Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen. Eine Bundesregierung, die als Fortschrittskoalition angetreten und deren Leitmotiv der Umbau Deutschlands zur Klimaneutralität ist, stellt die Weichen auf eine selten gesehene Fahrpreiserhöhung bei der Deutschen Bahn, dem klimafreundlichsten Massenverkehrsmittel hierzulande.

Ampelkompromiss zulasten der Bahn

Warum das Ganze? Die Ampel bekommt ihre Haushaltsprobleme nicht in den Griff, und um das Budget doch noch verfassungskonform hinzuruckeln, hat sie zu einem fiskalischen Trick gegriffen. Das Dumme bei der neuen Form der Finanzarithmetik ist: Die Bahn kommt dabei unter die Räder. Denn was für den Bundeshaushalt und damit den Frieden in der Ampel gut ist, wirkt sich für die Attraktivität der Bahn desaströs aus.

Im zweistelligen Prozentbereich könnten die Trassenpreise, die alle Bahnunternehmen an die DB-Netztochter zahlen müssen, steigen. Käme das so, würden auch die Ticketpreise in die Höhe schnellen. Bahnfahrer und Pendler würden wohl aufs Auto umsteigen. Und Massengütertransporte würden auf die Straße verlagert.

1,2 Billionen Euro wird der Ausbau der Energieinfrastruktur in Deutschland bis 2045 kosten. Bis 2030 sind allein für die Netze rund 330 ...
1,2 Billionen Euro wird der Ausbau der Energieinfrastruktur in Deutschland bis 2045 kosten. Bis 2030 sind allein für die Netze rund 330 Milliarden Euro fällig. Wer kann das bezahlen? | Bild: Jens Büttner, dpa

Das politische Bahnpreis-Debakel, in das die Ampelkoalition hineinsteuert, ist aber nicht nur ein Beispiel für schlechte Regierungsführung, sondern lenkt den Blick auch auf ein generelles Problem der kommenden Jahrzehnte. Der Umbau des Landes zur Klimaneutralität sowie die Vernachlässigung ganzer Infrastrukturbereiche zieht einen ungeheuren Investitionsbedarf nach sich.

Investieren bis über die Belastungsgrenze?

Bis sich diese Investitionen durch eine steigende Standortattraktivität, stärkeres Wirtschaftswachstum oder Einsparungen und Effizienzgewinne, etwa beim Einkauf fossiler Brennstoffe, auszahlen werden, wird es Jahrzehnte dauern. Bis dahin wird die Belastung für Bürger und Unternehmen massiv ansteigen.

Bahnfahren wird teurer werden, jede Form der Energie auch. Zumindest, wenn nicht noch irgendein Geistesblitz die Verantwortlichen in Berlin durchzuckt. Das aber ist nicht in Sicht.

Hehre Ziele, schlechte Umsetzung

Schon jetzt gelingt es dem Bund nur mit viel Mühe, die teils überbordenden Infrastruktur-Kosten so umzubuchen, dass keine Verwerfungen entstehen. Das beste Beispiel dafür ist die EEG-Umlage zur Förderung Erneuerbarer Energien. Bis zum Ukraine-Krieg wurde sie von den Stromverbrauchern über die Stromrechnung getragen.

Seit Mitte 2022 kommt der Bundeshaushalt dafür auf. Das Manöver hat zwar für eine Entlastung bei den Strompreisen gesorgt, bringt jetzt aber den Bundeshaushalt massiv unter Druck. Bis zu zehn Milliarden Euro Extrakosten muss der Bund Schätzungen zufolge für die EEG-Umlage 2024 schultern. Und künftig wird es kaum besser werden.

Wasserstoff ist das neue Erdgas. Die Infrastruktur muss zum Teil neu aufgebaut werden. Das ist teuer.
Wasserstoff ist das neue Erdgas. Die Infrastruktur muss zum Teil neu aufgebaut werden. Das ist teuer. | Bild: Uwe Zucchi, dpa

Mobilität, Strom, Gas – alles wird teurer

In ganz anderen Dimensionen bewegt man sich beim Thema Energienetze. Wie Autobahnen und Schienenwege durchziehen sie schon heute das ganze Land. Im Zuge der Energiewende sollen sie massiv aus- und umgebaut werden. Der Prozess ist noch ganz am Anfang, aber schon jetzt schießen die Kosten durch die Decke. Im Frühjahr hat der Energiebranchenverband BDEW den Netz-Investitionsbedarf allein bis 2030 auf rund 330 Milliarden Euro beziffert.

Die Kosten werden dabei, ähnlich wie bei den Trassenpreisen der Bahn, via Netzentgelte auf die Endkunden-Tarife für Strom und Gas übergewälzt. Auch hier droht eine Kostenlawine. Nicht zu vergessen ist dabei, dass mit dem neuen Wasserstoffkernnetz eine komplett neue Infrastruktur geplant ist, die weitere Milliarden verschlingen und ebenfalls mittels Umlage im Energiepreis durchschlagen wird.

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Das Land ist überfordert – die Regierung auch

Wie und wer das alles bezahlen soll, ist schleierhaft. Der bisherige Lösungsansatz des Bundeswirtschaftsministeriums, die Kosten staatlich vorzufinanzieren und zeitlich zu strecken, vertagt das Kostenproblem nur. Nach Jahren der Ankündigungspolitik – auch diverser Vorgängerregierungen – wird immer deutlicher, dass die Ampel bei der Umsetzung der hochtrabenden Pläne nicht nur sich selbst, sondern auch das Land überfordert.