Die Golf-Staaten könnten mehr Öl fördern, um den weltweiten Preisanstieg wegen des Ukraine-Krieges zu bremsen – doch sie verlangen politische Zugeständnisse der USA. So fordert der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman nach Medienberichten, dass er vor einer Strafverfolgung wegen des Mordes an dem Dissidenten Jamal Khashoggi verschont wird. US-Präsident Joe Biden, der bisher einen großen Bogen um Saudi-Arabien gemacht hat, könnte bald zu seiner ersten Reise in die Golf-Region aufbrechen.
USA wendet sich bereits an Erzfeind Venezuela
Die Sanktionen gegen Russland, das rund fünf Prozent der weltweiten Ölexporte beisteuert, haben die Ölpreise rasant ansteigen lassen. Biden verschärfte die Strafmaßnahmen am Dienstag, indem er den Stopp amerikanischer Öleinfuhren aus Russland bekanntgab. Verbraucher in Europa und den USA bekommen die Preissteigerungen an den Tankstellen zu spüren.

Um die Preisspirale zu stoppen, wandte sich die US-Regierung in den vergangenen Tagen an das Regime in Venezuela, um Caracas zu mehr Ölexporten zu bewegen und so die Lieferausfälle aus Russland auszugleichen. Machthaber Nicolas Maduro, ein Partner Russlands, will nach dem Besuch der Amerikaner weiter mit Washington über das Thema reden.
Saudi-Arabien könnte zur Preissenkung mehr Öl fördern
Dagegen lehnen es die mit den USA verbündeten Golf-Staaten ab, deutlich mehr Öl zu produzieren. Die Gruppe „Opec-Plus“ aus den wichtigsten arabischen Ölstaaten und Russland erklärte vorige Woche, sie bleibe bei einer seit Langem vereinbarten vorsichtigen Anhebung der Fördermenge – doch die reicht nicht, um den Ölpreis zu senken.
Dabei wären Golfstaaten wie Saudi-Arabien in der Lage, viel mehr Öl zu fördern als derzeit. Das Königreich produziert täglich zehn Millionen Barrel (je 159 Liter) und damit zehn Prozent des weltweiten Bedarfs. Während eines Preiskampfs mit Russland vor zwei Jahren hatten die Saudis die Fördermenge auf 13 Millionen Barrel am Tag erhöht. Heute würden zusätzliche drei Millionen Barrel pro Tag die Preise stützen.
In früheren Krisen konnten sich die USA auf die Saudis verlassen. Vor vier Jahren steigerte Riad auf Wunsch des damaligen US-Präsidenten Donald Trump die Produktion, weil US-Druck auf Venezuela und den Iran das Öl auf dem Weltmarkt knapp werden ließ.
Verhältnis zwischen USA und Saudi-Arabien angespannt
Doch seitdem hat sich das Verhältnis zwischen den Golf-Staaten und den USA verschlechtert. Biden bezeichnete Saudi-Arabien wegen des Mordes an Khashoggi als „Paria“ und reduzierte die militärische Unterstützung für den Krieg der Saudis und der Vereinigten Arabischen Emirate gegen die proiranischen Huthi-Rebellen im Jemen. Hinzu kommen geopolitische Veränderungen.
Weil die USA ihr Engagement im Nahen Osten herunterfahren und sich auf die Konkurrenz mit China konzentrieren, suchen Länder wie Saudi-Arabien die Nähe zu Russland und China. Seit der Beilegung des Preiskampfes von 2020 arbeiten die Araber mit Moskau in „Opec-Plus“ eng zusammen. Sie vermeiden Kritik am russischen Angriff auf die Ukraine.
Kurswende müsste sich für Saudi-Arabien lohnen
Eine einseitige Anhebung der Fördermenge durch die Araber würde die guten Beziehungen mit Russland stören. Eine Kurswende muss sich für Saudis und Emiratis daher lohnen. Vorerst wollen Mohammed bin Salman und VAE-Kronprinz Mohammed bin Zayed dem „Wall Street Journal“ zufolge nicht einmal mit Biden telefonieren. Biden denke nun über eine Reise in die Golf-Region nach, meldeten US-Medien.
„Manche würden es Geopolitik alter Schule nennen“, schrieb Kelley Beaucar Vlahos von der US-Denkfabrik Quincy Institute über die Forderungen vom Golf. „Andere würden von Erpressung sprechen.“