Herr Lafer, was gab es bei Ihnen heute zum Frühstück?

Ich esse schon seit Monaten, eigentlich seit Jahren morgens immer Haferschleim, mit Wasser gekocht. Aus Vietnam habe ich mir einen wunderbaren natürlichen Zimt mitgebracht. Und dazu esse ich ein bisschen Obst. Das ist das Paradies! Davon esse ich eine große Schale. Ich esse das auch deshalb so gern, weil ich lange Probleme mit zu viel Magensäure hatte, aufstoßen musste und oft Sodbrennen hatte. Ich habe gemerkt, dass das für mich a) eine sehr gute Grundnahrung ist und b) meine Magenschleimhaut sich damit erholt hat.

Hirse-Porridge mit Apfel-Zimt und Cranberrys – für Johann Lafer das ideale Frühstück.
Hirse-Porridge mit Apfel-Zimt und Cranberrys – für Johann Lafer das ideale Frühstück. | Bild: Verlag Gräfe und Unzer

Sie haben Ihre Ernährung komplett umgestellt, um die durch Ihre Arthrose bedingten Schmerzen loszuwerden – mit Erfolg. Hat es Sie als erfahrenen Koch überrascht, was das richtige Essen alles bewirken kann?

Ich stand 45 Jahre in der Küche und habe praktisch nie über meine Gesundheit nachgedacht. Für mich war das Ziel: Wie kann ich den Gast glücklich machen? Was kann ich tun, um in der Konkurrenz zu bestehen? Ich habe auch nie daran gedacht, den Leuten zu sagen: Jetzt esst ihr bei mir gesund oder jetzt mache ich euch was gegen die Schmerzen. Das hat ja niemanden interessiert, im Gegenteil – die Gäste wollten ein vollumfängliches kulinarisches Erlebnis haben.

Aber ich selbst habe irgendwann erkannt, durch meine Erfahrung, aber auch durch den sehr ernst gemeinten Hinweis meiner Ärztin Petra Bracht: Wenn ich etwas ändern will, dann muss ich etwas dafür tun. Ja, es gibt Schmerztabletten, es gibt eine Operation, aber es gibt eben möglicherweise auch die Chance, durch die Ernährung etwas zu verändern. Ich habe versucht das ernst zu nehmen, weil ich ja wollte, dass es mir besser geht.

Wie schwer ist Ihnen die Ernährungsumstellung gefallen?

Ganz schwer. Ich habe auch nicht daran geglaubt – ich habe ehrlich gesagt anfangs sogar gedacht, dass ich irgendwelchen Scharlatanen aufgesessen bin, die wollen, dass ich mich ihrer Philosophie unterwerfe. Ich fragte mich: Was wollen die denn von mir? Denn bis dato wurden ja so viele Kochbücher von mir verkauft, in denen ich Rezepte für Schnitzel oder Rindsrouladen vorgestellt habe mit allem, was dazugehört. Und dann sollte ich auf einmal kein Fleisch mehr essen? Ganz viele Dinge haben mir ja einfach gut geschmeckt – auf die zu verzichten, das war ein Problem.

Und wie haben Sie es letztendlich geschafft?

Dafür waren mehrere Dinge entscheidend. Auch Stress hat bei mir immer eine große Rolle gespielt. Das kennt jeder: Man kommt abends nach Hause, isst ein paar Scheiben Wurst und trinkt dazu noch das eine oder andere Glas Rotwein, um runterzukommen. Man will sich beruhigen, weil man einfach fertig ist. Das ist oft auch eine Frage der Belohnung. Bei mir kamen zu Belohnung und Beruhigung auch noch die Schmerzen hinzu. Das war relativ viel, die Spirale wurde immer enger. Nachdem ich wegen meiner Arthrose am Knie operiert worden war, habe ich mich gefragt: Was machst du jetzt? Warten, bis die nächste Operation kommt und dann wieder sechs Monate ausfallen? Oder gibt es noch eine andere Möglichkeit?

Und die gab es?

Ich hatte ein Schlüsselerlebnis. Ich war mit meiner Cousine in Österreich zum Wandern. Auf einer Anhöhe in Innsbruck sagte sie: „Seitdem ich die Übungen von Liebscher-Bracht mache, geht‘s mir besser.“ Was für Übungen? Ich hatte noch nie etwas davon gehört. Dann habe ich mir die Videos angesehen und habe dann auch einen Termin bei Petra Bracht und Roland Liebscher-Bracht in Bad Homburg bekommen. Sie haben mir knallhart erklärt, was ich tun muss.

Das Buch „Kochen gegen Schmerzen“ von Dr. Petra Bracht, Johann Lafer und Roland Liebscher-Bracht ist im Verlag Gräfe und ...
Das Buch „Kochen gegen Schmerzen“ von Dr. Petra Bracht, Johann Lafer und Roland Liebscher-Bracht ist im Verlag Gräfe und Unzer erschienen. | Bild: Verlag Gräfe und Unzer

Am Anfang habe ich gedacht, dass ich schreien muss vor Schmerzen, weil Roland Liebscher-Bracht bei der Behandlung so fest gedrückt hat. Das tat mehr weh als vorher! Was sollte das? Das war für mich einfach alles neu: Von den Faszien, diesen Bindegewebsstrukturen, die Muskeln und Organe umhüllen, hatte ich vorher noch nie etwas gehört. Dann sagte Petra Bracht, ich solle anfangen, vegan zu leben.

