Der massive Ausbau erneuerbarer Energien kann gelingen, ohne dass darunter Landschaften oder die Artenvielfalt zu leiden haben: Davon ist das Bundesamt für Naturschutz (BFN) überzeugt. In seinem "Erneuerbare Energien Report" listet es jedoch auch auf, wo es derzeit noch Konflikte zwischen Umweltschutz und dem Ausbau erneuerbaren Energie gibt.
"Man sollte nicht nur das Schicksal einzelner Arten betrachten, sondern auch das Schutzgut Landschaft stärker miteinbeziehen", merkt BFN-Präsidentin Beate Jessel an. Ein Überblick über die Probleme und Lösungen, die die staatliche Behörde benennt.
Falsch platzierte Windräder
Seit einigen Jahren entstehen immer mehr Windräder in Wäldern, was aus Naturschutzsicht oft eher schlecht ist. "Es gibt Bereiche, etwa alte Wälder, Laubwälder oder erhabene Bergkuppen, in denen in unseren Augen keine Windräder errichtet werden sollten", sagt Jessen. Anders sehe es bei Nadelwald-Monokulturen oder ohnehin intensiv forstwirtschaftlich genutzten Wäldern aus – aber auch nur unter Umständen. Besonders die Gefahr für die streng geschützten Fledermäuse müsste immer untersucht werden.

Wie der Report auflistet, stehen 7 Prozent der deutschen Windräder in FFH-Gebieten, also nach EU-Richtlinien zertifizerten Schutzgebieten, und mehr als 2 Prozent sogar in Vogelschutzgebieten.
Andere Strukturen gefordert
Wie der Report des BFN zeigt, resultieren Vorbehalte gegen Windräder in sehr vielen Fällen vor allem aus der befürchteten "Verspargelung" der Landschaft. "Die kann man verhindern – indem man nicht viele Anlagen verteilt, sondern sie stärker bündelt", sagt Jessen. Doch dafür müssten andere Entscheidungsstrukturen her: Statt auf kommunaler Ebene müssten mögliche Standorte und mögliche Ausschlussgebiete für Windräder eher auf Länder- oder am besten auf Bundesebene getroffen werden, empfiehlt das BFN.
Eines macht das Amt aber auch klar: Es werden künftig dennoch weiter Windräder im Wald gebaut werden, um die Ausbauziele zu erreichen.
Der Biogas-Fehler
Nach BFN-Angaben wurde keine andere Region in Deutschland so vom Anbau von Pflanzen zur Bioenergie-Gewinnung – also meist Mais – verändert wie die Bodenseeregion und Oberschwaben. Für Jessen eine klare Fehlentwicklung: "Das ist nicht nur wegen dem damit verbundenen Rückgang der Artenvielfalt schlecht, sondern auch, weil die Bioenergie im Vergleich zu Photovoltaik und Windenergie zehn bis hundert Mal mehr Fläche für den gleichen Energieertrag benötigt", erklärt sie.

Auf 1,4 Millionen Hektar werden in Deutschland Pflanzen zur Bioenergie-Gewinnung angebaut – das entspricht einem Drittel der kompletten Landesfläche der Schweiz.
Die Bauern zehren hier immer noch von hohen Prämien, die dafür einst gezahlt wurden – und auf 20 Jahre garantiert sind. "Deswegen werden Maisfelder noch länger die Landschaft prägen. Dann sollte diese Art von Bioenergie aber zum Auslaufmodell werden“, empfiehlt Jessen.
Groß-Importe aus dem Ausland
Wie der BFN-Bericht darlegt, kommen neben den Monokulturen hierzulande noch Energiepflanzen-Importe. So wurde 2016 etwa 420 000 Tonnen Palmöl imporiert, vor allem aus Malaysia. Allein dafür ist im Ausland noch einmal eine Anbaufläche nötig, die etwa so groß ist wie der Schwarzwald-Baar-Kreis.
Schädliche Wasserenergie
Wie auch bei Bioenergie hält das BFN die naturverträglichen Ausbaumöglichkeiten bei der Wasserkraft für ausgeschöpft. Mehr noch: Mittelfristig fordert die Behörde den Rückbau von Kleinwasserkraftanlagen mit einer Leistung von unter einem Megawatt und schon jetzt keine Genehmigung mehr für solche Kraftwerke. "Sie liefern nur Peanuts an Energie, haben demgegenüber aber große Auswirkungen auf die Natur", sagt Jessel.
So beeinträchtigen die Anlagen oft die Durchlässigkeit der Gewässer für Fische und Kleinlebewesen enorm. Baden-Württemberg ist nach Bayern das Bundesland mit den meisten Wasserkraftanlagen.
Probleme mit Photovoltaik
Von der Bedeutung von Photovoltaik-Anlagen für die Energiewende ist das BFN erzeugt. Der Ausbau der erneuerbaren Energien soll nach jetztigem Plan zu zwei Dritteln mit Windkraft erfolgen und zu einem Drittel mit Photovoltaik. "Wir denken, dass Photovoltaik-Anlagen einen höheren Anteil haben können, auch sollten", sagt Jessel. Allerdings nach anderen Maßgaben als bisher. "Sie sollten aus Naturschutzsicht nicht auf natürlichen Freiflächen errichtet werden", erklärt die BFN-Präsidentin.
Stattdessen seien die Sonnenkollektoren eine Chance, die bisher vor allem vom ländlichen Raum bewältigte Energiewende in die Städte zu bringen: "Wir sehen in Photovoltaik auf Wohngebäuden, Industriedächern oder über Parkplätzen noch große Potenziale.“
Das Energiespar-Paradoxon
Doch nicht nur die Politiker und Planer, sondern auch die Verbraucher nimmt das BFN in die Pflicht. "Der jetzige Strombedarf ist nicht im Einklang mit der Natur rein mit erneuerbaren Energien zu decken", so Jessel. 35 Prozent des Stroms kamen 2018 aus erneuerbaren Quellen, 2050 sollen es 80 Prozent sein. Deswegen ist jeder gefragt, weniger Strom zu verbrauchen. Die BFN-Präsidentin nennt ein Beispiel, wie es nicht geht: "Wer einen energieeffizienten Staubsauger kauft und Energie spart, dafür aber gleich noch zwei andere neue Elektrogeräte anschafft, verbraucht am Ende doch wieder mehr Energie." Dieser Effekt mache viele Effizienz-Gewinne zunichte.