Über Monate hinweg hat Nik Volz über Geld gesprochen. Genauer gesagt: über das Gehalt seiner Kolleginnen und Kollegen bei der Digitalagentur Formigas aus Konstanz. Als Teil eines Dreiergespanns hat Volz sich mit der Frage beschäftigt: Wie wird die Bezahlung für alle möglichst gerecht?

Gemeinsam mit zwei anderen Kollegen hat Nik Volz das neue Vergütungsmodell bei Formigas entwickelt.
Gemeinsam mit zwei anderen Kollegen hat Nik Volz das neue Vergütungsmodell bei Formigas entwickelt. | Bild: Formigas

Heraus kam ein Vergütungsmodell, das sich aus festen und flexiblen Faktoren zusammensetzt. Es bildet auf Basis von vielen Gesprächen und Umfragen das ab, was die Beschäftigten als fair empfinden.

Das Gehaltsmodell bei Formigas

Was das Gehaltsmodell dem Einzelnen bringt, ist allen bis auf den Euro bekannt. Jederzeit können die 22 Mitarbeiter sämtliche Löhne einsehen, auch das des Geschäftsführers Jens Hensler. Und der hat, wie er sagt, „mit dem Gehaltssystem gar nicht so viel am Hut gehabt.“

Denn das neue Modell sollte ganz bewusst aus dem Team heraus entwickelt werden, erklärt Hensler. Die Idee dahinter: Wenn alle nicht nur wissen, was die anderen verdienen, sondern auch, was dahinter steckt und sogar aktiv mitgestalten dürfen, wird die Lösung akzeptiert.

Firmen hinterfragen bestehende Modelle

Formigas ist nicht das einzige Unternehmen in Deutschland, das beim Gehalt neue Wege geht. Vom Berliner Kondom-Hersteller Einhorn bis zum Technologiekonzern Bosch loten Firmen Alternativen zu etablierten Vergütungssystemen aus.

Dabei kommen die Modelle unterschiedlich daher. Während die einen ein Einheitsgehalt einführen, nutzen andere Formeln oder ein Wunschgehalt. Was alle vereint: der Gedanke, dass bestehende Herangehensweisen bei der Bezahlung neuem Arbeiten nicht gerecht werden.

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„Herkömmliche Vergütungsmodelle orientieren sich oft an Grundannahmen, die der heutigen Arbeitswelt nicht mehr entsprechen. Denn Jobprofile entwickeln sich dynamisch“, sagt Stefanie Hornung. Die Freiburger Autorin ist Expertin im Bereich „New Pay“, also für neuartige Entlohnungsmodelle.

Gehälter seien oft nicht nachvollziehbar strukturiert, setzten falsche Anreize und widersprüchliche Signale, sagt Hornung und nennt zwei Beispiele: Wenn die Geschäftsführung immer wieder betont, wie wichtig Innovation ist, sie dann aber nur wirtschaftliche Kennzahlen im Bestandsgeschäft belohnt. Oder wenn Führungskräfte selbst nicht verstehen, warum bestimmte Vergütungsregeln gelten – sie diese aber trotzdem ihren Mitarbeitern vermitteln sollen.

Jeder Dritte denkt ans Kündigen

Die Folge sind oft Missverständnisse, Unzufriedenheit, Demotivation. Laut einer Umfrage der Unternehmensberatung McKinsey denkt fast jeder Dritte in Deutschland daran, in den kommenden drei bis sechs Monaten zu kündigen. Hauptgrund: Gehaltsfrust.

Jens Hensler ist Geschäftsführer von Formigas. Mit dem neuen Gehaltssystem hatte er „nicht viel am Hut“.
Jens Hensler ist Geschäftsführer von Formigas. Mit dem neuen Gehaltssystem hatte er „nicht viel am Hut“. | Bild: Formigas

Eine gewisse Unruhe habe es auch bei Formigas vor rund eineinhalb Jahren gegeben, als das Gehalt noch nach einer Formel berechnet wurde, erzählt Geschäftsführer Hensler. „Wir haben uns als Firma weiterentwickelt, sind aus der Startup-Phase herausgewachsen. Die Lebenssituation vieler langjähriger Mitarbeiter hat sich weiterentwickelt. Das musste sich auch in der Bezahlung widerspiegeln.“ Er fasste daraufhin den Entschluss: Niemand soll Formigas wegen des Gehalts verlassen. Es folgte der Startschuss für das neue Modell.

Gehalt setzt sich aus Bausteinen zusammen

Als das Konzept nach dem Baukaustenprinzip stand, gab es nur eine Herausforderung: Allein die Einführung des Grundgehalts bescherte allen Beschäftigten ein Plus. Deshalb werden die anderen Bausteine nach und nach eingeführt, wie Nik Volz erzählt.

Das Verständnis dafür sei groß. Nicht zuletzt auch deshalb, weil beim monatlichen Team-Meeting alle einen Blick auf den Kontostand werfen. „Wenn alle wissen, wie es der Firma gerade geht, schafft das Verständnis dafür, ob man Gehälter gerade erhöhen kann oder nicht“, sagt der Geschäftsführer.

Auf dem Weg zum neuen Gehalt ist Formigas also noch nicht angekommen. Doch die Zufriedenheit sei schon jetzt spürbar, sagt Volz. „Ich muss mir nicht mehr den Kopf zerbrechen, ob ich fair entlohnt werde.“

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„Die Leute sind loyaler“, sagt Hensler. Auch Bewerberinnen und Bewerber wissen von vornherein, welche Gehaltsspanne sie erwartet – und seien oft erleichtert, dass sie nicht pokern müssten.

Letztlich, da sind sich beide einig, werde über das Gehalt bei Formigas kaum noch gesprochen. Und wenn, dann wie über jedes andere Thema auch: offen, transparent und ohne Tabus.