Und dann?

Ich habe ein bisschen angefangen und hatte dann gleich einen Shitstorm, weil ich im Fernsehen eine Lammkeule gegrillt habe. Viele haben sich aufgeregt und gesagt: „Der verarscht uns. Erzählt was von veganer Ernährung und grillt dann Lammkeule.“ Das war ein sehr holpriger Start, aber ich hatte keine Alternative.

Also habe ich weitergemacht und habe mich immer mehr daran gewöhnt, wenig tierische Produkte zu essen. Unsere Kinder wollten von sich aus möglichst wenig Fleisch und möglichst wenig Fisch essen. Und ich bin ja Koch und habe Erfahrung, wenn ich jemandem mit veganem Essen eine Freude machen kann – warum nicht? Zwischen fünf und zehn Prozent der Leute essen heute bei Veranstaltungen vegetarisch oder vegan. Mindestens. Früher waren das Einzelfälle. Da habe ich in der Küche immer gesagt: Wir können auf Einzelschicksale keine Rücksicht nehmen. Das muss man sich mal vorstellen! (lacht)

Und wie kam es zum Kochbuch?

Ich habe angefangen, das zu dokumentieren, und alles aufgeschrieben. Beim Kochen habe ich überlegt: Womit kann ich mir eine Freude machen? Was ist quasi eine Ersatzbefriedigung für den Verzicht auf Fleisch? So sind Gerichte entstanden, die mir auch heute noch sehr viel Spaß machen. Und es geht mir besser. Das ist das Entscheidende. Der Weg ist das Ziel und nicht umgekehrt. Ich habe damals gesagt: Schau‘n mer mal.

Aber man muss auch ganz deutlich sagen: Wer glaubt, nach drei Wochen gesundem Essen sind die Schmerzen weg, der täuscht sich. Das funktioniert nicht, es ist ein kompletter Wandlungsprozess. Das hat etwas mit Umgewöhnung zu tun, aber zum Beispiel auch mit dem Stoffwechsel. Ich werde dieses Jahr 66, ich kann essen und trinken, ich kann Auto fahren, ich kann spazieren gehen – und das ist gut. Denn was nützt es, wenn man mit den Kindern in den Urlaub fährt und nur auf dem Liegestuhl liegt? Man will doch vital sein, Lebensqualität haben. Ich zumindest will das und deshalb mache ich weiter.

Johann Lafer bereitet Essen am liebsten aus frischen Lebensmitteln zu.
Johann Lafer bereitet Essen am liebsten aus frischen Lebensmitteln zu. | Bild: Ulrich Perrey

Was sind die Grundregeln beim Essen gegen Schmerzen?

Auf jeden Fall sollte man dem Körper Pausen gönnen. Zweitens muss man herausfinden, was dem Körper guttut, was satt macht. Ich habe für mich festgestellt, dass Haferschleim wirklich etwas Besonderes ist. Das tut mir gut, das hilft mir. Was auch ganz wichtig ist: keine Zusatzstoffe, keine E-Nummern, sondern frische Lebensmittel verwenden. Und bitte schön, die kosten doch nicht so viel!

Ich habe lange für die Tafel gearbeitet und viele Leute wollten immer Dosen und Gläser, weil sie zum Beispiel kein Rotkraut selber zubereiten wollten. Aber wenn ich gesunde Mikronährstoffe zu mir nehmen möchte, dann muss ich sie aus frischen, saisonalen Lebensmitteln zu mir nehmen und nicht aus solchen, die für Jahre haltbar gemacht worden sind. Was spricht dagegen, im Sommer eine schöne Schale frische Erdbeeren zu essen? Gar nichts. Was spricht dagegen, eine schöne Suppe aus Linsen zu kochen mit Kürbis oder Süßkartoffeln? Null.

Das ist aber natürlich mit mehr Aufwand verbunden als der Griff zur Dosensuppe.

Ja, aber von nichts kommt eben nichts.

Essen Sie eigentlich überhaupt kein Fleisch mehr?

Wenn ich Fleisch esse, dann muss es etwas Besonderes sein, es muss etwas hermachen. Sonst kann man das vergessen. Ich möchte beim Essen kein schlechtes Gewissen haben. Unsere Kinder sind für mich das Regulativ. Die fragen immer: Wo kommt das her? Was auch wichtig ist – und das ist ein Appell: Wir müssen unsere regionalen Erzeuger unterstützen. Das gilt beim Kauf von Fleisch genauso wie bei Obst und Gemüse. Ich würde meinen Köchen die Finger abschlagen, wenn ich sehe, dass es beim Bauern um die Ecke frische Kirschen gibt und sie sie aus Spanien bestellen. So etwas macht mich wahnsinnig.

