Nachspielzeit, 90 plus sechs. Gerade hat der SC Freiburg das 1:0 gegen Werder Bremen gemacht. Das Europa Park-Stadion explodiert. Gemach, keine Gefahr. So geht er eben, der Sport-Sprech, wenn passiert, an was niemand mehr geglaubt hatte. Auf der Südtribüne, wo jene Fans stehen, die 90 Minuten Stimmung machen, fliegen vor Glück Bierbecher, aber es ist eher eine Ehre, Hopfensaft-benetzt nach Hause zu gehen als trocken.

Philipp bringt SC-Fans in Ekstase

Überall, ob auf Gegen-, Nord- oder Haupttribüne, hat es die SC-Anhänger aus ihren Sitzen gerissen. Auf dem Rasen rennen die Mitspieler auf den Kollegen zu, der mit einem grandiosen Volleyschuss nach scharfer Flanke von Noah Weißhaupt das Tor erzielt hat und nun mit erhobenen Zeigefingern sein Glück feiert. Kaum hat ihn die Meute erreicht ist es vorbei mit andächtigem Torjubel. Angesagt ist nun eine durcheinander schreiende Menschentraube vor ekstatischen Fans.

MAXIMILIAN PHILIPP heißt der Torschütze und es ist die Geschichte vom verlorenen Sohn, der heimgekehrt ist. Mal wieder, gähn, kitschig? Gar nicht, eher schon eine Freiburger Spezialität. Die Erinnerung sei aufpoliert mit den Namen Vincenzo Grifo und Matthias Ginter. „Vince“ hat in der Fremde kein Glück gefunden und ist erst zum Bundesliga-Topspieler geworden, als er wieder nach Freiburg zurückkam. „Matze“ war zwar erfolgreich, aber sein Herz gehört dem SC Freiburg, weshalb er zum 1. Juli 2022 in die Heimat zurückkam und seither überragt.

Das Ende einer Odyssee?

Zurück zu Maximilian Philipp. Vom 1. Januar 2013 bis zum 30. Juni 2017 war der gebürtige Berliner ein Wahl-Freiburger, wurde ausgebildet und gefördert, erst in der Fußballschule, dann in der zweiten und bald in der ersten Mannschaft. Sein Mentor war Christian Streich, verhindern konnte der freilich nicht, dass Philipp im Sommer 2017 zu Borussia Dortmund wechselte, später zu Dinamo Moskau, danach zum VfL Wolfsburg, um nach Bremen verliehen zu werden. Glücklich wurde der junge Mann nirgends, seit 21. August ist er wieder in Freiburg, vom Sport-Club ausgeliehen vom VfL Wolfsburg, eine Kaufoption steht im Vertrag.

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Gegen Bremen wird Philipp in der 61. Minute für Roland Sallai eingewechselt, 35 Minuten später ist er Held des Tages. „Schicksal“ sagt Philipp. „Er ist wieder daheim“, sagt Christian Streich, der unmittelbar nach dem Tor inmitten seiner jubelnden Trainerkollegen still die Seitenlinie entlang ging. Man kennt den Sport-Coach ja durchaus als brodelnden Vulkan, aber in diesem Fall war Stille nichts anderes als innige Freude. „Ich habe gewusst, dass es noch eine Minute geht“, redet sich Streich heraus, „da fällt dann plötzlich ein Tor für Bremen und alles ist dahin.

Emotionale Achterbahnen sind nicht gut für mein Herz.“ Ja, ja, Herr Streich! Also gesteht er eine positiv zu verordnende Schockstarre: „Natürlich habe ich mich gefreut, sonst müsste ich doch direkt zum Doktor“, sagt er, „der Milli war die Woche hier, er kennt nach sechs Jahren tatsächlich noch Spieler von früher, das ist ja unglaublich im heutigen Fußball. Und dann schießt er dieses Tor.“ Schluss, Ende, Überwältigung.

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Und Maximilian Philipp? „Es sind krasse Emotionen“, sagt der 29-Jährige. Dazu muss man wissen, dass Philipp am 16. April 2023 ein Tor für Bremen gegen den SC erzielt hat, der damals zwar 2:1 beim SV Werder gewann, „aber ich wollte mich beim Jubel etwas zurücknehmen“.

Philipp hofft auf ein Ende schwieriger Jahre

Das haben ihm dann die Kollegen und die Fans versaut. Er sei ein sensibler Mensch, mache sich „über allen Schwachsinn Gedanken“, weshalb er unsicher gewesen sei, wie er von den Freiburger Fans aufgenommen würde. „Ich hatte Zweifel, ob das okay ist, dass ich wieder da bin.“ Die Antwort weiß er nun: „Ich merkte, dass die Leute meine Art mögen. Ich hatte Gänsehaut, als ich reingekommen bin.“

So sollen die schwierigen Jahre des Maximilian Philipp nun vorbei sein. „Froh und glücklich bin ich, dass ich wieder hier sein und Vertrauen spüren darf“, sagt er. Einer aber bleibt der Wichtigste – Christian Streich. „Er ist eine absolute Vertrauensperson, er weiß, wie er mit mir umgehen muss.“