Herr Piccard, Sie gelten als einer der größten Abenteurer unserer Zeit und sind ein Verfechter von Öko-Energien. Lassen wir uns beim Thema Wasserstoff nicht auf ein Abenteuer ein?
Nein, gar nicht. Warum?
Seit Jahrzehnten wird an der Brennstoffzelle und Wasserstoffantrieben geforscht, aber es gibt noch immer Vorbehalte bei Sicherheit und Kosten…
Das sind vorgeschobene Argumente. Dass es nicht schneller geht, hängt mit unserer Unfähigkeit zusammen, das Neue konsequent zu denken und dann entschlossen zu handeln. Wir sind allzu oft Gefangene von überkommenen Paradigmen. Ein Beispiel: Als ich Ende des vergangenen Jahrzehnts mit meiner Idee, mit unserem Solarflugzeug Solar Impulse ohne Hilfsmittel die Welt zu umrunden, bei Fachleuten vorsprach, dauerte es ungefähr eine Minute, bis sie mir erklärt hatten, dass das ganz und gar unmöglich sei. Unser Team hat aber weitergemacht und 2016 haben wir es tatsächlich geschafft. Wir sind ohne Sprit rund um die Welt geflogen. Es ging also sehr wohl. Beim Thema Wasserstoff ist das ähnlich.

Das heißt, Sie halten es für möglich, dass eine Wirtschaft komplett von fossilen Brennstoffen weggeht und sich in eine Wasserstoffwirtschaft wandelt?
Ja natürlich. Dafür müssen wir aber vom Dogma der Mehr-Produktion wegkommen. Das ist ein ökologisches Desaster. Vielmehr müssen wir Energie effizienter einsetzen. Warum verwenden wir Verbrennungsmotoren, die einen Wirkungsgrad weniger als 30 Prozent aufweisen? Der Elektro-Motor hat gut 80 Prozent. Warum dämmen wir unsere Häuser nicht endlich besser? Warum werden wir in industriellen Prozessen nicht viel effizienter? Alle diese Technologien stehen bereit, wir müssen sie nur einsetzen. Dann ist übrigens auch Wachstum kein Problem mehr. Es ist aber dann vom Ressourcenverbrauch entkoppelt. Wohlstand und Umweltschutz passen sehr wohl zusammen. Gerade jetzt in der Krise brauchen wir mehr Impulse, alte Technologien durch neue, saubere zu ersetzen. Die Zeit ist reif dafür.

Die Widerstände werden enorm sein. Immerhin hängen ganze Branchen an diesen alten Technologien….
Ich bezweifle das. Man muss es nur geschickt anstellen. In der Schweiz sehen wir gerade, dass Mineralöl-Unternehmen die Treiber hinter einem einzigartigen Wasserstoff-Projekt sind. Ihnen ist klar, dass sie in 20 Jahren nicht mehr einfach Benzin und Diesel verkaufen können. Daher investieren sie jetzt in grünen Wasserstoff. Genauso könnte man auch viele Erdölfördernationen, etwa im Nahen Osten, überzeugen, in ihren Wüsten Solarstrom zu produzieren und damit grünen Wasserstoff zu raffinieren. Der käme dann per Tankschiff nach Europa. Erdöl geht ja sowieso irgendwann aus. Das alles ist logisch. Und es ist ökologisch.