Die Prognosen sind düster. Die Aktien von Curevac stürzen um fast 50 Prozent auf nur 41,4 Euro. So zumindest lautet der inoffizielle Kurs bereits am Donnerstagmorgen. Der Grund: Zu lange hat sich die Zulassung des Impfstoffs gegen Corona des einstigen Hoffnungsträgers in Tübingen hinausgezögert. Nun musste der Hersteller zudem seine Wirksamkeitsdaten veröffentlichen. Und die fallen so schlecht aus, dass sie die statistischen Ziele verfehlen.

Nach wie vor ist unklar, wann der Impfstoff seine Zulassung bekommt. Dabei hatte das Unternehmen auf Anfang Juni spekuliert. Vergangene Woche wurde allerdings bekannt, dass die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA), zuständig für die Zulassung, nicht mehr vor August damit rechnet. Nun könnte stattdessen die Zulassung als solche auf der Kippe stehen.

Wirksamkeit nur 47 Prozent

Denn das Ergebnis der Zwischenanalyse hat es in sich: Die Wirksamkeit liegt nur bei 47 Prozent. „Erste Analysen zeigen, dass die Wirksamkeit von der untersuchten Altersgruppe und den Virusstämmen abhängt“, heißt es in einer Stellungnahme von Curevac. Tatsächlich hat der Impfstoffhersteller damit zu kämpfen, dass die Ursprungsvariante inzwischen kaum mehr auftritt – sie wurde längst verdrängt von den Virusvarianten. Mindestens 13 kursieren inzwischen.

Aus der Zwischenanalyse wurden 124 Infektion auf die jeweilige Virusvariante überprüft. Nur in einem einzigen Fall trat das ursprüngliche SARS-CoV-2-Virus auf. Mehr als die Hälfte der Infektionen (57 Prozent) fielen dagegen unter die sogenannten besorgniserregenden Varianten. Das Problem: Sobald die klinische Studie läuft, dürfen am Impfstoff keine Veränderungen mehr vorgenommen werden.

„Wir hatten auf stärkere Ergebnisse in der Zwischenanalyse gehofft“, gesteht der Vorstandsvorsitzende von Curevac, Franz-Werner Haas. „Die endgültige Wirksamkeit könnte sich noch verändern“, hofft Haas. Er macht die Virusvarianten für das Ergebnis verantwortlich. Andere Hersteller wirkten allerdings mit ihren zugelassenen Impfstoffen nach jüngsten Untersuchungen auch stark gegen die Virusvarianten.

Der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) glaubt zudem nicht, dass sich die Wirksamkeit noch stark steigern lässt. Normalerweise verbessere sich diese nur um wenige Prozent bis zum Abschluss der Analyse, hieß es.

Der Tübinger Leiter der Studie, Peter Kremsner, reagierte zunächst nicht auf eine Anfrage dieser Zeitung. Dem SWR sagte er, dass das Vakzin nicht hoch genug dosiert werden konnte: Curevac wird mit 12 Mikrogramm verimpft, bei den anderen Herstellern sind es aber 70 bis 100 Mikrogramm. Höhere Dosen hätten bei Curevac aber zu Unverträglichkeiten geführt.

Zulassung fraglich

Ob die Ema den Impfstoff zulässt, ist fraglich. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht von einer Wirksamkeit von mindestens 70 Prozent aus, die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte vergangenes Jahr einen Mindestwert von 50 Prozent festgelegt. Bei Grippeimpfstoffen liegt er oft geringer, die bisherigen Corona-Impfstoffhersteller erreichten allerdings Wirksamkeitswerte von 70 bis über 90 Prozent.

Für die Investoren ist das eine bittere Pille. Größter Investor ist der SAP-Gründer Dietmar Hopp mit fast 47 Prozent. Der Bund hat das Unternehmen massiv gefördert. Mitte Juni 2020 hatte das Bundeswirtschaftsministerium bekannt gegeben, über die Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) 300 Millionen Euro in Curevac zu investieren. Im Herbst folgte eine weitere Finanzspritze über das Bundesforschungsministerium in Höhe von 252 Millionen Euro. Mittlerweile hält der Bund 16 Prozent der Anteile.

Auf Anfrage heißt es dazu aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi): „Das BMWi hält für die Bundesregierung die Beteiligung an dem Unternehmen ohne jeglichen Einfluss auf das operative Geschäft.“ Aus gut informierten Kreisen ist allerdings zu vernehmen, dass der Bund bislang keine Verluste gefahren habe, lege man die Einstiegssumme zugrunde.

Die Sprecherin verteidigt die Investition: „Zum einen ist es das Ziel des Konjunkturpakets vom Juni 2020, mehr Impfstoffproduktion in Deutschland und Europa anzusiedeln. Zudem hat sich die Bundesregierung an Curevac beteiligt, um Forschungsaktivitäten und Know-How im Bereich der mRNA-Technologie zu stärken.“

Große Liefermengen geplant

Curevac hat vorgeplant und will noch dieses Jahr 300 Millionen Dosen liefern, bis zu einer Milliarde im kommenden Jahr. Die EU-Kommission hatte 220 Millionen Dosen des Impfstoffs vorbestellt, Deutschland sollte 24,5 Millionen Dosen erhalten. Aus der aktuellen Impfkampagne des Bundes ist Curevac trotzdem längst ausgemustert.

„Eine Auswirkung auf das Tempo unserer Impfkampagne hat diese Mitteilung nicht“, versichert der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Sebastian Gülden, dem SÜDKURIER auf Anfrage. Zu dem ernüchternden Zwischenergebnis will er sich aber nicht äußern: „Die Nachrichten über vorläufige Studienergebnisse können wir von Seiten des Ministeriums nicht kommentieren.“

Anders als andere Impfstoffhersteller hatte sich Curevac mit der Finanzspritze vom Bund erst Ende 2020 mit Bayer einen Partner ins Boot geholt – allerdings nur über einen Service- und Kooperationsvertrag. Das erfahrene Pharmaunternehmen sollte dem Erstlingsimpfstoffproduzenten bei der Entwicklung und Logistik unter die Arme greifen.

Doch zu spät, monieren Kritiker. Es kam zu Verzögerungen in der klinischen Studie, die im Juni vergangenes Jahr begann. Erst im Dezember startete Curevac mit der entscheidenden dritten Phase der klinischen Studie, in der die Wirksamkeit des Vakzins geprüft wird.

Bayer will trotzdem weiter an der Seite von Curevac bleiben, wie ein Sprecher mitteilte. „Mit der Fortführung der Studie wird auch unsere Unterstützung fortgesetzt, während wir die Situation genauer bewerten“, hieß es. Der Pharmariese plante eigentlich, ab Dezember in Wuppertal den Curevac-Impfstoff herzustellen.

Zweite Generation in Arbeit

Haas setzt auf die Zukunft: Die Entwicklung von Impfstoffen der zweiten Generation sei „sehr wichtig, da immer neue Varianten auftreten.“ Curevac hat bereits investiert – diesmal von Anfang an mit einem Partner im Boot: Die Tübinger arbeiten mit dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline an der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen der nächsten Generation.