Vier Finger und ein Halleluja, das fasst den Abschluss des Rennfilms von Las Vegas zusammen. Nicht das Silber für den Doppelerfolg von George Russell und Lewis Hamilton im Mercedes illuminierte den Nachthimmel von Nevada.

Es war die Farben für den Fünften des drittletzten Formel-1-Rennens der Saison, der zum dritten Mal in Folge vorzeitig Weltmeister geworden war.

Max Verstappen in seinem Red-Bull-Boliden während dem Rennen in Las Vegas.
Max Verstappen in seinem Red-Bull-Boliden während dem Rennen in Las Vegas. | Bild: PATRICK T. FALLON

„Oh mein Gott, viermal. Wenn wir über dieses Jahr nachdenken, was wir durchgemacht haben...“, stammelte Max Verstappen ins Helmmikrofon, nachdem er seinen Rivalen Lando Norris am Ende hinter sich gehalten hatte.

Aufs Risiko hatte er ausnahmsweise verzichtet, wieso auch einen Podiumsplatz anstreben, wenn er auch so in der ewigen Champions League wieder einen Platz aufrücken konnte.

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Die 63 Punkte Rückstand kann Norris nicht mehr aufholen, und der Brite gesteht: „Max zeigt einfach keine Schwächen.“

Mit jedem seiner Titel hat Max Verstappen ein neues Level erreicht, und das gilt nicht nur numerisch. Dreifache Champions wie Niki Lauda oder Ayrton Senna hat er nun hinter sich gelassen, die Ebene von Alain Prost und Sebastian Vettel erklommen.

Vor ihm liegen in der ewigen Bestenliste nur noch die Ausnahmefahrer wie Juan-Manuel Fangio, Lewis Hamilton und Michael Schumacher. Bei seiner Expedition an die Spitze der Formel 1 hat sich der Niederländer in jedem Jahr anders präsentiert.

2021 war er der wütende Weltmeister gewesen, 2022 der zufriedene, 2023 der überlegene und in dieser Saison, in dem rund um Red Bull Racing viel Chaos herrschte, war er dem Verlauf des Rennjahres entsprechend zwiegespalten: mal durfte er der good cop sein, mal musste er den bad cop spielen.

Der britische Mercedes-Fahrer George Russell feiert seinen Sieg. Bild: dpa
Der britische Mercedes-Fahrer George Russell feiert seinen Sieg. Bild: dpa | Bild: John Locher

Die richtige Mischung hat ihn zum Weltmeister gemacht. Der vierte Gesamtsieg in Folge ist besonders – wie immer, wenn große Rennfahrer nicht mehr im besten Auto sitzen.

Lewis Hamilton hatte das 2008 gezeigt, Michael Schumacher schon 1994, und Verstappen selbst vor drei Jahren. Solche Ausnahmeleistungen sprechen für eine besondere fahrerische und mentale Stärke. Tatsächlich blieb Verstappen, der seit Mai mit unterlegenem Material gegen Herausforderer Lando Norris gekämpft hat, erstaunlich gelassen.

„Es war eine sehr herausfordernde Saison. Auch für mich als Mensch und Person. Aber man muss ruhig bleiben“, bilanzierte Verstappen, „ich habe sehr viele Lektionen gelernt. Und bin sehr stolz, wie wir alle damit umgegangen sind. Das ist ein sehr besonderer Titel.“

Verstappen glänzt nach Durststrecke

Der 26-Jährige hat mit seiner Einstellung Wort gegenüber sich selbst gehalten. Nach seinem ersten, umstrittenen Titelgewinn auf der letzten Runde von Abu Dhabi hatte er gemutmaßt, dass alles, was jetzt noch komme, nur noch ein Bonus sei.

Dass er im Regenrennen von Brasilien seinem erneut viel zu unbeständigen Widersacher Lando Norris und auch dem Rest seiner Kritiker mit einer Triumphfahrt von Startplatz 16 zum Sieg Paroli bieten konnte, muss dieser Gelassenheit entsprungen sein.

Denn seine Ausgangsposition schien hoffnungslos. Da war aber wohl auch viel Macht der Verzweiflung dabei, zehn Rennen ohne Sieg in Folge hatten Spuren hinterlassen.

Erfolg durch eiserne Entschlossenheit

Die Dramatik der Titelverteidigung passt zu diesem wilden Rennjahr, das von enormer Leistungsdichte und Konkurrenzfähigkeit geprägt war. Max Verstappen hat stets die Nerven behalten, das war neben seiner herausragenden Intuition die wichtigste Weltmeistertugend.

Gerade weil sich rund um ihn herum nicht die erwartete unbeschwerte Saison entwickelt hatte, musste er selbst nah an der Perfektion sein.

Talent ist das eine, aber erst eine eiserne Entschlossenheit formt Weltmeister: Wenn du auf der Strecke gewinnen willst, wenn du ein Champion sein willst, musst du am Limit sein.“

Dass ihm das gelungen ist, war der Hauptunterschied zu seinem Rivalen Lando Norris, den er förmlich zur Aufgabe aller Titelträume gezwungen hatte. Doch Verstappen durfte sich einfach keinen großen Fehler erlauben, und er hat auch keinen gemacht.

Oft erschien er im Herbst zugespitzten Titelkampf wie ein Geächteter. Vermutlich seine Lieblingsrolle, in der er auf niemand Rücksicht nehmen musste, nicht mal auf sich selbst.

Auch darin lag sein Vorteil gegenüber Kumpel Norris. Bernie Ecclestone, ehemaliger Zampano der Formel 1 und inzwischen 94 Jahre alt, sagt: „Ich habe alle Großen erlebt, aber das ist einer der Besten, die ich je gesehen habe.“

Niederländer stellt Rekord auf

Max Verstappen scheint zu einem Souverän gereift, auch wenn er sich zum Teil heftige Kämpfe mit Teamchef Christian Horner oder FIA-Präsident Mohammed Ben Sulayem lieferte. Politischer ist er dabei geworden, auch berechnender.

Und er hat sich darüber selbst befreit, ist in einem rasenden Reifeprozess deutlich verantwortungsvoller geworden. Er, dessen ganz große fahrerische Stärke in der Intuition liegt, spürte, wie sich seine ganze verunsicherte Rennmannschaft an ihm aufrichtete.

Er selbst steht da allerdings wenig nach. Seit beinahe 900 Tagen führt er die WM-Wertung ununterbrochen an, damit ist ein zwei Jahrzehnte alter Rekord von Michael Schumacher gefallen.

In den neun Jahren, seit er bei Red Bull Racing fährt, konnte er 62 Rennen gewinnen, ebenso viele wie Lewis Hamilton – und damit eins mehr als alle anderen Piloten in dieser Zeit zusammen.

Man könnte ihn einen Serientäter nennen. Viermal in Folge Champion geworden zu sein, das hatten zuvor nur Schumacher, Hamilton und sein Red-Bull-Vorgänger Vettel geschafft.

Für ihn selbst steckt dahinter kein besonderes Erfolgsgeheimnis. „Wenn du Weltmeister werden willst, kannst du dir schlechte Ergebnisse einfach nicht leisten„, sagt Max Verstappen. Und was die Zukunft angeht, hat er nach dem Feierabend von Las Vegas schon angedroht: „Ich bin hungrig.“