrich Merz möchte ich nicht parodieren. Ihm habe ich zu verdanken, dass ProSieben 2000 die „Ingo Appelt Show“ abgesetzt hat. Ich hatte mit Babypuppen Fußball gespielt, die CSU-Frauen fanden das kinderfeindlich. Friedrich Merz ist damals zum Sender gegangen und hat gesagt: Der Appelt muss weg. Das nehme ich ihm sehr übel.

Als gelernter Maschinenschlosser, sind Sie zu Hause fürs Handwerkliche da?
Ja, natürlich. Was ich nicht kann, ist Leitern hochzuklettern. Ich kriege im Alter Höhenangst, nach vier, fünf Sprossen ist Schluss. Aber ich habe eine 3,80 Meter hohe Decke im Badezimmer, in der drei von zehn Spots ausgefallen sind. Jetzt muss ich warten, bis mein Sohn kommt. Er ist 21 und macht eine Schreinerlehre. Mein anderer Sohn ist eher ein Künstler. Sie sind nur zwei Jahre auseinander, haben die gleichen Eltern und sind total unterschiedlich. Da merkt man: Mit Erziehung kann man viel erreichen, aber nicht alles.
Waren Sie, als Ihre Söhne jünger waren, mal auf einem Elternabend?
Ja, und ich hab‘s gehasst. Selber Eltern zu sein ist gut, aber andere Eltern … Ich muss allerdings dazu sagen, dass das an einer Waldorfschule war. Meine Kinder waren zuerst auf einer katholischen Dorfschule, aber dort ging es nur um Leistung. Also Waldorfschule. Das war so etwas wie eine alternative Privatschule, an die die Leute ihre Kinder gebracht haben, die keinen Bock auf die katholische Grundschule hatten. Später waren die Kinder in Köln auf einer Waldorfschule. Auf dem Dorf waren die Eltern moderat, nett und freundlich. In der Stadt waren die Radikalen, die Anthroposophen mit den gefilzten Kleidern. Die gingen mir wirklich auf die Nerven. Wenn man den Kindern da mal eine Milchschnitte mitgegeben hat …
Sie treten am 24. Mai in Radolfzell auf, kürzlich waren Sie in Konstanz und Friedrichshafen. Schauen Sie sich die Städte, in denen Sie zu Gast sind, an?
Ich spiele hier seit ein paar Jahren und immer gern. Ich kenne Konstanz auch ganz gut, weil ich hin und wieder privat dort bin. Ich habe Verwandte in der Schweiz, deshalb bin ich öfter in der Gegend. Ich war früher auch mal mit den Kindern hier. Wir haben uns Konstanz angeschaut, waren aber auch am Rheinfall und im Europa-Park.