So einige im Saal in Leonberg bei der Wahlparty mehrerer AfD-Kreisverbände träumen von einem Ergebnis von 25 Prozent. „Dann haben wir eine Sperrminorität, dann können wir beispielsweise einen Untersuchungsausschuss im Bundestag beantragen“ sagt ein Mitglied im nüchternen Nebensaal der italienischen Gastwirtschaft im Leonberger Gewerbegebiet.
Doch das ist am Sonntagabend kurz vor 18 Uhr, vor den ersten Prognosen und Hochrechnungen. Als ein Ergebnis von 20 Prozent für die AfD über den Bildschirm flimmert, gibt es zwar Freude im Saal über ein im Grunde verdoppeltes Ergebnis zu 2021, aber keinen überschießenden Jubel.
2021 hatte die AfD im Südwesten zehn Abgeordnete nach Berlin geschickt, nun hoffen die Mitglieder auf eine Verdoppelung der Mandate. AfD-Co-Landeschef Markus Frohnmaier trifft ein und heizt die Stimmung an. Er habe gehört, dass es hier lange Gesichter gegeben habe. „Mann, wir haben uns verdoppelt!“ Und er rät den Mitgliedern „die Wahlkampfjacken anzulassen“. Denn: „Die Union wird gezwungen sein, in eine Dreierkoalition zu gehen“, so seine Prognose. Also werde bald wieder gewählt.
Eine Kandidatin, auf der am Abend noch die Hoffnungen ihrer Parteifreunde ruhen, dass sie in Baden-Württemberg ein allererstes Direktmandat für die AfD bei einer Bundestagswahl gewinnt, ist Diana Zimmer aus Pforzheim. Die junge Fraktionsvorsitzende der AfD im Pforzheimer Gemeinderat will im Wahlkreis Pforzheim-Enzkreis dem langjährigen CDU-Abgeordneten Gunter Krichbaum das Direktmandat abjagen.
Die 26-jährige Zimmer, Pforzheimerin mit russlanddeutschen Wurzeln, steht auf Platz acht der AfD-Landesliste, ein Platz im Bundestag ist ihr angesichts des Ergebnisses bereits sicher. In Leonberg wird sie mit viel Jubel begrüßt und gefeiert, auch von ihren angereisten Pforzheimer Parteifreunden, viele wollen Selfies mit ihr machen.
Denn in Pforzheim gibt es wegen des alljährlichen Gedenktages an die Zerstörung der Stadt am 23. Februar 1945 keine AfD-Wahlparty, aus „Pietät“ wie Zimmer sagt. Also wird sozusagen auswärts in Leonberg gefeiert, die Parteimitglieder auch aus Pforzheim stehen Schlange, um Bilder mit Zimmer zu machen.
Rhetorische Blumen
Vom AfD-Landesvorsitzenden Frohnmaier gibt es rhetorische Blumen für Zimmer: „Du bist künftig unsere jüngste Abgeordnete“. Und Frohnmaier blickt nach Pforzheim: „Du kämpfst noch um das Direktmandat.“ Die Neu-Abgeordnete freut sich ebenfalls: „Dieser Wahlkampf war einzigartig. Wir hatten so viele auch internationale Unterstützung.“
Die AfD habe schon Veränderung für das Land eingeläutet. Zimmer weiter: „Wir haben allen Grund dafür gute Laune zu haben“. Was den Wahlkreis Pforzheim/Enzkreis angeht, ist sie eine Stunde nach Schließung der Wahllokale noch zurückhaltend. „Ich bin Bankerin, also vorsichtig.“
In Pforzheim sei die AfD sehr stark, im Enzkreis sei es aber schwieriger für die AfD. In der Tat ist die Goldstadt eine AfD-Hochburg. 2016 hatte der damalige AfD-Kandidat Bernd Grimmer bei den Landtagswahlen sogar das Direktmandat in Pforzheim geholt.
Krichbaums Plan geht auf
Doch der Bundestagswahlkreis besteht aus der Stadt und dem Enzkreis, im letzteren ist die CDU weiter stark. Zumal der CDU-Abgeordnete Krichbaum, seit 2002 immer als Wahlkreissieger im Bundestag, im Wahlkampf eine massive Erststimmenkampagne auch bei den Anhängern von Grünen und SPD gefahren hat, um „einen AfD-Direktkandidaten“ zu verhindern.
Und während in Pforzheim viele Bürger an diesem Sonntagabend unter anderem bei einem sogenannten „Lichtermeer“ der Zerstörung der Stadt durch britische Bomber und der rund 20.000 Todesopfer von damals gedenken, zählen hunderte Wahlhelfer noch aus. Doch schon bald ist klar, dass es mit einem Wahlkreissieg für die AfD in Pforzheim/Enzkreis nichts wird, übrigens auch nicht in Heilbronn oder Mannheim, wo die AfD ebenfalls gewisse Hoffnungen hatte.
Bereits um 20 Uhr liegt Krichbaum im Gesamtwahlkreis mit 36 Prozent deutlich vor Zimmer mit 28 Prozent, da sind nahezu alle Stimmbezirke schon ausgezählt. Auch in der Stadt liegt er knapp vorne. Zittern muss er im Gegensatz zu Diana Zimmer trotzdem, ob er als Wahlkreissieger auch wieder nach Berlin darf – und zwar wegen des neuen Wahlrechts.