Der Motorenbauer Rolls-Royce-Power-Systems (RRPS) steht offenbar im laufenden Jahr vor erheblichen Einschnitten. Wie der SÜDKURIER aus informierten Kreisen erfuhr, habe der Aufsichtsrat des Unternehmens am vergangenen Donnerstag das Jahresbudget für 2023 beschlossen. Dieses beinhalte Einschnitte. Die Rede war von Kostensenkungen, weniger Investitionen und strukturelle Anpassungen bei dem Friedrichshafener Motorenbauer.

Aufsichtsräte segnen Budget 2023 ab

Ein RRPS-Unternehmenssprecher äußerte sich weder zur Aufsichtsratssitzung noch zu den dort getroffenen Beschlüssen.

Seit Mitte der Woche herrscht sowohl bei RRPS als auch bei dessen britischer Konzernmutter Rolls-Royce Unruhe. Grund ist eine Online-Informationsveranstaltung für Mitarbeiter am vergangenen Mittwoch. In ihr schlug der neue Rolls-Royce-Konzernchef Tufan Erginbilgic harsche Töne an, um die Lage der britischen Industrie-Ikone und seiner ausländischen Tochterfirmen zu beschreiben.

In der Ukraine heiß begehrt: Schützenpanzer Marder mit MTU-Motor.
In der Ukraine heiß begehrt: Schützenpanzer Marder mit MTU-Motor. | Bild: ODD ANDERSEN, AFP

Firmen-Chef: Rolls-Royce gleicht einer „brennenden Plattform“

Laut einem Bericht der Zeitung „Financial Times“, der Mitschnitte der Veranstaltung vorliegen, sagte Erginbilgic, bei allem, in was man derzeit investiere, vernichte man Geld. Alle maßgeblichen Wettbewerber seien deutlich besser aufgestellt. Die Verfassung des Unternehmens sei „untragbar“. Rolls-Royce gleiche einer „brennenden Plattform“.

Erginbilgic führt das 117 Jahre alte Traditionsunternehmen seit Januar. Schon sein Vorgänger Warren East hatte in Folge der Corona-Krise ein drastisches Sparprogramm aufgesetzt und rund 9000 Stellen im Konzern gestrichen.

Panzermotoren vom Bodensee

Rolls-Royce ist seit Längerem in schwerem Fahrwasser. In den Geschäftsjahren 2020 und 2021 hatte der vor allem für seine Flugzeug-Triebwerke bekannte Industrieriese Verluste in Höhe von insgesamt gut fünf Milliarden Euro angehäuft. Auch im ersten Halbjahr 2022 standen unter dem Strich tiefrote Zahlen. Insbesondere die Corona-Krise und der dadurch bedingte harsche Rückgang weltweiter Flugbewegungen, setzte dem Unternehmen zu. Erginbilgic sagte am Mittwoch aber, die Probleme des Unternehmens hätten im Kern nichts mit der Corona-Krise zu tun, sondern seien auf andere Dinge, etwa Doppelstrukturen im Unternehmen, zurückzuführen.

RRPS-Sprecher dementiert Einstellungsstopp

Die drastischen Aussagen Erginbilgics sorgen auch bei der deutschen Unternehmenstochter RRPS für massive Verunsicherung. Die britische Konzernmutter wolle RRPS offenbar „noch tiefer in die Tasche greifen als bisher schon“, sagte eine Quelle aus dem Unternehmen dem SÜDKURIER. Im Raum stehe auch ein konzernweiter Einstellungsstopp. Dieser würde RRPS in einer denkbar ungünstigen Lage treffen, so die Quelle.

RRPS ist der Haus-und-Hof-Lieferant der Bundeswehr und vieler Nato-Partner für Panzermotoren. Alle Panzer der Typen Marder, Puma und Leopard, sowie die Panzerhaubitzen 1 und 2 werden ausschließlich von Aggregaten der RRPS-Marke MTU angetrieben und am Bodensee gefertigt. Absehbar ist, dass der Bedarf an solchen Motoren wegen des Ukraine-Kriegs stark ansteigen wird.

Jörg Stratmann führt RRPS seit November 2022. Er folgte auf Andreas Schell, der jetzt EnBW-Chef ist.
Jörg Stratmann führt RRPS seit November 2022. Er folgte auf Andreas Schell, der jetzt EnBW-Chef ist. | Bild: Robert Hack, dpa

Vor wenigen Tagen hatte Deutschland die Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 an die Ukraine zugesagt. Weiteres schweres Gerät wie die Panzerhaubitze 2 und die Schützenpanzer Marder sind bereits in der Ukraine im Einsatz oder sollen in Kürze dorthin geliefert werden. „Eigentlich müssten wir heute schon anfangen, Motoren zu produzieren und dafür auch investieren“, heißt es aus dem Unternehmen. Auch gehe es darum, schnell Personal einzustellen. Das alles sei nun in Gefahr.

Betriebsversammlung am Montag

Ein RRPS-Sprecher sagte, wo es notwendig sei, werde man auch weiterhin Personal einstellen. Insbesondere werde man die Zusage einhalten, „zusätzliche Aufträge des Bundes zu bedienen“, sagte der Sprecher. Zu möglichen Sparplänen bei der MTU-Mutter wollte er sich nicht äußern.

Die Belegschaftsvertreter scheint das nicht zufriedenzustellen. Für kommenden Montag hat der RRPS-Betriebsrat die Friedrichshafener Beschäftigten zu einer Betriebsversammlung geladen. Ein Sprecher der Mitarbeitervertretung sagte dem SÜDKURIER, es gehe um „aktuelle Themen“.