- Die Idee einer Schutztruppe kommt zu spät. Der Vorschlag von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zur Einrichtung einer international kontrollierten Schutzzone in Syrien kommt mindestens vier Jahre zu spät. Die CDU-Chefin beklagt zwar zu Recht, Europa benehme sich im Syrien-Konflikt wie ein Zaungast, obwohl der Krieg wichtige europäische Sicherheitsinteressen berühre. Aber die Idee einer internationalen Schutztruppe wirkt wie billige Ankündigungspolitik: Die Ministerin weiß wahrscheinlich, dass der Vorschlag völlig unrealistisch ist.
- Die Europäer haben keinen Einfluss in Syrien. Spätestens seit dem Beginn des Militäreinsatzes von Russland auf der Seite der syrischen Regierung im Jahr 2015 wird der Konflikt in Syrien von den Interessen einzelner Nationalstaaten bestimmt, nicht von internationalen Organisationen wie der Uno oder der Europäischen Union. Selbst wenn Deutschland und andere europäische Staaten eine Eingreiftruppe aufstellen sollten, wäre diese Truppe in Syrien nicht willkommen. Die Europäer haben längst den Moment zur militärischen Einflussnahme in dem nahöstlichen Bürgerkriegsland verpasst.
- Die Russen sind gegen einen EU-Militäreinsatz. Russland hat keinerlei Interesse daran, die Europäer als Militärmacht mit ins Boot zu nehmen – Kremlchef Putin will zwar ein europäisches Engagement in Syrien, doch dieses soll sich nach Moskauer Vorstellungen auf die Finanzierung des Wiederaufbaus in dem kriegszerstörten Land beschränken. Die syrische Regierung in Damaskus fordert ohnehin, alle ausländische Truppen außer der russischen Armee sollten das Staatsgebiet verlassen.
- Auch die Türkei will kein militärisches Engagement der Europäer. Auch die Türkei, die bei ihren westlichen Partnern lange vergeblich für eine Schutzzone geworben hatte, wird sich heute keinen neuen internationalen Akteur mehr nach Syrien einladen wollen, den sie nicht kontrollieren kann. Derzeit freut sich die Türkei genau wie Russland über den Abzug der amerikanischen Truppen – beide Staaten werden es nicht hinnehmen wollen, dass deutsche, britische oder französische Soldaten unter eigenem Befehl an die Stelle der US-Einheiten treten. Umgekehrt werden die Europäer ihre Soldaten in der Schutzzone nicht unter den Befehl eines türkischen Generals stellen, der türkische Interessen durchsetzen will.
- Der Vorstoß ist in der Koalition nicht abgestimmt. Mit ihrem Vorstoß hat Kramp-Karrenbauer auch ihre Koalitionspartner überrumpelt. Der Vorstoß habe „eine gewisse Irritation bei unseren Partnern“ ausgelöst, sagt Außenminister Heiko Maas (SPD). Auch er selbst habe noch viele Fragen. Die Spitzen der Schwesterpartei CSU weihte Kramp-Karrenbauer vorab nicht ein, den Außenminister informierte sie nur per SMS. „Von SMS-Diplomatie halte ich wenig“, stellte Maas klar.
Schutzzone für Syrien
Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat eine international kontrollierte Sicherheitszone in Nordsyrien gefordert. Ziel sei es, den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), „der im Moment total zum Erliegen gekommen ist, wieder fortzusetzen“, sagte die CDU-Chefin. Andererseits solle die Region stabilisiert werden – auch, damit Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren könnten. Ankara und Moskau müssten dabei miteinbezogen werden. Angesichts der „humanitären Katastrophe“ sei es wichtig, dass Europa politische Vorschläge mache, wie die Region dauerhaft stabilisiert werden könne, fügte sie hinzu. (AFP)