Lieber Christian,

wer hätte das gedacht, dass dies jemals eintreten könnte! Der Christian Streich verlängert seinen Trainervertrag beim SC Freiburg nicht!

Der Sport-Club und sein Trainer Christian Streich – viele junge Menschen haben nie etwas anderes kennengelernt. Zwölfeinhalb Jahre gegenseitiges Vertrauen und Treue, gibt‘s diese Begriffe überhaupt noch, zumindest in diesem Beruf? Ein gegenseitiges Vertrauen übrigens, das immer von Anstand, Respekt, Haltung geprägt war und auch von Optimismus, Selbstvertrauen und Verständnis füreinander.

1995 fing alles an

Alles fing jedoch schon viele Jahre früher an, 1995, in der Fußballschule. Vor 29 Jahren kamst Du als Jugendtrainer zu uns, und das trotz Deiner Vergangenheit beim Lokalrivalen Freiburger FC. Mit Dir kam ja auch Klemens Hartenbach, und ich kann mich noch gut daran erinnern, dass einige eingefleischte SCler zweifelten. Damals war ich Zweiter Vorsitzender hinter Achim Stocker, der dann in der Stadiongaststätte Dreisamblick am Kartentisch allen Diskussionen ein Ende setzte.

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Erfolgreicher Cheftrainer war Volker Finke und das gesamte Team hatte eigentlich – in der Ökonomie würde man von einem Minimalismus-Konzept sprechen – keine Chance, im Zirkus der Eitelkeiten zu überleben. Fußball-Deutschland wunderte sich über den SC Freiburg, wie man unter solchen Bedingungen Profifußball spielen kann.

Die Gründung einer Fußballakademie, in der uns eigenen SC-Bescheidenheit Fußballschule genannt, aufgebaut nach französischen Vorbildern und auch inspiriert von Ajax Amsterdam, sie war und ist eine der Säulen des Erfolgs unseres Sport-Clubs. Du, lieber Christian, hast schon damals einen neuen Geist in die Fußballschule gebracht mit Nachhaltigkeit, aber eben auch Ehrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Verein und gegenüber jedem einzelnen Fußballschüler.

Zahlreiche Erfolge in der Fußballschule

Sehr gut kann ich mich erinnern, wie Du in klaren, immer ehrlichen Gesprächen den Eltern der gescouteten Kids klargemacht hast, dass ihre Burschen höchstwahrscheinlich keine Profis werden würden. Dass Du den Talenten erklärt hast, dass sie nur eine Chance haben würden, wenn sie ihre Aufgaben im Training, aber auch in der Schule mit Fleiß erledigen, dass sie, ganz wichtig, eine soziale Kompetenz erarbeiten müssen. Nach dem Motto: „Alleine erreichst du nichts.“ Immer sollten sie Respekt und Wertschätzung gegenüber jedem entgegenbringen, um vorzubeugen, dass sie den Boden unter den Füßen verlieren.

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Die zahlreichen Erfolge in Deiner Zeit in der Fußballschule kann ich hier nicht alle aufzählen, aber den Jungs auch beizubringen, wie man mit Erfolg umgeht, ist einmalig gewesen. Um ein Beispiel zu nennen, das sich bei mir nachhaltig im Gedächtnis festgesetzt hat: Nach den Pokalsiegen der U19, wurde am nächsten Morgen eine Geschichtsunterrichts-Einheit per Fahrradtour durch Berlin gemacht, um den Jungs in der Stunde des Erfolgs zu zeigen, dass es weit Wichtigeres gibt als Fußball.

In der Zeit, als Du die Fußballschule geleitet hast, war ja nicht immer nur alles Friede, Freude, Eierkuchen, doch Du hast Dich nie von Deinem Weg abbringen lassen. Durch Dich sind viele, zum Teil auch nur durchschnittlich begabte Talente (das geben die übrigens zu!), durch Fleiß, Teamgeist und Beharrlichkeit zu Profis geworden. Dafür in aller Namen ein herzliches Dankeschön. Die veränderten Anforderungen an Dich, vom Trainer zum Leiter der Fußballschule und dann zum Cheftrainer der Profis, hast Du immer mit ganzer Leidenschaft, Hingabe, Klugheit und Weitblick ausgefüllt.

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Dabei war der Tag im Dezember 2011, an dem ich mit der Anfrage an Dich herangetreten bin, Cheftrainer zu werden, gar kein einfacher. Du warst nicht begeistert, dafür hast Du Dir Sorgen gemacht um meinen Geisteszustand. Vielen Dank noch mal! Wir hatten mächtig Dampf im Kessel, auch aufgrund der schwierigen Tabellensituation. Du warst bis zuletzt dagegen, aber als ich Dir einige alternative Namen präsentiert hatte, stand in Deinem Gesicht Entsetzen – und Du hast zugesagt.

Lieber Christian, der SC Freiburg, Deine Mitstreiter, die Fans, wir alle sind mit Dir als Cheftrainer glücklich geworden. Wir sind zusammen ab- und aufgestiegen. Wir haben Nervenschlachten hingelegt und die meisten gewonnen. Wir haben heimlich geweint und öffentlich gelacht. Wir haben europäisch gespielt und sind auf dem besten Weg, das zum dritten Mal in Serie zu schaffen. So viel Hüte kann man gar nicht auf dem Kopf haben, wie man ziehen möchte.

Ich war immer vollkommen davon überzeugt, dass du die einzig wahre Lösung für den Cheftrainerposten, die einzig wahre Lösung für uns bist, „immer geradeaus, knochentrocken und unverstellt“, wie ich Dein Wesen in einem SÜDKURIER-Interview mal beschrieben habe.

Und jetzt wird aus dem bist ein warst und Du verlässt uns. Aber so ganz stimmt das ja nicht. Der Trainer Christian Streich beim SC Freiburg ist Geschichte, aber im Herzen bist und bleibst Du ein SCler. Weil Du in diesen Verein, ich sag‘s mal wie ein Junger, auf ewig verknallt bist. Großer, großer Dank für alles, lieber Christian. Und nur das Beste für Dich und Deine Familie. Dein Fritz Keller.