Herr Korte, haben Sie schon eine klimaneutrale Heizung?
Ich wohne im denkmalgeschützten Altbau. Das ist das Problem, wie für viele andere auch. Ich wäre gern unabhängig von Putins Gas und ich will etwas gegen den Klimawandel tun. Aber Robert Habeck war noch nicht bei uns im Heizungskeller.
Er heizt ja mit Fernwärme.
Ja, er ist raus. Aber warum sollen wir so tun, als würde der Klimawandel, wenn er privat wird, uns nichts angehen? Das Heizen ist so zentral, dass wir uns darüber schon Gedanken machen müssen. Die Frage ist halt, wie man das macht. Man kann in Deutschland Mehrheiten für Unpopuläres organisieren, wenn es den Eindruck vermittelt, dass es gerecht zugeht.
Es muss transparent kommuniziert werden, befristet sein, fair und sozial. Dann machen alle mit. Aber es geht nicht gut über Entlasteritis und Verbote, nicht über Zumutungen, die man nicht wirklich kommuniziert. Da muss die Bundesregierung noch nacharbeiten, um die Entscheidung zu vermitteln – was Habeck eigentlich gut kann.
Beim Thema Heizen ist jetzt noch ganz vieles unklar, was auch daran liegt, dass die FDP zwar zugestimmt hat – allerdings mit der protokollarischen Notiz, dass man die Finanzierung noch klären müsse. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat nachgeschoben, dass das aber für Krankenhäuser nicht gelten solle. Für wie arbeitsfähig halten Sie die Ampel derzeit?
Ich halte sie für sehr arbeitsfähig. Sie tragen Interessenskonflikte stellvertretend für uns alle aus. Es gibt keinen Masterplan als Ausweg, für nichts mehr. In komplexen Gesellschaften hat man nie ein Problem zu Ende gelöst.

Muss man nicht bei der Vorstellung eines Gesetzesentwurfs die Lösung parat haben?
Vom Gesetzesentwurf bis zur Veröffentlichung braucht es im Schnitt 264 Tage in Deutschland. Das ist ein guter Abstimmungsmechanismus in den Parlamenten, Beamte schauen sich das genau an, sodass am Ende ein konsistentes Gesetz herauskommt. Und trotzdem: Vor 20 Jahren hätte das auch Probleme gelöst. Heute taucht nach vier Wochen wieder etwas Neues auf. Das ist aber in komplexen Gesellschaften normal. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass wir Politik zum Feuerlöschen haben, dass wir experimentieren. Wir Wähler müssen das aushalten, weil es keinen Masterplan mehr geben kann in Zeiten des Gewissheitsschwundes.
Allerdings liegt auf dem Gesetz übers Heizen ein gewisser Zeitdruck, ab Anfang des nächsten Jahres soll es ja schon gelten. Die Menschen müssen wissen, worauf sie sich einstellen müssen.
Ich glaube nicht, dass es wirklich Anfang kommenden Jahres in Kraft tritt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Verbotspolitik am Ende mehrheitsfähig ist. Es gibt viel klügere Wege. Es müsste eigentlich so sein, dass die Bürger die Wärmepumpe freiwillig wählen, weil sie wissen, dass ihnen das Kosten spart.
Warum ist Habeck das nicht anders angegangen?
Vermutlich konnte er sich gegenüber der eigenen Partei nicht durchsetzen. Er hat die Grünen in den letzten Jahren sehr klug zu einer Macher-Partei gemacht, nicht zu einer Verbotspartei. Das wäre jetzt ein Rückfall.
Habeck ist in den Umfragen abgerutscht. Ist er dauerhaft beschädigt?
Nein, er hat viel Vertrauen aufgebaut durch das zurückliegende Jahr – dass er Energiesicherheit für uns alle hergestellt hat. Da hat er brilliert. Das Klientel der Mitte, das auf so eine Politik der inklusiven Transformation positiv reagiert, das ist weiterhin da.