Ich bin auch bereit, für die regionalen Kirschen mehr zu zahlen, weil ich weiß, dass Kirschenpflücken eine Schweinearbeit ist – ich bin ja auf dem Bauernhof großgeworden. Als wir Kinder waren, gab‘s nur einmal die Woche Fleisch. Sonst gab es das, was wir gerade hatten. Wie schön ist zum Beispiel ein Wirsinggemüse mit Kartoffeln? Das hat man früher unbewusst richtig gemacht.

Vegane Königsberger Klopse – natürlich mit Kapern.
Vegane Königsberger Klopse – natürlich mit Kapern. | Bild: Verlag Gräfe und Unzer

Im Kochbuch „Essen gegen Schmerzen“, das Sie mit Petra Bracht und Roland Liebscher-Bracht herausgebracht haben, gibt es zum Beispiel ein Rezept für vegane Königsberger Klopse. Welche Lebensmittel machen dieses und andere Gerichte so gesund?

Ganz viel Tofu, Bohnen, Getreideprodukte wie Hirse oder einfach nur Gemüse. Ich denke da an das gegrillte Steak aus Aubergine mit Teriyaki-Sauce. Dazu ein Salat aus Melone, Grapefruit und Tomate mit Granatapfelkernen, dazu vielleicht Couscous mit Minze und Gurke. Das schmeckt sensationell! Und es fehlt auch nichts. Es gibt so viele Gemüsesorten, so viele Gewürze und Kräuter, so viele gute Öle – wenn man mit diesen Komponenten spielt, dann bekommt man wunderschöne Ergebnisse.

Gibt es – außer Fleisch – Lebensmittel, die Sie nur noch sehr selten oder gar nicht mehr in der Küche verwenden. Weißen Zucker zum Beispiel?

Den benutze ich nur ganz wenig. Ich nehme stattdessen Agavendicksaft oder Kokosblütenzucker – diese Produkte sind auch nicht perfekt und man sollte auch davon nicht zu viel essen, aber wenn man etwas Süßes will, dann sind sie immer noch besser als Industriezucker.

Auch beim Fett passe ich auf. Wenn man allein mal überlegt, wie viel Butter man isst! Das fängt morgens beim Frühstück an. Dann gibt es mittags vielleicht etwas, das in Butter angebraten wurde, und abends vielleicht ein Butterbrot. Man muss das auf ein Minimum reduzieren. Stattdessen kann man einen schönen Gemüseaufstrich machen – Auberginen in der Pfanne rösten, Minze dazu und daraus eine Paste machen, fertig. Oder Falafel mit Olivenöl, ein bisschen Chili dazu – das schmeckt sensationell. Und auch hier: Es fehlt einem nichts. Wichtig ist auch beim veganen Essen nur: Es muss schmecken.

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Als kleiner Junge wollten Sie kochen lernen, Fußballstar werden, auf einer Burg leben und Hubschrauberpilot sein. Bis auf die Karriere als Fußballer haben Sie alles erreicht. Was wünschen Sie sich noch vom Leben?

Wenn man in der Situation ist, dass man genug zu essen und zu trinken hat, wenn man in einer Umgebung lebt, in der man keine intensiven psychischen Probleme hat, weil man sich zum Beispiel mit jemanden nicht versteht, dann bleibt nicht mehr viel übrig, das man sich wünschen könnte. Für mich sind das Situationen, die ich erleben möchte, weil ich sie so in meinen 45 Jahren intensiver Arbeit nicht erleben konnte, weil ich keine Zeit hatte.

Und ich möchte anderen Menschen Mut machen, dass sie einen bestimmten Aufwand für ihr Glück betreiben müssen. Man muss an sich selber und sein Ziel glauben und den inneren Schweinehund ausschalten. Man muss optimistisch sein und nicht nach 14 Tagen sagen, ich merke noch nichts, und aufgeben. Man kann 20 Jahre Fehlverhalten nicht in 14 Tagen wieder gut machen. Das funktioniert einfach nicht. Es ist ein Lernprozess, sich bewusst zu machen, dass Essen und Trinken die Basis unseres Seins sind. Und Essen ist für mich nur dann gut, wenn es mit Liebe gekocht ist, wenn es mich berührt. Wenn ich etwas esse und einen Tag später davon nichts mehr weiß, ist es Nahrungsaufnahme, mehr nicht.

Wenn Sie heute noch mal am Anfang Ihres Berufslebens stünden: Würden Sie wieder Koch werden?

Ja. Ich habe viele Situationen in meinen Leben gehabt, wo ich wirklich deprimiert und am Boden zerstört war, weil Erfolge ausblieben oder Situationen schwer meisterbar waren. Aber nach 14 Tagen des Negativdenkens habe ich mir jedes Mal überlegt: Was würde ich stattdessen mit genauso viel Leidenschaft, mit genauso viel Freude machen? Wo würde ich jeden Tag hingehen wollen? Ich habe nichts anderes gefunden als das Kochen.

Was für mich immer ganz wichtig war, auch wenn es manchmal eine Herausforderung ist, ist die Selbstständigkeit: Entscheidungsfreiheit zu haben und die Verantwortung zu tragen für das Gute und das Schlechte.