Wenn Boris Becker in diesen Tagen von einem Kommentatoren-Einsatz auf dem berühmten Centre Court zurück ins internationale Fernsehzentrum schreitet, dann ist fast alles so wie früher in Wimbledon. Becker wird umringt von den Fans, immer wieder muss sich der dreimalige Champion der Offenen Englischen Meisterschaften zum gemeinsamen Foto aufstellen, seelenruhig schreibt er Autogramme.

Becker genießt die Szenerie durchaus, er hat Spaß am Kontakt zu den Tennisfreunden. „Wimbledon ist immer die schönste Zeit des Jahres“, sagt Becker, „das ist heute nicht anders als damals. Dieser Schauplatz hier war immer gut zu mir, er ist mein emotionales Zuhause.“

2019 ist ein ganz besonderes Wimbledon-Jahr für Becker. Aus guten und nicht so guten Gründen. Die Neuner-Jahre sind immer Jubiläumszeit für den inzwischen 51-jährigen Rasenmeister, sie sind Gelegenheit zur sentimentalen Rückschau.

Boris Becker, wie man ihn kannte und liebte – mit dem Becker-Hecht zum Volley. Das Bild stammt aus dem Jahr 1989, dem Jahr seines ...
Boris Becker, wie man ihn kannte und liebte – mit dem Becker-Hecht zum Volley. Das Bild stammt aus dem Jahr 1989, dem Jahr seines dritten Wimbledontitels. | Bild: imago sportfotodienst

Vor 30 Jahren bot sich das einmalige Bild eines deutschen Komplett-Triumphs, am Ende posierten Steffi Graf und er gemeinsam beim Siegerbankett mit den Pokalen. Beckers Sieg gegen Stefan Edberg war der dritte und letzte seiner Erfolge, an jenem Finalsonntag allerdings wusste er das noch nicht, 1990, 1991 und 1995 sollte er noch dreimal das Endspiel verlieren, 1991 in seinem vielleicht bittersten Moment gegen Michael Stich. Graf und Becker sind mittlerweile beide in den Fünfzigern, „die Zeit rast davon“, sagt Becker.

Wimbledon 1989: Ein Tennis-Traumpaar, das viele Fans auch gerne als Traumpaar im Leben gesehen hätten. Das freilich stand nie zur ...
Wimbledon 1989: Ein Tennis-Traumpaar, das viele Fans auch gerne als Traumpaar im Leben gesehen hätten. Das freilich stand nie zur Debatte. Steffi Graf hatte nach dem Abschied vom Sport ihr Leben im Griff und lebt mit Ehemann Andre Agassi in San Diego. Becker dagegen scheiterte oft, als Geschäfts- und Privatmann – zwei Ehen gingen zu Bruch. Bild: Imago | Bild: Laci Perenyi/Imago

Beifall, Bier und dann die Nacht

Zehn Jahre nach ihrem gemeinsamen Erfolg bestritten Graf und Becker auch ihr letztes Grand-Slam-Turnier Seite an Seite – 1999, natürlich in Wimbledon. Becker war schon einmal zurückgetreten, zwei Jahre zuvor, hatte dann aber eine Kehrtwende vollzogen. Er wolle sich „anständig verabschieden“ aus dem All England Lawn Tennis Club, 1999 eben, mit etwas mehr Stil und Form. Fast anderthalb Wochen hielt Becker dann die Tenniswelt noch einmal in Atem, er gewann die ersten drei Runden gegen den Schotten Miles McLagan, seinen Landsmann Nicolas Kiefer und den Australier Lleyton Hewitt, bevor er im Achtelfinale an Pat Rafter scheiterte, am Mittwoch der zweiten Turnierwoche. „Der alte Löwe aus Leimen“ habe noch einmal beeindruckt, schrieb der „Daily Telegraph“.

