Zu wenig Schlaf, Stress in der Familie, allgemeine Unlust: Es gibt viele Gründe, warum es Menschen an Energie fehlt um zu arbeiten. Einige Firmen in England bieten ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, dann zu Hause zu bleiben und einen „Reset Day“ einzulegen. Auch in Deutschland bieten einzelne Betriebe einen „Null-Bock-Tag“ an. Der Wirtschaftswissenschaftler Andrew Lee von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Karlsruhe verrät, was er von der Idee hält.
Herr Lee, gibt es aus England bereits Erfahrungen, was Null-Bock-Tage für Arbeitnehmer und für Firmen bringen?
Das Konzept ist noch sehr neu, wir haben also keine Studien oder so. Ich kenne nur einzelne Anekdoten von kleinen Unternehmen zu dem Thema. Hier wird erzählt, dass die Mitarbeiter eine willkommene Pause genießen können, um Burnout zu vermeiden und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern. Was wiederum die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhe und die Produktivität steigere.

Das klingt doch nach einem Gewinn für alle, oder?
Bei Unternehmen in kreativen, technologischen oder innovativen Bereichen stehen geistige Arbeit und hohe Flexibilität im Vordergrund. Hier können weniger Arbeitsstunden tatsächlich rentabel sein, wenn das bei den Mitarbeitern dazu führt, dass sie produktiver sind. In Branchen wie der Altenpflege, der Kinderbetreuung oder im Einzelhandel ist das dagegen aufgrund der arbeitsintensiven Strukturen nahezu unmöglich. Es gibt dort nur eine sehr geringe Arbeitszeitflexibilität, hinzu kommen Schicht- und Wochenendarbeit. Schon jetzt müssen viele Beschäftigte kurzfristig einspringen oder Überstunden machen, um Ausfälle zu kompensieren.
Es kommt also zu ähnlichen Ungleichbehandlungen wie schon vom Homeoffice bekannt?
Ja. Und genau wie dort kann das auch innerhalb eines Unternehmens der Fall sein, wenn es dort Abteilungen gibt, die stark von der Anwesenheit der Mitarbeiter abhängig sind wie die Produktion oder der Kundendienst.
Sehen sie noch weitere Probleme?
Werden „Reset Days“ regelmäßig und für alle Mitarbeiter bezahlt, können die zusätzlichen Kosten erheblich sein. Das könnte dazu führen, dass die Unternehmen die Löhne für alle Mitarbeiter senken. Was wiederum diejenigen benachteiligen würde, die keinen „Reset Day“ nehmen können oder wollen.
Die Suche nach Fachkräften ist in vielen Branchen eine Herausforderung. Sind Dinge wie Null-Bock-Tage da nicht ein gutes Lockmittel?
Unternehmen müssen kreativ sein, um in Zeiten des Fachkräftemangels talentierte Arbeitskräfte zu gewinnen. „Reset Days“ könnten bestimmten Unternehmen theoretisch einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Wer flexiblere Arbeitsmodelle anbietet, ist für Fachkräfte attraktiver und kann so seine Chancen erhöhen, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten.
Weil die Work-Life-Balance immer wichtiger wird?
Gerade die jüngeren Generationen sind für ihre höheren Ansprüche an die Work-Life-Balance und psychische Gesundheit bekannt. Wegen des Fachkräftemangels sitzen sie mit ihren Wünschen und Bedürfnissen am längeren Hebel. Das haben die Firmen erkannt. Die Pandemie hat das Bewusstsein für psychische Erkrankungen und die Notwendigkeit, Überlastung zu vermeiden bei vielen geschärft. Trotzdem halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass das Konzept der Null-Bock-Tage außerhalb der kreativen Sektoren der Wirtschaft angenommen wird.