Mobiles Arbeiten ermöglicht den nahtlosen Wechsel zwischen Arbeitsplatz und Erholung. So spielt es immer weniger eine Rolle, ob die Arbeit im Büro erledigt wird oder an einem Laptop, der auf einem Campingtisch im Wald steht. Um trotzdem entsprechenden Komfort mit in den Wald zu bringen, setzt die Erwin Hymer Group (EHG) einen Schwerpunkt auf digitalisierte Wohnmobile. „Das mobile Office lässt sich so fast überall realisieren“, sagte Martin Brandt, EHG-Vorstandsvorsitzender, auf der digitalen Jahrespressekonferenz.

Wohnmobil als Büro

Bestimmte Modelle der Reisemobile sind so ausgestattet, dass sie sich auch als Büro eignen, erklärt Brandt. „Im Moment ist das noch eine Sonderausstattung, aber wir überlegen das als Variante in den Standard mit hineinzunehmen.“ Ganz im Sinne der Work-Life-Balance.

Der Blick ins Hymer-Werk in Bad Waldsee.
Der Blick ins Hymer-Werk in Bad Waldsee. | Bild: Hymer GmbH & Co. KG

20 Millionen Deutsche denken ans Caravaning

Doch Campen ist nicht nur für jene ein Thema, die es sich erlauben können, ihr Büro an den Badesee zu verlegen. „Wir sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt Brandt. Durch alle sozialen Milieus und Altersschichten ziehe sich das Interesse am Caravaning-Trend. Laut einer Branchenstudie befasst sich fast ein Viertel der Deutschen mit dem Thema, also rund 20 Millionen Menschen.

Und fast fünf Millionen Deutsche haben im laufenden Jahr einen Urlaub oder einen Kurzausflug mit dem Reisemobil oder Wohnwagen geplant. Das ist ein Anstieg um 44 Prozent im Vergleich zur Studie des Vorjahres. Die Verfasser der Studie erwarten, dass noch in diesem Jahr über 1,5 Millionen Freizeitmobile auf deutschen Straßen zugelassen sein werden.

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„So viele Fahrzeuge wie nie zuvor“

Die Corona-Pandemie hat das Bedürfnis nach einem selbstbestimmten und flexiblen Urlaub möglichst im eigenen Land sprunghaft ansteigen lassen und damit der Caravaning-Branche ein enormes Wachstum beschert. „Wir haben so viele Fahrzeuge ausgeliefert, wie nie zuvor“, berichtet Brandt vom Erfolg der Unternehmensgruppe mit Sitz in Bad Waldsee. 65.000 Camper, Caravans und Reisemobile fertigte und lieferte der Wohnwagenhersteller im Finanzjahr 2020/2021 (August 2020 bis Juli 2021) aus. 18 Prozent mehr als im Vorjahr.

Martin Brandt, Vorstandsvorsitzender der Erwin-Hymer-Gruppe
Martin Brandt, Vorstandsvorsitzender der Erwin-Hymer-Gruppe | Bild: Hymer

Besonders stark ist der Zuwachs innerhalb der EHG bei den Campervans gewesen. Mit insgesamt 21.000 Stück ist der Absatz in diesem Segment im Finanzjahr 2020/2021 um 60 Prozent gestiegen. Weniger stark wuchs der Bereich der klassischen Reisemobile. Hier verzeichnetet die Gruppe ein Wachstum von 10 Prozent auf 30.000 verkaufte Fahrzeuge.

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Einer der Marktführer in Europa

Die Gruppe, zu der neben Hymer unter anderem auch die Marken Bürstner und Dethleffs gehören, hat nach Angaben von CEO Martin Brandt im Jahr 2020 bei den Reisemobilien und Campervans in Europa einen Marktanteil von rund 26 Prozent, bei Wohnwagen von rund 20 Prozent.

Damit konnte sie den Umsatz im Finanzjahr 2020/2021 um 23 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro steigern. Der guten Auftragslage entsprechend wuchs auch die Zahl der Mitarbeiter in der Gruppe um 1534 auf 8883 (plus 21 Prozent) an. Bei der hohen Nachfrage könne sich die Wartezeit für ein bestimmtes Wohnmobil auch mal eineinhalb Jahre hinziehen, so Brandt. Viele Händler hätten keine großen Bestände mehr. Den Preis beziffert er von 50.000 Euro aufwärts.

Lieferengpässe bedrohen Produktion

„Die Auftragsbücher sind ohne Ausnahme bei allen EHG-Marken sehr gut gefüllt“, sagte Brandt. Doch die weltweiten Lieferengpässe machen auch vor dem Wohnmobilhersteller nicht halt. Drastische Verzögerungen bei der Lieferung von Fahrgestellen führen dazu, dass auch Hymer gegenüber seinen Kunden in Verzug gerät.

Viel Stauraum für einen unabhängigen Urlaub bieten die Reisemobile.
Viel Stauraum für einen unabhängigen Urlaub bieten die Reisemobile. | Bild: Erwin Hymer Group

Besondere Probleme bereitet dabei die Schließung des Fiat-Transporterwerks über mehrere Wochen. Brandt hielt Produktionsstopps sowie phasenweise auch Kurzarbeit in den kommenden Monaten für möglich. Um die Auswirkungen der Engpässe abzufedern, liefen Gespräche mit anderen Herstellern. Im Frühjahr könnten schon Fahrzeuge auf Basis des Ford Transits gebaut werden.

Nachhaltigkeit als strategischer Schwerpunkt in der Erwin-Hymer-Gruppe

Als Unternehmen, das von einer intakten Natur profitiert, hat die Hymer-Gruppe einen Schwerpunkt auf das Thema Nachhaltigkeit gesetzt. „Unsere Art, die Freizeit in der Natur zu genießen, soll das Ökosystem Natur so wenig wie möglich belasten“, so Brandt.

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Das Unternehmen habe eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die es durch nachhaltiges Wirtschaften wahrnehmen will, sagte Vorstandsmitglied Jan Francke, der für das operative Geschäft verantwortlich ist. „Das war noch nie so wichtig wie heute.“ Herausforderungen wie Klimawandel und knappe Ressourcen ließen sich nur im Einklang von Politik, Gesellschaft und Industrie bewältigen.

Klimaneutrale Produktion an allen Standorten

So hat die Erwin-Hymer-Gruppe bislang 60 Projekte definiert, die das Thema Nachhaltigkeit voranbringen sollen. Ein Projekt ist die klimaneutrale Produktion, die die Gruppe bereits in diesem Jahr an allen Standorten erreicht hat. Bis zum Jahr 2030 soll der CO2-Ausstoß um 50 Prozent reduziert werden, bis spätestens 2050 soll die ganze Gruppe CO2-neutral sein.

Wer mit dem Camper-Van verreist verbringt meist viel Zeit im Freien.
Wer mit dem Camper-Van verreist verbringt meist viel Zeit im Freien. | Bild: Erwin Hymer Group

Weitere Schritte, wie Strom aus Solarenergie oder die Verwendung von ausschließlich zertifiziertem Holz sollen den grünen Fußabdruck vergrößern. Eine Halbierung der Treibhausgase habe es bereits in den vergangenen zwei Jahren gegeben. Alles was nicht reduziert werden könne an CO2, solle durch Projekte kompensiert werden.

Als Gegenentwurf zum Massentourismus sieht Martin Brandt das Caravaning, eine individuelle Form des Urlaubs. Slow Travel als Verbindung zwischen Natur, der Region und den dort lebenden Menschen. Martin Brandt betonte, dass sich Nachhaltigkeit und ökonomischer Erfolg nicht widersprechen würden.