Lieber Jan Ullrich,

zunächst einmal möchte ich Ihnen alles Gute zum 50. Geburtstag wünschen. Das schönste Geschenk haben Sie sich in den vergangenen Tagen ja bereits selbst gemacht, in dem Sie mit Ihrer Vergangenheit aufgeräumt haben. Überrascht hat es keinen mehr, dass Sie nun zugegeben haben, seit 1996 Doping-Mittel genommen zu haben, aber jetzt ist es endlich raus. Und Sie selbst fühlen sich seither besser, zumindest haben Sie das bei einer Pressekonferenz behauptet.

Über die Hälfte Ihres Lebens haben Sie mit einer Lüge gelebt, waren auf dem Wege der Selbstzerstörung. Ich freue mich, wenn Sie nun die Kurve bekommen haben, ein Leben ohne Alkohol- und Drogenexzesse führen. Um ehrlich zu sein, ärgere ich mich allerdings etwas über Zeitpunkt und Art Ihres Geständnisses. Das kommt schon sehr als PR-Maßnahme daher, um ihre eigene Dokumentation bei einem Streaming-Anbieter zu vermarkten. Irgendwie drängt sich da der Eindruck auf, dass Sie einmal mehr etwas tun, was andere vorgeben. Vielleicht hat Ihnen aber auch nur der Kontostand diese Aktion nahegelegt.

1997 war Jan Ullrich auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Als erster und bisher einziger Deutscher gewann er die Tour de France.
1997 war Jan Ullrich auf dem Höhepunkt seiner Karriere: Als erster und bisher einziger Deutscher gewann er die Tour de France. | Bild: Gero Breloer/dpa

Wie sehr hätten sich die Sport-Fans in all den Jahren einen Jan Ullrich gewünscht, der mal aus sich raus geht, der nicht rumeiert, der einfach ehrlich ist. Natürlich war die Radsport-Szene zu Ihrer Zeit durch und durch in einem Doping-Netzwerk gefangen. Und das hätte man so auch viel früher zugeben können. Stattdessen dieses ewige Gefasel, niemanden betrogen zu haben, weil die anderen ja auch nichts anderes getan hätten.

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Diese Verteidigung als Bauernschläue zu bezeichnen, würde jeden Landwirt beleidigen. Das hat Sie mehr Sympathien gekostet als der eigentliche Doping-Skandal. Um es auf den Punkt zu bringen: Die Opferrolle steht Ihnen nicht zu, Sie gehören zu den Tätern.

Aber dazu ist nun eigentlich alles gesagt. Wie Sie ihr Privatleben neu ordnen, ist Ihre Sache. Geht auch keinen was an. Vielleicht hilft das Geständnis, weil nun etwas mehr Ruhe um Sie entstehen könnte. Sie haben Freunde und Familie, damit lässt sich ein Neustart wagen.

Der ehemalige Radprofi Jan Ullrich, hier mit seiner Partnerin Elizabeth Napoles, will einen Neustart wagen. Wie der aussehen soll, ist ...
Der ehemalige Radprofi Jan Ullrich, hier mit seiner Partnerin Elizabeth Napoles, will einen Neustart wagen. Wie der aussehen soll, ist unklar. | Bild: Angelika Warmuth/dpa

Und beruflich? Lieber Jan Ullrich, die Vorstellung fällt mir schwer, dass Sie in absehbarer Zeit wieder irgendeine Funktion im Radsport übernehmen könnten. Zumal manche Leistung bei der vergangenen Tour de France sogar Experten ratlos zurück ließ und einmal mehr zu einem Doping-Generalverdacht führte.

Das Thema lässt die Szene nicht los – ob zu Recht oder nicht, ganz egal. Und mancher Protagonist vergangener Doping-Zeiten wirkt reichlich deplatziert im heutigen Tour-Tross. Halten Sie sich fern davon, zumindest die nächsten Jahre. Vielleicht ist einer, der hoch flog und ganz tief fiel, eher der richtige Mann für eine Trainertätigkeit im Nachwuchs. Wäre doch erfüllender, als Hobbyfahrer mit dicken Geldbeuteln über Malle zu lotsen.

Jeder hat eine zweite Chance verdient. Und 50 ist noch kein Alter. Daher feiern Sie schön. Und alles Gute für die Zukunft!