Zunächst hörte es sich nach einer typischen Angela-Merkel-Rede an – unverbindlich, zurechtgeschliffen, ein Stück weit beliebig. Doch als die deutsche Kanzlerin nach einer Viertelstunde ihre kurze Rede beendete, geschah etwas, was in der Geschichte der Münchener Sicherheitskonferenz bislang einmalig ist: Die Zuhörer im Festsaal des Hotels Bayerischer Hof erhoben sich von ihren Plätzen und zollten Merkel minutenlang stehend Beifall. Trump-Tochter Ivanka sei freilich sitzen geblieben, wie Beobachter meldeten.
Die Kanzlerin verzichtete weitgehend auf die üblichen diplomatischen Floskeln und Formeln und redete Klartext, ohne heikle Themen auszulassen. Gerade von der immer zurückhaltend-vorsichtigen deutschen Kanzlerin hatte man so etwas nicht erwartet. Sie traute sich auch, in einer überwiegend von Pessimismus und düsteren Vorahnungen geprägten Atmosphäre in Optimismus zu machen. Den schöpfte sie aus ihrer langen Amtszeit. 2011, so erinnerte sie, hätten Russen und Amerikaner am Rande der Münchener Konferenz Ratifikationsurkunden für Rüstungsbegrenzungen ausgetauscht. Heute sei die Lage nach der Annexion der Krim und dem Angriff auf die Ostukraine unerfreulich, aber "in ein paar Jahren kann es auch wieder ganz anders aussehen".
- Was Bundeskanzlerin Merkel zum Handelsstreit sagt: Mit ihrer ungewohnt direkten Art, die Probleme anzusprechen, kam Merkel gut an. Ohne den amerikanischen Präsidenten zu erwähnen sprach Merkel dessen Handelsprotektionismus an. Wenn die gleichen Autos, die in den USA hergestellt werden, als Importware plötzlich als Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA angesehen würden, "dann erschreckt uns das", sagte Merkel und erhielt dafür demonstrativen Sonderbeifall. Offensiv verteidigte sie das Festhalten der Europäer am Atomabkommen mit dem Iran. Es wäre doch besser, einen "letzten Anker" im Iran zu behalten statt sich – eine Ohrfeige für die US-Außenpolitik – zurückzuziehen wie in Syrien, wo dann genau dieser Iran und Russland in das Vakuum stießen.
- Was Merkel zu den Militärausgaben sagt: Der gebetsmühlenartigen Forderung der Trump-Administration nach Erhöhung der Militärausgaben der Nato-Partner auf zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts wich Merkel nicht aus. Bis 2024 sollte dieser Prozentsatz von jetzt 1,35 auf dann 1,5 Prozent gestiegen sein: "Das ist für uns ein existenzieller Schritt". Mehr gestand die Kanzlerin im Gegensatz zu ihrer Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Vortag nicht zu. Die Antwort auch auf die Aufkündigung des INF-Vertrags über Mittelstreckenraketen "nicht im blinden Aufrüsten liegen", so die Kanzlerin. Wie von der Leyen und Außenminister Heiko Maas (SPD) am Vortag setzte Merkel auf weitere internationale Zusammenarbeit, den so genannten Multilateralismus. Der sei "schwierig, langsam und kompliziert", aber besser als die Meinung, die Dinge im Alleingang lösen zu können. "Wir brauchen oft sehr lang, bis wir uns für irgendetwas entscheiden", räumte Merkel mit Blick auf internationale Einsätze der Bundeswehr ein: "Aber wenn wir einmal wo sind, bleiben wir auch". Im Falle von Afghanistan, wo seit 18 Jahren deutsche Soldaten stationiert sind, appellierte Merkel indirekt an die Amerikaner, keine einsamen Entschlüsse wie in Syrien zu treffen.
- Was US-Vizepräsident Mike Pence über die Nato sagt: Das Kontrastprogramm zu Merkel lieferte US-Vizepräsident Mike Pence ab. Der Amerikaner schien mehr zu den heimischen Wählern als zum Münchener Auditorium zu sprechen, indem er die bisherigen Erfolge der Trump-Administration in US-Wirtschaft und -Arbeitsmarkt sowie im Umgang mit Nordkorea pries. "America first" bedeute nicht "America alone", betonte Pence und listete eine Reihe von Beschwerden an die Adresse der europäischen, insbesondere der deutschen Partner auf: "Viele unserer Bündnispartner müssen noch weit mehr tun", sagte Pence und pochte auf das Zwei-Prozent-Ziel. Die USA könnten auch keinen Schutz garantieren, wenn sich Bündnispartner von Russland abhängig machten, sagte Pence mit Blick auf die von den USA attackierte Gaspipeline "Nord Stream 2".
- Was US-Vizepräsident Mike Pence zum Iran sagt: Ganz harte Kante zeigte Pence gegenüber dem Iran. Der US-Vize stellte einen Zusammenhang zwischen der Israel-Feindlichkeit des Teheraner Regimes und dem Holocaust her. Der Iran sei der größte staatliche Unterstützer für den Terrorismus weltweit. Die europäischen Partner dürften daher die Sanktionen gegen den Iran nicht mehr unterminieren" und sich ebenfalls "aus dem Iran-Abkommen zurückziehen", donnerte Pence. Während Politiker aus iranischen Ländern ihre Ausführungen in München oft mit der Formel "Im Namen Allahs" beginnen, schloss Pence mit den Worten "Gott schütze sie und Gott schütze die USA".
- Obamas Ex-Vize Joe Biden schlägt diplomatischere Töne an: Anders Pence' Vorgänger Joe Biden von den Demokraten. Der Vize von Präsident Barack Obama sah seine Aufgabe darin, in München das andere Amerika zu präsentieren, das "Amerika, wie ich es sehe", wie er immer wieder sagte und meinte: Das Amerika, das Trump nicht unterstützt. "Wir werden zurückkommen. Haben Sie da absolut keine Zweifel", betonte Biden. Ob er damit die amerikanischen Demokraten oder die wieder mehr multilateral orientierte USA als ein Ganzes meinte, ließ er offen.
- So äußert sich Russland: Im Gegensatz zu Pence stellte sich der russische Außenminister Sergej Lawrow den Fragen des Publikums, freilich etwas übelgelaunt. "Sie schreiben ja sowieso, was Sie wollen, also tun Sie das", fertigte Lawrow die Frage eines amerikanischen Journalisten nach dem syrischen Assad-Regime ab. Der Russe, einer der dienstältesten Außenminister überhaupt, gab sich angesichts der geballten Vorwürfe, die ihm vom Rest der internationalen Gemeinschaft entgegenschallte, dennoch recht konziliant. Das gesamte europäische Haus brauche eine "Generalsanierung", so Putins Außenminister. Die guten Vorsätze nach Ende des Kalten Krieges seien gute Vorsätze geblieben.