Herr Brandt, der Umsatz der Erwin-Hymer-Gruppe ist in Europa um 23 Prozent gewachsen. Wie steht der deutsche Markt im Vergleich zum restlichen Europa da?

Deutschland ist die Lokomotive für unsere Gruppe. Der Markt macht über 50 Prozent des Umsatzes aus. Wir waren mit unserem Marketing bislang stark auf Messen ausgerichtet. Neuerdings fokussieren wir uns stärker auf Online-Marketing und starten dort gezielte Kampagnen. Gleichzeitig haben wir über den Caravaning-Verband in Deutschland Fernsehwerbung zur Primetime geschaltet. In den Spots wurde das Gefühl des Caravaning vermittelt. Ich glaube, das hat viel dazu beigetragen, dass das Caravaning aus der Nische der Camper herauskam und wir es in die Mitte der Gesellschaft gebracht haben.

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Hat sich auch die Nachfrage verändert?

Wir merken eine verstärkte Nachfrage nach kompakten Fahrzeugen. Die werden klassisch nicht für vier Wochen Adria genutzt, sondern auch über ein verlängertes Wochenende oder Kurzurlaube. Das ist ein anderer Kundenkreis, den wir durch das Marketing gewinnen konnten.

Martin Brandt, Vorstandsvorsitzender der Erwin-Hymer-Gruppe
Martin Brandt, Vorstandsvorsitzender der Erwin-Hymer-Gruppe | Bild: Hymer

Ist Caravaning weltweit ein Trend? Campen die Chinesen auch gerne?

90 Prozent des Weltmarktes konzentrieren sich auf Nordamerika und Europa, wobei der amerikanische Markt etwa doppelt so groß ist wie der europäische. Dann gibt es noch Märkte in Südafrika, Australien und Neuseeland. Der chinesische Markt ist gerade auf sehr kleinem Niveau am wachsen. Südamerika und Afrika sind keine Märkte von uns, da wir auf die Infrastruktur angewiesen sind. Da gibt es keine Campingplätze.

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Digitalisierung macht auch vor dem Campen nicht halt. Welche technischen Ausstattungen können Kunden wählen?

Das Smart Caravaning bedeutet ein vernetztes Wohnmobil, in dem sich alle möglichen Anwendungen mit dem Handy steuern lassen. Wir haben ein Haus auf Rädern, in dem ähnliche Funktionen wie in einem Smart Home denkbar sind. Der Kunde kann auf dem Handy sehen, wie viel Wasser noch im Tank ist oder wie viel Gas noch zum Kochen da ist. Oder ich möchte nach dem Essen in einem Restaurant in ein warmes Wohnmobil. Dann kann ich das über das Handy die Heizung programmieren. Natürlich gehört auch eine stabile WLAN-Verbindung dazu, sodass ich aus dem Wohnmobil heraus arbeiten kann.

Wie wird die Zukunft des Caravaning aussehen? Werden die Fahrzeuge irgendwann soviel Technik haben, dass die Natur in den Hintergrund rückt?

Wir sind schon sehr naturverbunden, weil die Camper die Natur erfahren. Die meisten verbringen die wenigste Zeit im Reisemobil. Vor allem wenn ich in den Süden fahre, verbringe ich die meiste Zeit draußen. Das wird auch in Zukunft so sein. Die technischen Annehmlichkeiten wollen die Kunden natürlich gerne mitnehmen.

Ein Blick in die Produktionshalle von Hymer in Bad Waldsee.
Ein Blick in die Produktionshalle von Hymer in Bad Waldsee. | Bild: Hymer

Wie sieht es am Standort Bad Waldsee aus?

Im Frühjahr 2022 werden wir dort eine neue Produktionshalle in Betrieb nehmen. Allerdings haben wir Probleme mit bestimmten Zulieferteilen, sodass wir leider noch nicht wissen, in welchem Umfang wir starten können. Momentan federn wir mit Arbeitszeitkonten die Engpässe aus, aber wir gehen davon aus, dass die Halbleiterengpässe noch bis Sommer 2023 sind. Dann werden wir einige der geplanten Neueinstellungen nicht mehr machen können. Und leider kann es auch dort zu Kurzarbeit kommen, wie auch in Isny. Das hat uns hart getroffen. Wir hatten die Pläne, aber dadurch, dass wir von Fiat und Mercedes weniger Chassis bekommen, müssen wir umplanen.

Sie haben mit Thor Industries einen amerikanischen Mutterkonzern. Hat das irgendwelche Einflüsse auf die Erwin-Hymer-Gruppe?

Wir haben hier das Problem, dass Besitzer eines neueren Führerscheins nicht über 3,5 Tonnen fahren dürfen. Deswegen versuchen wir besonders leicht zu bauen und möglichst kompakte Fahrzeuge zu machen. In den USA gibt es keine Beschränkungen hinsichtlich des Gewichts. Die haben viel größere Fahrzeuge, auch für größere Straßen.

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Wie sieht es mit der Entwicklung und Nutzung alternativer Antriebe aus?

Bei Wasserstoff- und elektrischen Antrieben brauche ich eine Ladestruktur und die nicht nur in Deutschland, sondern auch in den andern Ländern, Italien, Spanien, Kroatien. Wir sind auch angewiesen auf die Automobilhersteller, von denen wir die Chassis beziehen. Die müssen die Lösungen anbieten. Für uns könnte sowohl Wasserstoff als auch der Elektroantrieb interessant sein. Bei letzterem fehlt die Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Außerdem müssen die Batterien schneller geladen werden können, innerhalb von 20 Minuten. Dann wäre auch ein reines E-Fahrzeug als Reisemobil akzeptabel.

Was schätzen Sie besonders am Caravaning?

Was wirklich gut ist, ist die Ungebundenheit. Mit einem Camper ist man sehr flexibel. da kann ich am Freitag sagen, ich hatte eine harte Woche und fahre dorthin, wo es schön ist, um zu wandern oder zu Mountainbiken. Sie müssen nicht im Voraus ein Hotel buchen oder etwas planen. Auch bei schlechtem Wetter können sie einfach ein Stück weiterfahren, wo vielleicht die Sonne scheint.