Herr Koeberlin, die „Hartwig Seeler“-Filme sind keine klassischen TV-Krimis. Auch im aktuellen Fall „Ein neues Leben“ geht es nicht um die Suche nach einem Mörder, sondern um das Finden einer vermissten Person. Welchem Genre würden Sie die Reihe zuordnen?

Ich würde die Filme als Dramen mit Krimi-Elementen beschreiben. Was unsere Geschichten noch von üblichen Fernseh-Krimis unterscheidet, ist ihre ruhige Erzählweise. Das alles hat natürlich auch Spannungsbögen und Suspense, aber es werden andere Fragen gestellt als in klassischen Krimis. In den Fällen von Hartwig Seeler geht es ganz häufig um existenzielle Fragen. Unter dem Überbau des Privatdetektivs geht es ans Eingemachte, um menschliche Abgründe und im aktuellen Fall auch um tiefsitzende Ängste.

Was war an dieser Geschichte für Sie als Schauspieler reizvoll?

Im ersten Fall wurde ja erzählt, dass Hartwig Seeler als Privatdetektiv in erster Linie vermisste Personen sucht. Jetzt im zweiten Fall soll er umgekehrt jemanden verschwinden lassen. Und das fand ich einen sehr spannenden Aspekt: Mit den Kenntnissen, die Seeler als Spezialist im Finden hat, weiß er ja auch, wie er einen Menschen auf dessen Wunsch verschwinden lassen kann. Das ist quasi die 180-Grad-Drehung oder das Pferd von hinten aufgezäumt. Besonders reizvoll fand ich auch, dass die Grenzen zwischen Opfer und Täter wieder fließend sind. Die Geschichte ist sehr vielschichtig. Das Erzählte ist nie nur Schwarz und Weiß, sondern bleibt immer in Grautönen. So wie im wirklichen Leben auch.

Für „Ein neues Leben“ recherchiert Seeler auf der maltesischen Insel Gozo.
Für „Ein neues Leben“ recherchiert Seeler auf der maltesischen Insel Gozo. | Bild: ARD Degeto/Mark Cassar

Auch Seeler hat verschiedene Facetten: Er ist introvertiert und grüblerisch, gleichzeitig sehr empathisch. Wie würden Sie Ihre Filmfigur beschreiben?

Hartwig Seeler ist beruflich wie privat ein Suchender, der immer wieder an Grenzen stößt. Er hat viele Fragen, auf die er Antworten sucht, aber nicht immer findet. Deshalb hegt er große Sympathie für Menschen, die wie er Antworten finden möchten und sich nach einem Verständnis für das große Ganze sehnen.

Auch der tödliche, noch immer ungeklärte Unfall seiner Frau wirft viele Fragen auf und fordert ihn nachhaltig. Das macht ihn rastlos und lässt ihn an seiner Menschenkenntnis zweifeln. Er befindet sich ständig in einem inneren Zwiespalt. Er ist ein Getriebener, der sich nach Nähe, Liebe und Geborgenheit sehnt, aber auch ein sehr melancholischer, sehr zurückgezogener Mensch. Als Privatdetektiv und ehemaliger Polizist macht er sehr ruhig und sachlich seine Arbeit. Doch innerlich brodelt es ihn ihm.

Seeler handelt sehr intuitiv. Sind Sie selber auch eher ein Bauchmensch und lassen sich vor ihren Gefühlen leiten, oder setzen Sie lieber auf Ihren Verstand?

Tendenziell bin ich schon eher der Bauch-Typ. Ich entscheide vieles spontan, aus dem Bauch heraus. Im Beruflichen wie im Privaten. Ich verlasse mich da gerne auf meine Intuition. Bisher bin ich damit auch ganz gut gefahren. Natürlich quasselt der Kopf immer ein bisschen mit, aber das letzte Wort hat bei mir stets der Bauch.

Sie sind regelmäßig als Kommissar Micha Oberländer in der Krimireihe „Die Toten vom Bodensee“ zu sehen. Haben Sie inzwischen auch eine besondere Beziehung zu dieser Region entwickelt?

Ich mag den Bodensee sehr. Wir drehen ja dort bereits im achten Jahr, meist auf der österreichischen Seite, in Vorarlberg. Ich mag die Gegend und die Menschen dort wahnsinnig gerne. Im Lauf der Jahre ist diese Region für mich zu einer Art zweitem Zuhause geworden. Inzwischen habe ich dort auch einige zarte Freundschaften geschlossen.

Ich freue mich jedes Jahr immer sehr auf die Dreharbeiten am See. Wir drehen meist im Frühjahr, im April, Mai, Juni – also in einer wunderschönen Jahreszeit. Und am Bodensee gibt es immer wieder viel Neues zu entdecken. In Konstanz war ich bisher leider noch nicht, aber diese Seite des Sees möchte ich gerne noch kennenlernen.

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Was wünschen Sie sich für die nächsten Monate ganz besonders?

Da hab ich einen kleinen frommen Wunsch: Dass sich das ganze Pandemie-Geschehen in nächster Zeit ein wenig entspannt und wir alle ein bisschen mehr in Richtung Normalität steuern. Dass die meisten wieder ihrem Beruf nachgehen können. Dabei denke ich besonders an all die Kulturschaffenden und an die Gastronomie.