Es ist die größte PS-Party, die die Formel 1 seit Michael Schumachers Auftritten in Hockenheim und der Alonsomania in Spanien gefeiert hat. Max Verstappen vergoldet die Rückkehr des Großen Preises der Niederlande in den WM-Kalender durch seinen siebten Saisonsieg beim Heimspiel. Die Stimmung explodierte wie die Raketen bei der Zieldurchfahrt nach der Triumphfahrt. Ganz Holland durfte sich als Sieger fühlen.
Lewis Hamilton muss damit die Tabellenführung wieder hergeben, der Titelverteidiger belegt jetzt wie im Rennen Rang zwei. Beim 13. WM-Lauf betrug der Rückstand nach 72 Runden gut 21 Sekunden, in der Punktewertung sind es drei Zähler. Die Situation an der Spitze ist damit genau umgedreht. „Die waren einfach zu schnell“, stöhnte der Verfolger, „ich habe so viel Druck gemacht wie möglich. Aber Max hat einen perfekten Job gemacht.“
Strandfete an der Nordsee
Nach dem Grauen von Belgien folgt die Strandfete an der Nordsee. Selbst wenn es mal ein paar Wölkchen gab über der Piste im Nationalpark, leuchteten die mit 75.000 Menschen und null Masken proppenvoll besetzen Tribünen wie eine einzige orange Wand: Ein ganzes Land im Ausnahmezustand namens #Gomax.
Wie nett, dass die amtierende Königin auch noch Maxima heißt. Mehr an Unterstützung für den siegenden Holländer geht nicht. Mit Gatte Willem-Alexander war sie Gast in der Box von Red Bull Racing und bejubelte später die Krönung ihres Landsmanns. „Unglaublich“, stammelte der überwältigte Fahrer, „einer der besten Tage meines Lebens.“
Pole-Position war halbe Miete
Vorfreude ist die schönste Freude: Rund um das – beinahe autofreie – Seebad war über die vier Tage fast mehr Spektakel als dann im Rennen auf der Piste. Die für alle unbekannte Strecke, die nach 36 Jahren wieder einen Grand Prix sah, besitzt drei Stellen, die es in sich haben: Eine Haarnadelkurve gleich nach dem Start, eine Betonschüssel und eine Steilwand zum Schluss.
Überholen geht hier kaum, deshalb war die siebte Pole-Position Verstappens schon die halbe Miete. In der Tat lässt er die folgenden Mercedes-Piloten Hamilton und Valtteri Bottas gleich verhungern, der Brite hatte sofort zwei Sekunden Rückstand.
Gegen diesen Vorteil hilft auch keine Taktik. Die Boxenstopps bringen den Briten zwar näher ran an den Lokalmatadoren, aber eben nicht vorbei. Je mehr Hamilton über die Reifen schimpfte, je mehr gewann Verstappen an Selbstvertrauen. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen wie in der Qualifikation, als nur 38 Tausendstel zwischen den beiden lagen, konnte es über die gut 300 Kilometer nicht geben.
Flüssiges Rennen
Immer, wenn Mercedes eine Chance witterte, geriet Hamilton in den Verkehr. So kamen sich die beiden Rivalen nicht einmal nahe. Die schlimmen Befürchtungen nach den vielen Abbrüchen in den Trainingssitzungen bewahrheiteten sich nicht, weshalb auch das Safety Car als spannungsförderndes Strategiemittel ausfiel. Das Rennen war so flüssig wie manche Kurvenkombinationen in den Dünen, der Kies der Auslaufzonen blieb unangetastet.
Nur die vielen Überrundungen auf der kurzen und engen Piste sorgen dafür, dass Verstappen nicht einfach davonfahren kann, so bleibt es zumindest in der Theorie spannend. Hamilton tut das einzige, was er tun kann, er versucht Druck aufzubauen. Aber auch in diesem Punkt hat er mit Verstappen in diesem Jahr einen ebenbürtigen Gegner. So pflügte das Duo durchs Feld, immer mit gebührendem Abstand – mit regelmäßiger Annäherung.
Bottas widersetzt sich Teamanweisung
Alles kommt auf die Haltbarkeit der Reifen an, und da war die Mercedes-Taktik tatsächlich nicht besonders glücklich. „Sie brechen mir einfach weg“, klagte Hamilton zehn Runden vor Schluss. Wenn selbst der Dauer-Optimist sich nicht mehr motivieren kann, untermauert auch das die Überlegenheit von Red Bull Racing.
In der vorletzten Runde holt sich Hamilton nochmal frische Reifen, um den Extrapunkt zurückzugewinnen. Die hatte ihm sein Teamkollege Valtteri Bottas kurz zuvor gegen die ausdrückliche Anweisung des Teams gestohlen. Die Befehlsverweigerung klares Indiz, dass der Finne zum Saisonende ausgetauscht und zu Alfa Romeo geschickt wird – was schon diese Woche verkündet werden soll.

Klagelieder müssen auch die deutschen Piloten singen. Sebastian Vettel, in dessen Aston-Martin-Team es knirscht, hatte von Startplatz 15 aus ohnehin wenig Hoffnungen. Im Rennen fiel der Heppenheimer nur durch einen spektakulären Dreher in der Steilkurve auf, am Ende belegte er Rang 13. Der vierfache Champion im Niemandsland. Letzter im Ziel ist Mick Schumacher, der gleich am Anfang von seinem Haas-Kollegen Nikita Mazepin in einer erneut unfairen Aktion die Frontflügel abrasiert bekam und von da an dem Feld hinterherhinken musste. Die Strafe für den Russen: er musste vorzeitig sein Auto abstellen. Party-Laune kommt im Duell der Nachwuchs-Streithähne definitiv nicht auf.