„Seit zwei Wochen ist die erfasste Zahl der weltweit genesenen Patienten höher als die Zahl der Neuinfizierten.“ Das sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vergangene Woche. Doch woher nimmt er diese Gewissheit? Auf Nachfrage, auf welche Zahlen sich der Minister berufen hat, schickt eine Sprecherin des Ministeriums einen Link zu tagesschau.de. Die Kollegen der ARD berufen sich wiederum auf Daten der WHO und des Johns Hopkins Centers.

Auch in Deutschland gelten inzwischen 16 Patienten als genesen – es sind die 14 Fälle unter den Mitarbeitern des Autozulieferes Webasto in Bayern sowie die beiden aus der chinesischen Region Wuhan nach Frankfurt zurückgeholten Deutschen.

Datensammlung in den Staaten

Das „Johns Hopkins Centers for Systems Science and Engineering“ an der gleichnamigen Universität in Boltimore in den Vereinigten Staaten hat ein Onlineprogramm entwickelt, über das die aktuellen Zahlen aus aller Welt sichtbar werden. Daraus geht hervor, dass mehr als die Hälfte der Infizierten wieder genesen ist. Bei über 110.000 Kranken sind 62.000 Menschen (Zahlen vom 9.3.2020) wieder gesund. Allerdings übersteigt seit Tagen die Zahl der Neuinfizierten die der Genesenen wieder.

Da die meisten Fälle nach wie vor in China verortet sind, seien die Zahlen aber nur bedingt aussagekräftig, warnen allerdings Experten. Als genesen gilt dort bereits, wer drei Tage lang fieberfrei war und zweimal negativ auf den Virus getestet wurde.

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Behandlung nicht immer notwendig

Schon jetzt ist absehbar, dass die Fallzahl in Deutschland weiter steigen wird, wie auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erwartet. Auch deshalb hat das Robert-Koch-Institut Empfehlungen ausgesprochen, welche Patienten ambulant behandelbar sind und welche stationär behandelt werden sollten: Ausschlaggebend dafür ist demnach, ob keine Risikofaktoren wie Vorerkrankungen vorliegen, der Patient nur leichte Symptome zeigt und in der Lage ist, sich selbst zu versorgen.

Leicht erkrankte Menschen könnten demnach „bis zum Vorliegen der endgültigen Untersuchungsresultate zur Bestätigung oder zum Ausschluss einer Covid-19-Verdachtsdiagnose in das häusliche Umfeld zurückkehren“.

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Eine Therapie gegen Covid-19, die Krankheit, die das Corona-Virus auslöst, gibt es noch nicht. Die Hinweise des Robert-Koch-Instituts beschränken sich auf „supportive Maßnahmen“. Zusätzlicher Sauerstoff, Flüssigkeitszufuhr bis hin zu Antibiotika, um zusätzliche Infektionen zu vermeiden, könnten eingesetzt werden.

Strengere Kriterien für Genesung in Deutschland

Die Kriterien des deutschen Robert-Koch-Instituts sind deutlich strenger. Patienten gelten demnach frühestens zehn Tage nach den ersten Krankheitsanzeichen als gesund, sie müssen zudem 48 Stunden lang fieberfrei gewesen sein und mindestens einen Tag lang keine Symptome mehr zeigen wie etwa Husten.

Zudem muss der Patient zwei Mal negativ auf das Virus getestet werden. Dazu werden Abstriche aus dem Nasen-Rachen-Raum genommen. Beide Proben müssen mindestens 24 Stunden auseinander liegen.

Keine Meldepflicht

Das Problem: In Deutschland gibt es keine Meldepflicht für die Genesenen. Spätestens, wenn leichtere Fälle nicht mehr im Krankenhaus behandelt werden und unter häuslicher Quarantäne ausheilen sollen, dürfte es schwierig werden, einen Überblick zu behalten.

Auch beim Landesgesundheitsamt in Stuttgart gibt es keine Statistik über genesene Corona-Patienten. Dem Amt liegen hierzu keine Informationen vor, sagte Sprecherin Lisa Schlager dem SÜDKURIER auf Anfrage. „Es besteht diesbezüglich keine Meldepflicht der Krankenhäuser oder der örtlichen Gesundheitsämter“, ergänzte die Sprecherin.

Immun oder doch nicht?

Meldungen zu einer Japanerin, die sich erneut angesteckt haben soll, halten Experten für wenig wahrscheinlich. Die Frau war bereits fünf Tage nach den ersten Symptomen entlassen worden, nachdem sie negativ getestet worden war. Später fiel ein weiterer Test positiv aus.

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Wahrscheinlicher ist es nach Expertenmeinungen aber, dass die Frau noch nicht genesen war, der zwischenzeitliche Test aber vielleicht nur oberflächlich genommen und so keine Virenspuren mehr erfasst worden waren. Wer eine Infektion mit dem Virus überstanden hat, gilt als immun.

Körper bildet selbst Abwehrkräfte

Das Immunsystem bildet demnach Antikörper gegen den Erreger und macht ihn unschädlich. Diese natürliche Abwehrreaktion dauert nach der Erfahrung der Klinik, in der die Patienten in Bayern behandelt wurden, zehn Tage.

Ein Impfstoff würde den Körper vorzeitig dazu anregen, solche Antikörper zu bilden. Bislang kann aber selbst das Robert-Koch-Institut nicht einschätzen, bis wann ein Impfstoff entwickelt worden sein könnte. Unklar ist auch, ob diese Immunität auch gegen eine neue Coronawelle in den kommenden Jahren Bestand hätte: Der Virus kann variieren, ähnlich wie bei der Grippe.