Würde Christian Lindner Fußball spielen oder Handball – er müsste in das Trikot mit der Nummer 22 schlüpfen. Die Doppel-2 ist die neue Lieblingszahl der FDP: Zum zweiten mal in Folge zweistellig.

„Wir freuen uns riesig“, jubelt Parteivize Wolfgang Kubicki schon kurz nach der Prognose um 18 Uhr. Lindner selbst geht kurz nach ihm bereits einen Schritt weiter. Eines der besten Ergebnisse der Parteigeschichte interpretiert der Vorsitzende als Richtungsentscheidung: Die Bürger, sagt er, wollten nun eine Regierung „aus der Mitte heraus.“ Soll heißen: Lieber eine Jamaika–Koalition mit der Union und den Grünen als ein Ampelbündnis mit Sozialdemokraten und Grünen.

Wunsch nach Jamaika-Bündnis mit CDU

Zum bisher besten Ergebnis der FDP bei einer Bundestagswahl, den 14,6 Prozent von Guido Westerwelle im September 2009, fehlt den Liberalen zwar noch ein Stück. Die Freude darüber, bald wieder mitregieren zu können, aber ist an diesem Abend größer als der Frust über den einen oder anderen Prozentpunkt, den die FDP im Schlussspurt noch abgegeben hat.

„Jetzt ist Zeit für einen neuen Aufbruch“ sagt Lindner. Grüne und Liberale, rechnet Fraktionsvize Stephan Thomae im Gespräch mit unserer Redaktion vor, hätten im Bundestag gemeinsam ähnlich viele Abgeordnete wie die Union oder die SPD alleine. „Damit können wir alte Beharrungskräfte überwinden.“ Wie Lindner und weite Teile der Partei wünscht auch der Allgäuer Abgeordnete sich eine Koalition unter einem Kanzler Armin Laschet: „Die Gemeinsamkeiten sind hier einfach größer.“

2017 ließ die FDP ein Jamaika-Bündnis platzen. Es sei besser, nicht zu regieren als falsch zu regieren, sagt Christian Lindner damals – eine Entscheidung, an der die Partei lange zu knabbern hat. In der Corona-Krise gelingt es Lindner, die Liberalen als kritisch-konstruktive Opposition zu positionieren, die Stufenpläne für einen Ausstieg aus dem Lockdown entwirft.

Partnerschaft auf Augenhöhe

Nun ist, eine leise Ironie des Schicksals, Jamaika für Lindner die erste Wahl – allerdings hat er sich eine unter einem Kanzler Scholz offengehalten, in der er der FDP die Rolle als Partei der ökonomischen Vernunft zugedacht hat, die ihren Koalitionspartnern deren Steuererhöhungsfantasien austreibt.

Martin Zeil, fünf Jahre bayerischer Wirtschaftsminister und noch ein Liberaler vom alten Schlag, sieht in solchen Dreierkonstellationen sogar einen Vorteil. Anders als bei Schwarz-Gelb oder Rot-Grün, böten Jamaika oder eine Ampel für eine Partei wie die FDP große Chancen. „Wenn zwei Partner in etwa gleich groß sind und die Kanzlerpartei nicht viel größer ist“, sagt Zeil, „können Sie sich leichter auf eine Reformagenda verständigen.“ Es wäre, so Zeil, „eine Partnerschaft auf Augenhöhe, bei der jeder Partner dem anderen Erfolge gönnen muss.“ Ein solches Dreierbündnis könne ein Impuls sein, das alte Lagerdenken und den Reformstau endlich zu überwinden.