Es ist das erste Treffen dieser Art, das heute beginnt. Dreieinhalb Tage lang treffen sich die Vorsitzenden der 113 katholischen Bischofskonferenzen, der Ostkirchen, Ordensobere, die Chefs der Kurienbehörden mit Papst Franziskus, um über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche zu diskutieren. Nie zuvor hat sich die Führung der katholischen Kirche mit diesem Thema so gezielt auseinandergesetzt. Vor allem die Enthüllungen in Chile und in den USA im vergangenen Jahr hatten den Papst und seine Berater dazu bewogen, das Thema Missbrauch in der gesamten Kirche nun frontal anzugehen.

Von Betroffenen aus erster Hand hören

Angesichts der Größe und Bedeutung des Themas wirkt das Bischofstreffen kurz. Es zeichnen sich aber dreieinhalb intensive Tage in Rom ab. Zu Beginn der Konferenz mit dem unverfänglich klingenden Titel „Der Schutz von Minderjährigen in der Kirche“ sollen den Teilnehmern per Video Aussagen von Betroffenen aus allen Kontinenten der Welt vorgespielt werden. Auch während der Konferenz werden Opfer zu Wort kommen, Opferverbände planen Konferenzen und Mahnwachen in der Stadt.

Papst Franziskus hatte die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vor dem Treffen aufgefordert, Betroffene zu persönlichen Gesprächen zu treffen. So sollten auch diejenigen Bischöfe sensibilisiert werden, in deren Kulturkreisen man immer noch nicht über sexuellen Missbrauch spricht.

"Sexueller Missbrauch kommt auf der ganzen Welt vor"

Wie groß die Unterschiede weltweit bei der Wahrnehmung des Themas sind, war bei der Bischofssynode zum Thema Jugend im Oktober sichtbar, als sich vor allem Bischöfe aus Afrika und Asien, aber auch aus Italien dagegen wehrten, die Formulierung „null Toleranz“ im Hinblick auf Missbrauch in das Abschlussdokument aufzunehmen. „Sexueller Missbrauch ist nicht nur ein europäisches, angelsächsisches oder westliches Problem, sondern kommt auf der ganzen Welt vor, auch dort, wo nicht darüber gesprochen wird“, sagt der deutsche Jesuit und Psychologe Hans Zollner. Er ist einer der Organisatoren der Konferenz.

Eine definitive Lösung ist in dreieinhalb Tagen nicht zu erwarten

Die Erwartungen an das Treffen, das 18 Jahre nach den ersten großen Enthüllungen in den USA stattfindet, sind hoch. Die Männer des Papstes versuchen deshalb, die „übersteigerte Erwartungshaltung“ der Öffentlichkeit an die Konferenz kenntlich zu machen. „Wenn einer denkt, in dreieinhalb Tagen könne man das Problem definitiv lösen, ist das realitätsfern“, sagt Pater Federico Lombardi.

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Der ehemalige Vatikansprecher moderiert die Veranstaltung, die im Plenum, aber auch in Sprachgruppen stattfinden wird und dem von Franziskus bevorzugten Diskussionsformat einer Synode ähnelt. Ein Abschlussbericht mit konkreten Zielen, Forderungen oder Anordnungen ist allerdings nicht zu erwarten.

Bischöfe werden geschult

Der Papst wird vor der Messe am Sonntag ein Schlusswort halten. Im Vorhinein teilte der Vatikan mit, es sei wesentlich, dass die Bischöfe nach ihrer Rückkehr aus Rom „die anzuwendenden Gesetze kennen sowie die notwendigen Schritte unternehmen, um Missbrauch zu verhindern, sich um die Opfer zu kümmern und sicherzustellen, dass kein Fall vertuscht oder begraben wird“.

In den drei vollen Arbeitstagen sollen die Bischöfe vor allem im Umgang mit an sie gemeldeten Missbrauchsfällen geschult werden. Dabei spielt insbesondere das Thema ihrer Rechenschaftspflicht, der sogenannten accountability, eine Rolle. Während früher in der Kirche flächendeckend vertuscht wurde, hat auch der Papst inzwischen die Pflicht zur Aufklärung erkannt.

Wichtige Entscheidung über die Macht

Um wirkliche Fortschritte beim Kinderschutz zu machen, steht der katholischen Kirche eine Art Gewaltenteilung bevor, über die wohl kaum am kommenden Wochenende entschieden wird. Im Schlepptau des Themas Missbrauch harren einige für die Kirche existenzielle Fragen einer Antwort. „Es geht letztendlich auch darum, wie die Kirche insgesamt mit Macht umgeht“, sagt Organisator Zollner.