Die Entscheidung fällt erst spät, um 21 Uhr am Donnerstagabend. Dann erst aktualisiert das Robert-Koch-Institut seine Webseite mit den aktuellen Risikogebieten, wo eine Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus besonders hoch ist. Menschen, die aus diesem Gebiet kommen, gingen am Freitagmorgen möglicherweise noch zur Arbeit oder brachten ihre Kinder zur Schule, weil sie die Nachricht noch nicht erreicht hat.

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Das Risiko, dass das Virus so weiter getragen wird, könnte sich dadurch erhöht haben. Dafür sprechen die erneut gestiegenen Fallzahlen in ganz Deutschland. Allein in Baden-Württemberg sind etwa 40 Prozent der Infizierten Rückkehrer aus Südtirol, wie das Gesundheitsministerium mitteilte.

Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen).
Manfred Lucha (Bündnis 90/Die Grünen). | Bild: Tom Weller/dpa

In einer Pressemitteilung heißt es auch, dass sich Gesundheitsminister Manfred Lucha sich „persönlich bei Bundesgesundheitsminister Jens Spahn dafür eingesetzt“ habe, weil viele Infizierte im Südwesten aus dem Gebiet zurückgekehrt seien.

Robert-Koch-Institut legt Entscheidungsprozess nicht offen

Das Robert-Koch-Institut übt sich derweil in Erklärungsversuchen: „Es ist immer irgendwann der Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung getroffen werden kann“, sagt Sprecherin Susanne Glasmacher dem SÜDKURIER auf die Frage, warum die Entscheidung erst so spät fiel. Der SÜDKURIER hatte am Donnerstag nachgefragt, ob Südtirol nicht zum Risikogebiet erklärt werden sollte.

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Die Sprecherin reagierte darauf mit dem Vorwurf, solche Fragen würden unnötig Panik schüren. Man könne nicht darüber spekulieren, welche Regionen möglicherweise zum Risikogebiet erklärt würden. Stunden später entschied sich das Institut genau zu diesem Schritt. Zur Erklärung sagte Glasmacher, dem Gesundheitsinstitut seien über die Bundesländer „vermehrt Erkrankungen von Personen übermittelt worden, die vorher in Südtirol waren“.

Virologe sieht keine Versäumnisse

Der Virologe Martin Eichner vom Institut für klinische Epidemiologie und angewandte Biometrie an der Tübinger Universitätsklinik will die Vorgehensweise des Robert-Koch-Instituts nichts bewerten. Auf die Frage, ob das Virus sich unter Umständen hätte langsamer ausbreiten können, wäre Südtirol früher zum Risikogebiet erklärt worden, sagt Eichner: „Natürlich kann man sich immer alternative Realitäten vorstellen, die anders verlaufen wären“, aber er sehe nicht, „dass wir in dieser Angelegenheit jemandem etwas vorzuwerfen haben“.

Eichner geht davon aus, dass die Epidemie ohne jegliches Eingriffen binnen zwei Monaten ihren Höhepunkt erreichen würde. Durch die Maßnahmen der Gesundheitsbehörden wie Isolation von Infizierten und häusliche Quarantäne von möglichen Kontaktpersonen dürfte der Höhepunkt der Epidemie sich aber noch deutlich verzögern, betont der Experte.