Am meisten Gegenwind erfahren die Grünen von der FDP. Diese gibt sich kämpferisch und scheint sich im Regierungsgeschäft gut durchzusetzen. Aber wie ist es wirklich um sie bestellt?
Die FDP zielt auf die kommende Bundestagswahl, die Landtagswahlen sind aus der Berliner Republik betrachtet vollkommen egal. Sie arbeitet an ihrer Performance, um 2025 wieder ein Thema als Alleinstellungsmerkmal zu haben. Im Moment deutet sich an, dass sie nicht nur Anwalt von marktwirtschaftlichen Prinzipien sein will, sondern Bürgeranwalt für Privatsphäre. Ich würde ihre Kampagnenfähigkeit nicht unterschätzen. Das sind mehr als verheizte Chancen!
Macht der Kanzler einen guten Job in der Ampel-Koalition? Müsste Olaf Scholz eine aktivere Rolle spielen?
Es ist Last-Minute-Leadership, die er zeigt. Wenn alles niedergekämpft ist, führt er moderierend zusammen. So hat er das bei den letzten Klimadiskursen gemacht. Es scheint ihm zu gelingen, damit Vertrauen bei den Wählern aufzubauen. Wir haben Vertrauen, dass er nicht hurrapatriotisch Kriege eskaliert. Er ist aufregungsresistent, er vermittelt das merkelige Sicherheitsgefühl. Das ist das Positive.
Man wünscht sich allerdings schon eine andere Art von öffentlicher Kommunikation. Das ist aggressives Schweigen, was er praktiziert. Das kommt mir manchmal vor wie ein Schweigegelübde – dass er nichts sagt, oder wenn er was sagt, dass die Worte möglichst keine Bedeutung haben. Eine kuriose Art, sich öffentlich zu erklären.
Ist das Strategie oder kann er nicht anders?
Er ist monumental unbeirrt. Wir kannten ihn auch als Finanzminister so, als Generalsekretär wurde er nicht ohne Grund Scholzomat genannt. Er ist ein Hanseat ohne Vokabelüberschuss.
Schweigsam ist er auch in Sachen Warburg-Bank. Möglicherweise soll er nun vor einen weiteren Untersuchungsausschuss, wenn es nach der CDU geht. Werden wir dann mehr von ihm erfahren?
Ich glaube nicht, dass es inhaltlich Neues bringt. Es geht eher darum, ob seine Aussagen mit anderen übereinstimmen. Und natürlich auch darum, dass die Opposition ein Interesse daran hat, das Kapital zu beschädigen, dass er bislang aufgebaut hat – Vertrauen und Integrität. Es geht auch um viele Millionen Euro Steuermittel.
Nehmen Sie Scholz seine Erinnerungslücken ab?
Ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. Dass man sich an bestimmte Gespräche in allen Facetten erinnert, ist eher unmenschlich. Er ist ein integrer Typ, kein Showmensch. Allerdings traut man intelligenten Menschen eher zu, auch erinnerungsstark zu sein.

Die Altkanzlerin hat gerade einen herrlichen Orden verliehen bekommen. Hat sie den verdient?
Ja. Der Maßstab für einen solchen Verdienstorden ist, außergewöhnliche Leistungen zu erbringen im dienenden Sinne für einen Job, der im Vergleich zu anderen Leitungsaufgaben schlecht bezahlt wird. Sie wäre nicht so oft wiedergewählt worden, wenn ihr Einsatz nicht auf große positive Resonanz gestoßen wäre. Es wäre glanzvoller gewesen, wenn sie – vielleicht macht sie das in ihrem angekündigten Buch – auf Fehler eingehen würde, die jeder macht, der regiert. Da verhält sie sich ein bisschen trotzig.
Angela Merkel wird heute ihre Russland-Politik vorgeworfen. Tut man ihr damit unrecht?
Es geht um nachholendes Begreifen. Da muss man fair sein. Die Mehrheit wollte damals billiges Gas. Und deshalb hat auch sie so agiert. Viele hatten eine ähnliche Einschätzung zu Russland wie sie. Was das Kriegsszenario angeht, führt sie an, dass sie 2015, in den Verhandlungen über den Krieg in der Ostukraine, mit ihrer Pendeldiplomatie gemeinsam mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande Schlimmeres verhindert hat.
Welche Fehler hat sie Ihrer Ansicht nach gemacht?
Sie hat ihre Politik oft als alternativlos bezeichnet. Das ist in der Demokratie keine Formulierung, die man verwenden sollte. Denn es gibt immer andere Wege. Ich finde auch, sie war genial in der Beschreibung der Wirklichkeit, aber sehr dilettantisch, wenn es um Möglichkeiten ging. Sie hat Politik sehr verkürzt auf das Jetzt, es war Abarbeiten im Hier und Jetzt. Aber ohne Ziele lässt sich auch nicht über Wege lebhaft streiten. Doch das sichert die Qualität der Freiheit.
Die CDU ist dabei, sich von ihr zu emanzipieren. Gerade erarbeitet sie ihr Grundsatzprogramm und setzt dabei offenbar auf etliche soziale Themen: 10.000 Euro für Kinder, ein höherer Spitzensteuersatz. Hätte man so nicht erwartet von Friedrich Merz.
Nach 16 Jahren ist man programmatisch blank, insofern ist es richtig, an einem Grundsatzprogramm zu arbeiten. Und was Wähler bei der letzten Bundestagswahl am meisten vermisst haben bei der CDU, war ein sozialpolitisches Profil. Daran arbeiten sie jetzt, um sich in der Mitte zu unterscheiden von Grün, Gelb und Rot, was nicht einfach ist. Die Frage ist am Ende, ob es zu Friedrich Merz passt. Aber die Mehrheit der Unionswähler war immer der Ansicht, dass es falsch ist, nur auf den Markt zu setzen, und dass es richtig ist, dass Reiche durchaus höhere Steuern zahlen sollen. Das hat man jedoch ignoriert.