Das Darknet ist wie ein dunkler Hinterhof, auf dem sich flüsternd mehrere Gestalten unterhalten. Es flößt dem Außenstehenden Angst ein, macht aber gleichzeitig neugierig. Was passiert an diesem dunklen Ort? Wer hält sich da auf? Nachdem immer wieder Waffen und Drogen in den Schlagzeilen landen, die im Darknet bestellt wurden, möchte ich Licht ins Dunkeln bringen. Wie einfach ist es, diesen geheimnisvollen Teil des Internets zu betreten? Und wie schnell komme ich dort tatsächlich an eine automatische Waffe?
Die erste Suchanfrage im Internet sorgt schnell für grundlegende Aufklärung. Schon der erste Artikel, der mir vorgeschlagen wird, beschäftigt sich mit der Frage, was das Darknet ist und wie man dort rein kommt. Es handelt sich hierbei um einen gesonderten Bereich des Internets, der vor allem die Anonymität der Nutzer wahren soll. Außerdem gibt es im Darknet keine herkömmlichen Links, die mit "www" beginnen und mit ".de" oder ".com" aufhören. Ein Beispiel: http://zqktlwi4fecvo6ri.onion/wiki/index.php/Main_Page. Diese Adresse soll den Nutzer zu einer Übersichtsseite leiten, die verschiedene Adressen zu unterschiedlichen Themenfeldern anbietet. Suchmaschinen sind im Darknet nicht sonderlich effektiv und kratzen nur an der Oberfläche. Viele Links werden nur in Foren oder Chats geteilt und die besonders zwielichtigen wechseln auch gerne mal ihre Adresse.
Mache ich mich strafbar?
Waffen, Drogen und sogar Kinderpornografie kann im Darknet gefunden werden. Wirklich wohl ist mir bei dem Gedanken daran nicht. Darf ich mich in diesem dunklen Teil des Internets überhaupt aufhalten, oder begehe ich damit eine Straftat? Ein Anruf beim Bundeskriminalamt verschafft Klarheit: "Natürlich darf jeder, der will, im Darknet surfen", erklärt mir ein Sprecher der Behörde. Er gibt mir außerdem einen Tipp: Nichts kaufen, nichts herunterladen. Beruhigt haben mich diese Hinweise nicht.
Das Darknet kann nicht über einen normalen Browser wie Firefox oder Google Chrome erreicht werden. Es braucht den sogenannten Tor-Browser, um sich Zutritt zur Unterwelt des Internets zu verschaffen. Ist der Browser auf dem Rechner installiert, ist der Eintritt jedoch ein Kinderspiel: Ich klicke in dem Fenster auf "Verbinden" und schon bin ich drin.
Doch das Tor zur Unterwelt sieht alles andere als furchteinflößend aus: Ein lilanes Fenster öffnet sich, verziert mit runden Formen. In großen Lettern wird mir klar gemacht, dass ich ab jetzt anonym im Netz unterwegs bin.
Die Reise beginnt
Doch wo fange ich an mit meiner Suche? Ich scrolle durch das eingangs erwähnte Verzeichnis, das in einem Fachmagazin erwähnt wurde. Zwischen Foren in russischer, englischer und deutscher Sprache, Drogen- und Pornoanbietern werde ich tatsächlich das erste Mal fündig: Der "Guns and Ammo Store" klingt vielversprechend. Mein Herz klopft schneller, als ich fest entschlossen auf den Link klicke. Tatsächlich: Auf meinem Bildschirm erscheint eine schlichte Website mit einem einzigen Bild von einer Pistole. Für 500 Pfund könnte ich hier zuschlagen, bezahlt wird in Bitcoin. Ich habe Blut geleckt.
Mutig gebe ich Schlagwörter in das Suchfeld ein: "Weapons", "Guns", "Machine Gun". Deutsche Suchwörter funktionieren allerdings nicht. Ich finde einen Shop namens Euro Guns. Der Händler gibt an, dass die Ware versandkostenfrei ist und aus den Niederlanden oder Deutschland kommt. Eine Handfeuerwaffe bekomme ich hier für 600 Euro. Automatische Waffen gibt es hier jedoch auch nicht.
Dafür stoße ich auf zahlreiche Angebote, die ich so noch nie gesehen habe: Drogen wie LSD oder Marihuana, gefälschte Ausweise, geklaute Paypal-Konten und Dienste von Hackern oder Auftragsmördern.
Schließlich werde ich fündig: Ich komme auf die Seite "Black Market Guns". Zu deutsch "Waffen vom Schwarzmarkt". Der Verkäufer lebt laut eigenen Angaben in den USA, verkauft und liefert seine Ware allerdings auf der ganzen Welt. Im Angebot ist unter anderem eine Heckler & Koch MP5 für 400 Dollar. Eine Maschinenpistole "Made in Germany". Ob die Waffe auch bei mir ankommen würde, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr: Meine Suche hat 25 Minuten gedauert. In dieser Zeit konnte ich mich problemlos ins Darknet einloggen, mich mit dem Netzwerk vertraut machen und unzählige Angebote für illegale Waffen, Dienste und Substanzen einholen. Ich schließe den Browser und klappe den Laptop zu. Ein kurzer Blick zur Tür. Noch hat kein Einsatzkommando der Polizei mein Büro gestürmt. Der Ausflug ins Darknet hat bei mir ein ungutes Gefühl hinterlassen. Einloggen, suchen und finden einer Waffe war einfach, obwohl ich nur in einen kleinen Teil des dunklen Hinterhofs Licht bringen konnte. Die dunklen Ecken blieben im Finstern.
Hintergrund
Als Volontär macht Sandro Kipar seit Sommer 2017 seine Ausbildung zum Redakteur beim SÜDKURIER. Für seine Recherchen zum Thema "Darknet" hat er intensiven Kontakt mit den Behörden gepflegt und die Frage gestellt, ob es möglich sei, im Rahmen des Artikels tatsächlich eine Waffe zu bestellen. Bundeskriminalamt und Staatsanwaltschaft waren allerdings sehr deutlich: Der Kauf einer Schusswaffe im Darknet ist strafbar. Auch für Journalisten könne da keine Ausnahme gemacht werden.