Anna Ermakowa (19), Tochter von Boris Becker aus der Affäre mit Angela Ermakowa, arbeitet als Model in der Modebranche.
Anna Ermakowa (19), Tochter von Boris Becker aus der Affäre mit Angela Ermakowa, arbeitet als Model in der Modebranche. | Bild: Bernd Von Jutrczenka/dpa

Allerdings begannen schon in der Nacht nach seinem letzten Auftritt gegen Rafter die Turbulenzen, die sein Leben nach der Tenniskarriere prägen sollten. Becker putzte im Deutschen Haus mit den Journalisten einige Bierchen weg, wurde in die City chauffiert, und später in der Nacht kam es zum folgenreichen Techtelmechtel mit dem russischen Model Angela Ermakowa. Bekannt wurde das Ganze als Besenkammer-Affäre, ein paar Monate später allerdings erst, als Becker das Schreiben eines Rechtsanwalts erreichte, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er noch mal Vater werde. Die Konsequenzen für Becker: Die Ehe mit Barbara, der ersten Gemahlin, ging in die Brüche, er leistete millionenschwere Unterhaltszahlungen auf gleich mehrere Bankkonten, auch für seine Tochter Anna Ermakova. Auf einmal war er nicht mehr der Held des Centre Court, sondern Zielscheibe öffentlichen Spotts.

Noah (25 Jahre/links) und Elias Becker (19) kommen klar miteinander. Die Söhne von Boris Becker aus dessen erster Ehe mit Barbara Becker ...
Noah (25 Jahre/links) und Elias Becker (19) kommen klar miteinander. Die Söhne von Boris Becker aus dessen erster Ehe mit Barbara Becker gehen ihre eigenen Wege. Noah arbeitet als DJ, Musiker und Maler, Elias verdient sein Geld als Model in der Modebranche. Die Aufnahme stammt von einer Coca-Cola-Party in Hamburg im Juni 2019. | Bild: Christopher Tamcke/Imago

Wer will ausgelatschte Turnschuhe?

Während gerade die 2019er-Auflage des Wimbledon-Turniers läuft, wird Becker an diese turbulente Vergangenheit erinnert, mehr noch an die finanziellen Probleme. Beim Londoner Auktionshaus Wyle+Hardy werden bis zum 11. Juli 82 Stücke aus seiner persönlichen Sammlung zwangsversteigert – mit dem Erlös sollen Gläubiger bedient werden, denen Becker Geld schuldet. 2017 war er von einem Londoner Gericht für zahlungsunfähig erklärt worden, nun kommen die Becker-Besitztümer unter den Hammer. Socken, Schuhe, Pokale, eine Bambi-Trophäe. Nicht wirklich wichtiges Erinnerungsgut, eher Teile von zweitrangiger Bedeutung. Ein Webportal hat einen Liveticker eingerichtet, zuletzt wurde gemeldet, „die ausgetretenen Diadora-Schuhe liegen bei mittlerweile 860 Euro“. Bis kurz vor Auktionsschluss beläuft sich die Gesamtsumme der Angebote auf etwa 150 000 Euro. Insolvenzverwalter Ford sprach von einem möglichen Last-minute-Ansturm. Viele Interessenten gebe es aus den USA, Großbritannien und Deutschland.

Boris Becker mit seinem jüngsten Sohn Amadeus (9), der aus der Ehe mit Lilly  Becker stammt.
Boris Becker mit seinem jüngsten Sohn Amadeus (9), der aus der Ehe mit Lilly Becker stammt. | Bild: imago stock&people

Becker lässt sich die demütigende Situation nicht anmerken im grünen Tennisreich, in dem er für mehrere TV-Anstalten im Plaudereinsatz ist. Er analysiert Matches, Spielsituationen, Charakterzüge der Stars präzise und charmant wie eh und je, er ist in seinem Element. „Ich weiß, was da draußen gespielt wird“, sagt Becker, „ich habe es alles immer und immer wieder selbst erlebt.“ Was die zeitgleich zum Grand- Slam-Turnier laufende Auktion angeht, hatte Becker schon gesagt, was davon aus seiner Sicht zu halten sei: „Natürlich will man mir damit wehtun, weil ich emotional an den Trophäen hänge.“